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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Da nun serner auch die älteren staatsrechtlichen Bestimmungen nur so weit
als antiquirt zu betrachten sind als sie der Verfassung widersprechen, so war
es eine der wichtigsten Aufgaben des Verfassers, das Staatsrecht der absoluten
Monarchie in seinem ganzen Umfange in den Kreis der Betrachtung zu ziehen,
'seine Giltigkeit nach den schon oben angeführten Grundsätzen an dem Maßstabe
der Verfassung zu prüfen und diejenigen Festsetzungen desselben, deren gesetz¬
liche Kraft durch die Umgestaltung des Staatswesens nicht alterirt worden ist,
in den Zusammenhang des gegenwärtigen Vcrfassungssystems einzureihen. So
gesichtet füllt das ältere Recht nicht nur viele Lücken des Systems aus, sondern
giebt auch in manchen Fällen eine willt'vaincre Anleitung zum Verständniß der
Verfassung selbst. Der Verfasser hat aber seine Aufgabe im weitesten Sinne
gefaßt, indem er auch dem überwundenen Standpunkt gerecht geworden ist und
überall den geschichtlichen Zusammenhang des neue" mit dem alten Rechte nach¬
zuweisen sich bemüht hat.

Denn die preußische Verfassung hat, wie Rönne sehr richtig bemerkt, auch
ihre Vergangenheit, eine Wahrheit, die von den entgegengesetztesten Standpunk¬
ten aus beherzigt zu werden verdient. Zwar ist der Uebergang aus der absoluten
in die constitutionelle Monarchie ein plötzlicher gewesen. Die von Friedrich
Wilhelm dem Vierten begründete Institution des Vereinigten Landtags, die
unter günstigen Umständen wahrscheinlich der Anfangspunkt einer wahrhaft con-
stitutionellen Entwickelung geworden wäre, war beim Ausbruch der revolutio¬
nären Bewegungen des Jahres 1848 noch zu wenig consolidirt und auch in ihrer
damaligen Gestalt zu wenig den Forderungen der in jener Zeit unwidersteh¬
lichen öffentlichen Meinung entsprechend, als daß sie den hereinbrechenden Stür¬
men hätte Widerstand leisten können. Indessen wenn somit auch die Verfassung
nicht als Schlußrcsultat der früheren landständischen Verfassungsentwicklung er¬
scheint, vielmehr in gewissem Sinne im geraden Gegensatze zu derselben steht,
so folgt doch aus dieser Thatsache keineswegs, daß mit Einführung der Ver¬
fassung alle Fäden abgerissen sind, die uns mit der Vergangenheit verbinden.

Im Gegentheil läßt sich behaupten, daß die Aufgaben, welche die abso¬
lute Monarchie in ihren schöpferischen Perioden verfolgt hat, denen analog sind,
welche auch dem constitutionell-monarchischen Preußen vorliegen und zum gro¬
ßen Theil von ihrer Lösung noch weit entfernt sind. Ja, man kann oft in
Versuchung gerathen, zu behaupten, daß die dem Fortschritt drohenden Gefah¬
ren in vieler Beziehung gegenwärtig großer und furchtbarer seien, als sie es
unter der absoluten Monarchie waren. Die preußische Monarchie ist stark ge¬
worden dadurch, daß sie jede Particularsouveränetät der Staatssvuveränetät un¬
terworfen hat. Sie hat, was hier besonders hervorgehoben werden muß. mit
ausdauernder Zähigkeit wenn auch nicht ohne manche Unterbrechungen, Still¬
stände und Rückschläge dahin gearbeitet, den kleineren Grundbesitz von dem


Da nun serner auch die älteren staatsrechtlichen Bestimmungen nur so weit
als antiquirt zu betrachten sind als sie der Verfassung widersprechen, so war
es eine der wichtigsten Aufgaben des Verfassers, das Staatsrecht der absoluten
Monarchie in seinem ganzen Umfange in den Kreis der Betrachtung zu ziehen,
'seine Giltigkeit nach den schon oben angeführten Grundsätzen an dem Maßstabe
der Verfassung zu prüfen und diejenigen Festsetzungen desselben, deren gesetz¬
liche Kraft durch die Umgestaltung des Staatswesens nicht alterirt worden ist,
in den Zusammenhang des gegenwärtigen Vcrfassungssystems einzureihen. So
gesichtet füllt das ältere Recht nicht nur viele Lücken des Systems aus, sondern
giebt auch in manchen Fällen eine willt'vaincre Anleitung zum Verständniß der
Verfassung selbst. Der Verfasser hat aber seine Aufgabe im weitesten Sinne
gefaßt, indem er auch dem überwundenen Standpunkt gerecht geworden ist und
überall den geschichtlichen Zusammenhang des neue» mit dem alten Rechte nach¬
zuweisen sich bemüht hat.

Denn die preußische Verfassung hat, wie Rönne sehr richtig bemerkt, auch
ihre Vergangenheit, eine Wahrheit, die von den entgegengesetztesten Standpunk¬
ten aus beherzigt zu werden verdient. Zwar ist der Uebergang aus der absoluten
in die constitutionelle Monarchie ein plötzlicher gewesen. Die von Friedrich
Wilhelm dem Vierten begründete Institution des Vereinigten Landtags, die
unter günstigen Umständen wahrscheinlich der Anfangspunkt einer wahrhaft con-
stitutionellen Entwickelung geworden wäre, war beim Ausbruch der revolutio¬
nären Bewegungen des Jahres 1848 noch zu wenig consolidirt und auch in ihrer
damaligen Gestalt zu wenig den Forderungen der in jener Zeit unwidersteh¬
lichen öffentlichen Meinung entsprechend, als daß sie den hereinbrechenden Stür¬
men hätte Widerstand leisten können. Indessen wenn somit auch die Verfassung
nicht als Schlußrcsultat der früheren landständischen Verfassungsentwicklung er¬
scheint, vielmehr in gewissem Sinne im geraden Gegensatze zu derselben steht,
so folgt doch aus dieser Thatsache keineswegs, daß mit Einführung der Ver¬
fassung alle Fäden abgerissen sind, die uns mit der Vergangenheit verbinden.

Im Gegentheil läßt sich behaupten, daß die Aufgaben, welche die abso¬
lute Monarchie in ihren schöpferischen Perioden verfolgt hat, denen analog sind,
welche auch dem constitutionell-monarchischen Preußen vorliegen und zum gro¬
ßen Theil von ihrer Lösung noch weit entfernt sind. Ja, man kann oft in
Versuchung gerathen, zu behaupten, daß die dem Fortschritt drohenden Gefah¬
ren in vieler Beziehung gegenwärtig großer und furchtbarer seien, als sie es
unter der absoluten Monarchie waren. Die preußische Monarchie ist stark ge¬
worden dadurch, daß sie jede Particularsouveränetät der Staatssvuveränetät un¬
terworfen hat. Sie hat, was hier besonders hervorgehoben werden muß. mit
ausdauernder Zähigkeit wenn auch nicht ohne manche Unterbrechungen, Still¬
stände und Rückschläge dahin gearbeitet, den kleineren Grundbesitz von dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/92>, abgerufen am 01.10.2024.