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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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formirt wurde, da bereits mehre Kanonenkugeln von Süden her schräg durch
die Marschcolonnc gefahren waren. auch schon einen Artilleristen getödtet hatten.

Da uns nun der Feind bei Paunsdvrf gegenüberstand, die erwähnten
Kugeln aber von links her kamen, so war es sicher, das; es Grüße von befreun¬
deter Seite waren, welche ihre Adresse verfehlt hatten, ein Fall, welcher in¬
folge der kreisförmigen Angriffsstcllung der alliirten Armeen, die nunmehr bei
Paunsdvrf in einen Spitzbogen übergegangen war, sehr leicht eintreten konnte.

Unter dem Einschlagen mehrer solcher Kanonenkugeln, deren eine durch
den Luftdruck einen Offizier der Batterie vom Pferde warf, erreichte die Bat¬
terie einen Feldweg, welcher von Norden nach Süden unsere Marschrichtung
durchschnitt.

Auf diesem Feldwege defilirte jedoch eine starke Colonne russischer In¬
fanterie vom langeronschen Corps, welches den Parthefluß bei dem Dorfe
Montau überschritten hatte und nunmehr südwärts vorschritt.

Durch diese Truppen wurde der Weitermarsch der Batterie Ur. 16 plötzlich
gehemmt. Da die Bitten des Batteriecommandeurs, seine Batterie den Weg
in rascher Gangart überschreiten zu lassen, fruchtlos blieben, so mußten wir
das Vorüberziehen der Nüssen in Geduld abwarten, was um so unangenehmer
war, als die einschlagenden "befreundeten" Kugeln immer häusiger wurden.
Eine von ihnen bereitete unter anderen auch einem der vorüberziehenden
Baschkiren das Ziel seiner irdischen Laufbahn. Dieses Ereignis; verschaffte
uns das kurzweilige Schauspiel, die Beerdigung dieses halbasiatischen Waffen-
bruders nach muhamedanischen, vielleicht auch nach heidnischem Ritus mit an¬
zusehen.

Nachdem nämlich der erwähnte Steppenreiter vom Pferde gefallen, um¬
ringte ihn ein Theil seiner Kameraden, welche die Leiche von allen Seiten
untersuchten, und hierbei die Ueberzeugung gewannen, daß seine Seele wirklich
ins Paradies eingegangen sei. Daraus wühlten die anmuthigen Kameraden
vermittelst ihrer Säbel den Boden auf und bedeckten den Leichnam mit der
ausgeschaufelten Erde. Nachdem dies bewerkstelligt war, zerbrachen sie die
Lanze und die im Köcher des Gefallenen befindlichen Pfeile, mit welchen so¬
dann, und zwar anscheinend unter religiösen Gesängen, der Grabhügel zu
den Füßen und am Kopfe garnirt wurde. Dann erst zogen sie ihres Weges
weiter.

Nachdem nun die Passage endlich frei geworden, verfolgte unsere Batterie
ihren Marsch, und zwar in der Richtung des in Brand gerathenen Straßen-
Vorwerks "Heitrer Blick". In der Nähe dieses Vorwerks erhielt die Batterie
den Befehl, die Taucha-Leipziger Straße zu verfolgen, um rechts derselben eine
angemessene Aufstellung gegen die von Volkmarsdorf her wirkende feindliche Ar¬
tillerie einzunehmen.*


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formirt wurde, da bereits mehre Kanonenkugeln von Süden her schräg durch
die Marschcolonnc gefahren waren. auch schon einen Artilleristen getödtet hatten.

Da uns nun der Feind bei Paunsdvrf gegenüberstand, die erwähnten
Kugeln aber von links her kamen, so war es sicher, das; es Grüße von befreun¬
deter Seite waren, welche ihre Adresse verfehlt hatten, ein Fall, welcher in¬
folge der kreisförmigen Angriffsstcllung der alliirten Armeen, die nunmehr bei
Paunsdvrf in einen Spitzbogen übergegangen war, sehr leicht eintreten konnte.

Unter dem Einschlagen mehrer solcher Kanonenkugeln, deren eine durch
den Luftdruck einen Offizier der Batterie vom Pferde warf, erreichte die Bat¬
terie einen Feldweg, welcher von Norden nach Süden unsere Marschrichtung
durchschnitt.

Auf diesem Feldwege defilirte jedoch eine starke Colonne russischer In¬
fanterie vom langeronschen Corps, welches den Parthefluß bei dem Dorfe
Montau überschritten hatte und nunmehr südwärts vorschritt.

Durch diese Truppen wurde der Weitermarsch der Batterie Ur. 16 plötzlich
gehemmt. Da die Bitten des Batteriecommandeurs, seine Batterie den Weg
in rascher Gangart überschreiten zu lassen, fruchtlos blieben, so mußten wir
das Vorüberziehen der Nüssen in Geduld abwarten, was um so unangenehmer
war, als die einschlagenden „befreundeten" Kugeln immer häusiger wurden.
Eine von ihnen bereitete unter anderen auch einem der vorüberziehenden
Baschkiren das Ziel seiner irdischen Laufbahn. Dieses Ereignis; verschaffte
uns das kurzweilige Schauspiel, die Beerdigung dieses halbasiatischen Waffen-
bruders nach muhamedanischen, vielleicht auch nach heidnischem Ritus mit an¬
zusehen.

Nachdem nämlich der erwähnte Steppenreiter vom Pferde gefallen, um¬
ringte ihn ein Theil seiner Kameraden, welche die Leiche von allen Seiten
untersuchten, und hierbei die Ueberzeugung gewannen, daß seine Seele wirklich
ins Paradies eingegangen sei. Daraus wühlten die anmuthigen Kameraden
vermittelst ihrer Säbel den Boden auf und bedeckten den Leichnam mit der
ausgeschaufelten Erde. Nachdem dies bewerkstelligt war, zerbrachen sie die
Lanze und die im Köcher des Gefallenen befindlichen Pfeile, mit welchen so¬
dann, und zwar anscheinend unter religiösen Gesängen, der Grabhügel zu
den Füßen und am Kopfe garnirt wurde. Dann erst zogen sie ihres Weges
weiter.

Nachdem nun die Passage endlich frei geworden, verfolgte unsere Batterie
ihren Marsch, und zwar in der Richtung des in Brand gerathenen Straßen-
Vorwerks „Heitrer Blick". In der Nähe dieses Vorwerks erhielt die Batterie
den Befehl, die Taucha-Leipziger Straße zu verfolgen, um rechts derselben eine
angemessene Aufstellung gegen die von Volkmarsdorf her wirkende feindliche Ar¬
tillerie einzunehmen.*


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/63>, abgerufen am 01.10.2024.