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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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und wen armselig und noch jung er sieht bei Mition um Aale handeln, den
pank' er und schlepp' ihn ins Gefängniß!" Auch vor den Einbrechern hatte
man arge Furcht in Athen; zdenn die leichte Bauart der Häuser ermöglichte
es, ohne große Schwierigkeit die Mauern und Wände zu durchbrechen und
andrerseits waren anch die Räuber mehr auf diesen Weg angewiesen, da
die nach der Straße gehende" Fenster zu hoch und gewöhnlich zu klein waren,
um das Durchpassircu zu gestatten. Man nannte deshalb auch die Ein¬
brecher "Wanddurchgrabcr". In dieselbe Kategorie gehörten vor dem Ge¬
setze die Berauber der Tvdtcngrüfte und die Seelenverkäufer, welche entweder
Freigeborene auf irgendeine Weise der Sklaverei überlieferten, oder auch
fremde Sklaven ihren Herren abspenstig machten. Die Landstraßen dagegen
scheinen ziemlich ohne Gefahr zu bereisen gewesen zu sein. Doch fehlt es
nicht an Erzählungen von Mordthaten, die habsüchtige Gastwirthe an Reisen¬
den verübte". (Vergl. Liesro <Zv invent. II,, 4. <1ö äivinat. I, 27.) "Seit
Stirvn und Prokrustes todt sind," läßt Tenophon den Sokrates sagen, "thut
niemand den Kindern etwas zu leid." Man pflegte ja auch niemals ohne
Begleitung wenigstens eines Dieners zu reisen und von ganzen Räuberbanden
hört man nichts. Als freilich später infolge der politische" Zerrissenheit und
der bürgerlichen Kriege die Parteien sich mit fanatischer Wuth verfolgten und
eine Masse heimathloser Flüchtlinge im Lande umherirrten oder zu Tausenden
als Söldner in fremde Kriegsdienste zu treten gezwungen wurden, überhaupt
eine allgemeine Verarmung und Nahrungslosigkeit um sich zu greifen begann,
da wucherte auch das Unkraut der Wegelagerei lustig empor, gleichen Schritt
haltend mit der sittlichen Verwilderung des Volkes. So erwähnt Diogenes,
der Laerticr, in seiner biographischen Anekdvtcnsammlung, daß im dritten
Jahrhundert vor Christus der Philosoph Mcnedcmos einem Freunde den Ge¬
fallen erwies, dessen Gemahlin von Delphi in Phot'is bis nach Chalkis auf
Euböa zu geleiten, da dieselbe sich vor den Dieben und Räubern auf dem
Wege fürchtete. In der römischen Zeit scheint sich das Banditenwesen in
Griechenland noch sehr vervollkommnet zu haben. In dem von Lukian und
noch weitläufiger von Appulejus aus Madaura im goldenen Esel benutzten
Romane des Lucius von Paträ, der vielleicht dem ersten Jahrhundert nach
Christus angehörte, liefert das Räuberleben mit seinen Abenteuern reichen
Stoff zur Unterhaltung. Der in einen Esel Verzauberte Held des Stückes wird
i" der thessalischen Stadt Hypata aus dem Hause seines Gastfreundes durch
Räuber entführt, die während der Nacht sich einen Weg durch die Mauer ge¬
bahnt hatten und alle Schätze des Gebäudes mit sich nahmen. Nach einem
formten Marsche gelang! die Bande Mittags zu einem Gehöfte, dessen Be¬
sitzer ihr befreundet war und wo Rast gemacht wurde. Am Abend erreichte
man endlich im Gebirge die durch Gunst der Natur wohl versteckte, auf einem


und wen armselig und noch jung er sieht bei Mition um Aale handeln, den
pank' er und schlepp' ihn ins Gefängniß!" Auch vor den Einbrechern hatte
man arge Furcht in Athen; zdenn die leichte Bauart der Häuser ermöglichte
es, ohne große Schwierigkeit die Mauern und Wände zu durchbrechen und
andrerseits waren anch die Räuber mehr auf diesen Weg angewiesen, da
die nach der Straße gehende» Fenster zu hoch und gewöhnlich zu klein waren,
um das Durchpassircu zu gestatten. Man nannte deshalb auch die Ein¬
brecher „Wanddurchgrabcr". In dieselbe Kategorie gehörten vor dem Ge¬
setze die Berauber der Tvdtcngrüfte und die Seelenverkäufer, welche entweder
Freigeborene auf irgendeine Weise der Sklaverei überlieferten, oder auch
fremde Sklaven ihren Herren abspenstig machten. Die Landstraßen dagegen
scheinen ziemlich ohne Gefahr zu bereisen gewesen zu sein. Doch fehlt es
nicht an Erzählungen von Mordthaten, die habsüchtige Gastwirthe an Reisen¬
den verübte». (Vergl. Liesro <Zv invent. II,, 4. <1ö äivinat. I, 27.) „Seit
Stirvn und Prokrustes todt sind," läßt Tenophon den Sokrates sagen, „thut
niemand den Kindern etwas zu leid." Man pflegte ja auch niemals ohne
Begleitung wenigstens eines Dieners zu reisen und von ganzen Räuberbanden
hört man nichts. Als freilich später infolge der politische» Zerrissenheit und
der bürgerlichen Kriege die Parteien sich mit fanatischer Wuth verfolgten und
eine Masse heimathloser Flüchtlinge im Lande umherirrten oder zu Tausenden
als Söldner in fremde Kriegsdienste zu treten gezwungen wurden, überhaupt
eine allgemeine Verarmung und Nahrungslosigkeit um sich zu greifen begann,
da wucherte auch das Unkraut der Wegelagerei lustig empor, gleichen Schritt
haltend mit der sittlichen Verwilderung des Volkes. So erwähnt Diogenes,
der Laerticr, in seiner biographischen Anekdvtcnsammlung, daß im dritten
Jahrhundert vor Christus der Philosoph Mcnedcmos einem Freunde den Ge¬
fallen erwies, dessen Gemahlin von Delphi in Phot'is bis nach Chalkis auf
Euböa zu geleiten, da dieselbe sich vor den Dieben und Räubern auf dem
Wege fürchtete. In der römischen Zeit scheint sich das Banditenwesen in
Griechenland noch sehr vervollkommnet zu haben. In dem von Lukian und
noch weitläufiger von Appulejus aus Madaura im goldenen Esel benutzten
Romane des Lucius von Paträ, der vielleicht dem ersten Jahrhundert nach
Christus angehörte, liefert das Räuberleben mit seinen Abenteuern reichen
Stoff zur Unterhaltung. Der in einen Esel Verzauberte Held des Stückes wird
i» der thessalischen Stadt Hypata aus dem Hause seines Gastfreundes durch
Räuber entführt, die während der Nacht sich einen Weg durch die Mauer ge¬
bahnt hatten und alle Schätze des Gebäudes mit sich nahmen. Nach einem
formten Marsche gelang! die Bande Mittags zu einem Gehöfte, dessen Be¬
sitzer ihr befreundet war und wo Rast gemacht wurde. Am Abend erreichte
man endlich im Gebirge die durch Gunst der Natur wohl versteckte, auf einem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/112>, abgerufen am 23.07.2024.