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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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englischer Pferde, und umherliegende englische Geschirrstücke unverkennbar
bezeichnet.

Bei der unmittelbaren Nachbarschaft der Naketenbatterie war das Sausen
der die Luft fortwährend durchfurchenden Geschosse, besonders wegen der Neu¬
heit des ungemein starken Getöses, äußerst nervenerschütternd; besonders war
es aber den Pferden der Batterie so zuwider, daß dieselben kaum zu erhalten
waren.

Zu dem Schlachtgetöse, welches uns außerdem umgab, gesellte sich aber
plötzlich ein noch weit unangenehmeres in unserem Rücken.

Zwischen den hinter unserer Front aufgestellten russischen Kavallerieregi¬
mentern hatte sich, nämlich, auf etwa 200 Schritt von uns entfernt, eine russische
Einhorn-Batterie (Wurfgeschützc, oder eine Art langer Haubitzen) postirt,
welche ihre Granaten über unsere Köpfe hinweg gegen den Feind vor unserer
Front warf. Nicht genug, daß das Geschützfeuer im Rücken, welches an und
für sich schon sehr unangenehm ist. uns belästigte, sondern es flogen uns auch
die Holzstücke der russischen Granatspicgel um die Ohren. Vollends die Pferde
der Batterie, obgleich durch Futtermangel und strapaziöse Märsche sehr ange¬
griffen und hierdurch überaus geduldig, waren des Teufels und geberdeten sich
immer unleidlicher.

Dieser Uebelstände wegen sah sich der Commandeur unserer Batterie ge¬
nöthigt, einen Sendling -- der ich selber war -- an die Russen abzuschicken,
um den russischen Batteriecommandeur zu ersuchen, diese uns mindestens eigen¬
thümlich erscheinende Taktik -- bei den Russen war ein solches Verfahren unter
dem Namen Etagenfeuer üblich --- einzustellen und sich lieber zwischen uns
und zwischen der englischen Naketenbatterie aufzustellen.

Die russische Einhorn-Batterie zog es jedoch vor, ihr Feuer gänzlich ein¬
zustellen und sich aus der Feuerlinie zurückzuziehen. Dies konnte aber wohl
noch einen anderen Beweggrund haben.

Die russischen Batterien hatten, wenigstens damals, die Unsitte, ihre sämmt¬
lichen Munitionskarren, hier deren 36, mit in die Feuerlinie zu führen. Infolge
dessen litten diese immer unverhältnismäßig großen Schaden. In unsrem Falle
waren denn auch mehre derselben durch feindliche Geschosse in die Luft gesprengt
worden; kurz die russische Batterie zog von dannen und überließ uns unserem
Schicksal, welches sehr bald ein ungemein kritisches werden sollte.

Die damals in einer jeden Geschützprotze vorhandenen 50 Kugelschüsse wa¬
ren verschossen, ein Ersatz derselben aber deshalb unmöglich, weil die Munitions¬
wagen der Batterie, welche, wie früher erwähnt, am "Heitern Blick" zurück¬
gelassen worden waren, von dem zu ihrer Herbeiholung abgesendeten Geschützfüh¬
rer nicht aufgefunden werden konnten. Die Batterie war daher auf kurze Zeit
einer sehr unbehaglichen Feuerpause unterworfen.


englischer Pferde, und umherliegende englische Geschirrstücke unverkennbar
bezeichnet.

Bei der unmittelbaren Nachbarschaft der Naketenbatterie war das Sausen
der die Luft fortwährend durchfurchenden Geschosse, besonders wegen der Neu¬
heit des ungemein starken Getöses, äußerst nervenerschütternd; besonders war
es aber den Pferden der Batterie so zuwider, daß dieselben kaum zu erhalten
waren.

Zu dem Schlachtgetöse, welches uns außerdem umgab, gesellte sich aber
plötzlich ein noch weit unangenehmeres in unserem Rücken.

Zwischen den hinter unserer Front aufgestellten russischen Kavallerieregi¬
mentern hatte sich, nämlich, auf etwa 200 Schritt von uns entfernt, eine russische
Einhorn-Batterie (Wurfgeschützc, oder eine Art langer Haubitzen) postirt,
welche ihre Granaten über unsere Köpfe hinweg gegen den Feind vor unserer
Front warf. Nicht genug, daß das Geschützfeuer im Rücken, welches an und
für sich schon sehr unangenehm ist. uns belästigte, sondern es flogen uns auch
die Holzstücke der russischen Granatspicgel um die Ohren. Vollends die Pferde
der Batterie, obgleich durch Futtermangel und strapaziöse Märsche sehr ange¬
griffen und hierdurch überaus geduldig, waren des Teufels und geberdeten sich
immer unleidlicher.

Dieser Uebelstände wegen sah sich der Commandeur unserer Batterie ge¬
nöthigt, einen Sendling — der ich selber war — an die Russen abzuschicken,
um den russischen Batteriecommandeur zu ersuchen, diese uns mindestens eigen¬
thümlich erscheinende Taktik — bei den Russen war ein solches Verfahren unter
dem Namen Etagenfeuer üblich —- einzustellen und sich lieber zwischen uns
und zwischen der englischen Naketenbatterie aufzustellen.

Die russische Einhorn-Batterie zog es jedoch vor, ihr Feuer gänzlich ein¬
zustellen und sich aus der Feuerlinie zurückzuziehen. Dies konnte aber wohl
noch einen anderen Beweggrund haben.

Die russischen Batterien hatten, wenigstens damals, die Unsitte, ihre sämmt¬
lichen Munitionskarren, hier deren 36, mit in die Feuerlinie zu führen. Infolge
dessen litten diese immer unverhältnismäßig großen Schaden. In unsrem Falle
waren denn auch mehre derselben durch feindliche Geschosse in die Luft gesprengt
worden; kurz die russische Batterie zog von dannen und überließ uns unserem
Schicksal, welches sehr bald ein ungemein kritisches werden sollte.

Die damals in einer jeden Geschützprotze vorhandenen 50 Kugelschüsse wa¬
ren verschossen, ein Ersatz derselben aber deshalb unmöglich, weil die Munitions¬
wagen der Batterie, welche, wie früher erwähnt, am „Heitern Blick" zurück¬
gelassen worden waren, von dem zu ihrer Herbeiholung abgesendeten Geschützfüh¬
rer nicht aufgefunden werden konnten. Die Batterie war daher auf kurze Zeit
einer sehr unbehaglichen Feuerpause unterworfen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/66>, abgerufen am 01.10.2024.