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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Nadefeld und Breitenfcld, an einem Kicfcrnwäldchcn, kam uns ein Transport
kricgsgefangener Franzosen, einige hundert Mann betragend, entgegen, welche bei
dem vorerwähnten Gefecht russischen Truppen in die Hände gefallen waren.

Dieses Gefechtes gedenke ich nur aus dem Grunde, um darauf hinzuweisen,
daß am 17. October keine allgemeine Waffenruhe geherrscht hat, sondern daß
der n-immer ruhende Feldmarschall Blücher auch an diesem Tage thätig war.

Bei Breitenfcld angelangt bezogen die Truppen des bülvwschen Armee¬
corps, nämlich die Brigaden Vorfielt, Krafft und Hessen-Homburg nebst der
Neservccavallerie unter dem General v. Oppcn und der Rescrveartillerie des
Armeecorps (zwei russischen und zwei preußischen Zwölfpfündcrbatterien) ein
Bivouak, und zwar vor den bereits hier lagernden Russen des Generals
Winzingeröde und den noch weiter zurück lagernden Schweden.

Die Brigade Thumm befand sich zu dieser Zeit noch auf dem rechten
Elbufer, konnte daher an der Schlacht bei Leipzig keinen Antheil nehmen.
Sonach betrug die Stärke des dritten Armeecorps am 18. October keinenfalls mehr
als 20,000 Mann mit 96 Geschützen. welche letztere an der Schlacht aber
nickt sämmtlich Antheil nahmen. Insbesondre kamen zwei reitende und zwei
Fußbattericn nicht in Thätigkeit.

Wie es nun bei solchen Gelegenheiten, wenn es den Truppen an ge¬
regelter Verpflegung gebricht, in der Regel gebt, so auch hier. Die vor uns
bei Breitenfcld eingetroffenen Schweden und Russen hatten alle vorräthigen
Eßrvaaren bereits für sich verwendet, so daß für uns auch nicht das Mindeste
verblieben war, womit man den schon mehre Tage lang sehr dial gehaltenen Magen
hätte beruhigen können. Ja es gebrach nicht allein gänzlich an Lebensmitteln,
sondern es war auch weder für die Mannschaft noch für die Pferde Trinkwasser
in der Nähe aufzutreiben. Die Brunnen des Dorfes, aus denen bereits bei¬
nahe ü0,000 Mann mit Tausenden Von Pferden ihren Durst gestillt, waren
bis auf den Sand ausgeschöpft, und ein beim Dorfe belegen" kleiner Teich,
welcher zur Pferdetränke gedient hatte, war dergestalt aufgerührt, daß die in dem¬
selben vorhandene schwerflüssige Masse ein förmlicher Brei war, welchen kein
Pferd genießen wollte noch konnte.

Nach langem Umhersuchen gelang es uns endlich, bei dem Dorfe Wiederitzsch
einen Teich und einen Bach aufzufinden, aus welchen denn unser Wasser¬
bedürfniß befriedigt werden konnte. Auch Stroh und Getreidegarben für die
Pferde und das nöthige Brennmaterial wurde von da entnommen. Lebens¬
mittel waren aber auch hier nicht mehr aufzutreiben.

Der Tag war trübe und kalt; die Nacht war noch kälter, da ein starker
Wind herrschte, und dabei hatten wir dem knurcnden Magen nichts als
ein paar rohe weiße Rüben zu bieten. Man kann sich denken, wie uns zu
Muthe war.


Nadefeld und Breitenfcld, an einem Kicfcrnwäldchcn, kam uns ein Transport
kricgsgefangener Franzosen, einige hundert Mann betragend, entgegen, welche bei
dem vorerwähnten Gefecht russischen Truppen in die Hände gefallen waren.

Dieses Gefechtes gedenke ich nur aus dem Grunde, um darauf hinzuweisen,
daß am 17. October keine allgemeine Waffenruhe geherrscht hat, sondern daß
der n-immer ruhende Feldmarschall Blücher auch an diesem Tage thätig war.

Bei Breitenfcld angelangt bezogen die Truppen des bülvwschen Armee¬
corps, nämlich die Brigaden Vorfielt, Krafft und Hessen-Homburg nebst der
Neservccavallerie unter dem General v. Oppcn und der Rescrveartillerie des
Armeecorps (zwei russischen und zwei preußischen Zwölfpfündcrbatterien) ein
Bivouak, und zwar vor den bereits hier lagernden Russen des Generals
Winzingeröde und den noch weiter zurück lagernden Schweden.

Die Brigade Thumm befand sich zu dieser Zeit noch auf dem rechten
Elbufer, konnte daher an der Schlacht bei Leipzig keinen Antheil nehmen.
Sonach betrug die Stärke des dritten Armeecorps am 18. October keinenfalls mehr
als 20,000 Mann mit 96 Geschützen. welche letztere an der Schlacht aber
nickt sämmtlich Antheil nahmen. Insbesondre kamen zwei reitende und zwei
Fußbattericn nicht in Thätigkeit.

Wie es nun bei solchen Gelegenheiten, wenn es den Truppen an ge¬
regelter Verpflegung gebricht, in der Regel gebt, so auch hier. Die vor uns
bei Breitenfcld eingetroffenen Schweden und Russen hatten alle vorräthigen
Eßrvaaren bereits für sich verwendet, so daß für uns auch nicht das Mindeste
verblieben war, womit man den schon mehre Tage lang sehr dial gehaltenen Magen
hätte beruhigen können. Ja es gebrach nicht allein gänzlich an Lebensmitteln,
sondern es war auch weder für die Mannschaft noch für die Pferde Trinkwasser
in der Nähe aufzutreiben. Die Brunnen des Dorfes, aus denen bereits bei¬
nahe ü0,000 Mann mit Tausenden Von Pferden ihren Durst gestillt, waren
bis auf den Sand ausgeschöpft, und ein beim Dorfe belegen» kleiner Teich,
welcher zur Pferdetränke gedient hatte, war dergestalt aufgerührt, daß die in dem¬
selben vorhandene schwerflüssige Masse ein förmlicher Brei war, welchen kein
Pferd genießen wollte noch konnte.

Nach langem Umhersuchen gelang es uns endlich, bei dem Dorfe Wiederitzsch
einen Teich und einen Bach aufzufinden, aus welchen denn unser Wasser¬
bedürfniß befriedigt werden konnte. Auch Stroh und Getreidegarben für die
Pferde und das nöthige Brennmaterial wurde von da entnommen. Lebens¬
mittel waren aber auch hier nicht mehr aufzutreiben.

Der Tag war trübe und kalt; die Nacht war noch kälter, da ein starker
Wind herrschte, und dabei hatten wir dem knurcnden Magen nichts als
ein paar rohe weiße Rüben zu bieten. Man kann sich denken, wie uns zu
Muthe war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/60>, abgerufen am 01.10.2024.