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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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hoben Berge gelegene Räuberhöhle. in der ein eitles Weib die Wirthschaft und
Küche der Strolche besorgte. Kaum hatten sich die Angekommenen durch ein
Warmes Bad gestärkt und zum Schmause gelagert, so erschien eine andere Ab¬
theilung, die unterdessen eine" Raubzug nach Böotien ausgeführt hatte und
ebenfalls mit reicher Beute an goldenen und silbernen Münzen und Geschirren,
seidenen und golddurchwirkten Gewändern zurückkehrte. Bei dem wüsten Ge¬
lage, das nun folgt, wird endlich der zweiten Partei vorgeworfen, daß sie
ohne ihren tapfern Hauptmann zurückgekehrt sei und wahrscheinlich aus Feig¬
heit sich nur mit lumpigem Diebstahl befasst habe. Dies giebt Veranlassung,
das Ende des Lamathos nebst einigen anderen charakteristischen Abenteuern zu
erzählen. In Theben angelangt, hatten die Banditen ihre Angen sogleich auf
das Haus eines steinreichen, aber filzigen Geldwechslers gerichtet. Sie schlichen
sich daher des Nachts hinein, und da sie es nicht wagten, die Thür mit Ge¬
walt zu erbrechen, so steckte der Hauptmann Hand und Arm in das im Thür¬
riegel befindliche Schlüsselloch, um so die in dasselbe von oben einfallenden
Bolzen zu heben. Allein der Wucherer hatte die Anstalten bemerkt und wie
der Räuber seinen Versuch begann, trieb er durch einen einzigen starken Hammerschlag
einen großen Nagel durch das Holz und nagelte die eingedrungene Hand fest
an die Thür. Dann stieg er schnell auf das Dach seines Hanfes und schrie
Feuer, um die Nachbarn durch die jeden näher angehende Gefahr herbeizu¬
ziehen. Da blieb denn den Räubern nichts übrig, als den Oberarm ihres
Führers durch einen Schwerthieb abzutrennen und ans schleuniger Flucht Ret¬
tung zu suchen. Weil jedoch die Fortschaffung des Verwundeten das Fort¬
kommen erschwerte und die Gefahr steigerte, so bat derselbe die Genossen, ihn
lieber zu tödten, da er überhaupt seine Hand nicht überleben wollte, mit der
er ja allein rauben und morden könnte, und da sich keiner zu dem Liebesdienst
verstehen wollte, küßte er sein Schwert und stieß es sich mit der Linken in die
Brust. -- Einen noch schmachvolleren Tod fand ein anderes Mitglied der
Bande, Alkimos. Er war in das Häuschen einer alten Frau eingebrochen
und hatte dieselbe im oberen Stocke schlafend angetroffen. Weniger aus Mit¬
leid, als weil er ihren Widerstand nicht fürchtete, unterließ er es, sie zu er¬
würgen und begann alle werthvollen Habseligkeiten durch ein Fenster zu werfen,
damit seine Genossen die Beute leicht wegschaffen könnten. Nachdem er nun
alles auf diesem Weg expedirt hatte, gelüstete es ihn auch nach dem Bette
der Alten; er warf sie also heraus und wollte eben das Bettzeug durch das
Fenster entsenden, als das listige Weib sich ihm zu Füßen warf und sprach:
--Ich beschwöre dich, mein Sohn, wozu machst du mit den Bettellumpcn einer
unglücklichen alten Frau den reichen Nachbarn dort ein Geschenk, nach
deren Hause dieses Fenster führt?" Bei diesen Worten wurde der Räuber
stutzig, bog sich zum Fenster hinaus, um die Lokalität zu prüfen und be-


hoben Berge gelegene Räuberhöhle. in der ein eitles Weib die Wirthschaft und
Küche der Strolche besorgte. Kaum hatten sich die Angekommenen durch ein
Warmes Bad gestärkt und zum Schmause gelagert, so erschien eine andere Ab¬
theilung, die unterdessen eine» Raubzug nach Böotien ausgeführt hatte und
ebenfalls mit reicher Beute an goldenen und silbernen Münzen und Geschirren,
seidenen und golddurchwirkten Gewändern zurückkehrte. Bei dem wüsten Ge¬
lage, das nun folgt, wird endlich der zweiten Partei vorgeworfen, daß sie
ohne ihren tapfern Hauptmann zurückgekehrt sei und wahrscheinlich aus Feig¬
heit sich nur mit lumpigem Diebstahl befasst habe. Dies giebt Veranlassung,
das Ende des Lamathos nebst einigen anderen charakteristischen Abenteuern zu
erzählen. In Theben angelangt, hatten die Banditen ihre Angen sogleich auf
das Haus eines steinreichen, aber filzigen Geldwechslers gerichtet. Sie schlichen
sich daher des Nachts hinein, und da sie es nicht wagten, die Thür mit Ge¬
walt zu erbrechen, so steckte der Hauptmann Hand und Arm in das im Thür¬
riegel befindliche Schlüsselloch, um so die in dasselbe von oben einfallenden
Bolzen zu heben. Allein der Wucherer hatte die Anstalten bemerkt und wie
der Räuber seinen Versuch begann, trieb er durch einen einzigen starken Hammerschlag
einen großen Nagel durch das Holz und nagelte die eingedrungene Hand fest
an die Thür. Dann stieg er schnell auf das Dach seines Hanfes und schrie
Feuer, um die Nachbarn durch die jeden näher angehende Gefahr herbeizu¬
ziehen. Da blieb denn den Räubern nichts übrig, als den Oberarm ihres
Führers durch einen Schwerthieb abzutrennen und ans schleuniger Flucht Ret¬
tung zu suchen. Weil jedoch die Fortschaffung des Verwundeten das Fort¬
kommen erschwerte und die Gefahr steigerte, so bat derselbe die Genossen, ihn
lieber zu tödten, da er überhaupt seine Hand nicht überleben wollte, mit der
er ja allein rauben und morden könnte, und da sich keiner zu dem Liebesdienst
verstehen wollte, küßte er sein Schwert und stieß es sich mit der Linken in die
Brust. — Einen noch schmachvolleren Tod fand ein anderes Mitglied der
Bande, Alkimos. Er war in das Häuschen einer alten Frau eingebrochen
und hatte dieselbe im oberen Stocke schlafend angetroffen. Weniger aus Mit¬
leid, als weil er ihren Widerstand nicht fürchtete, unterließ er es, sie zu er¬
würgen und begann alle werthvollen Habseligkeiten durch ein Fenster zu werfen,
damit seine Genossen die Beute leicht wegschaffen könnten. Nachdem er nun
alles auf diesem Weg expedirt hatte, gelüstete es ihn auch nach dem Bette
der Alten; er warf sie also heraus und wollte eben das Bettzeug durch das
Fenster entsenden, als das listige Weib sich ihm zu Füßen warf und sprach:
--Ich beschwöre dich, mein Sohn, wozu machst du mit den Bettellumpcn einer
unglücklichen alten Frau den reichen Nachbarn dort ein Geschenk, nach
deren Hause dieses Fenster führt?" Bei diesen Worten wurde der Räuber
stutzig, bog sich zum Fenster hinaus, um die Lokalität zu prüfen und be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/113>, abgerufen am 23.07.2024.