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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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berühren konnte, so hatte er zur Strafe abermals einen Becher nachzutrinken.
Man nannte dies Spiel die Juiklubba, die Weihnachtskeule, und suchte mit
ihrem Umschwung den Umlauf der Sonne auszudrücken, den man heute feierte.

Der festlich gestimmte Mensch verfährt wie ein Kind, das schon im voraus
an der ihm zugesagten Freude herum nascht; er entlehnt für seinen kürzesten
Tag schon die Feiertagskleider, die er erst am längsten anziehen soll, er ver¬
wechselt Winter- und Sommersonnenwende mannigfach mil einander. Wie
man zu Pfingsten und Johannis im Mittsommer Maien vor die Häuser auf¬
pflanzt, die Gassen mit den Jvhanniskronen überspannt und Abends licht-
schimmernde Transparenttugeln dranhängt; so trägt die Knabenschaar jetzt schon
geputzte Tannenbäumchen durch den Winterschnee und ersingt sich vor den Häu¬
sern Brennholz zum winterlichen Sonnwend- oder Fasnachtsfeuer. Führer des
Zuges sind der in Strohgarben geflochtene Winter und der ephcugrüne Som¬
mer, jener in Pelzkappe und Pelzhandschuhcn, mil dem Dreschflegel; dieser im
weißen Sennenhemde, bänberflatternd, den Heurechcn schütternd. Beide ringen
mit einander, der Sommer singt und die Pantomime entweder oder der dazu
gesprochene Kampfspruch kündet an, daß ebenso die Sonne nun wieder die
Oberhand im Lande bekomme" werde. Alsdann, damit sie Nachts schon die
Thüre finden könne, entzündet man Hunderte von Kienfackeln und durchrennt
damit die Anhöhen, man wirft die Brände zu Haufen, tanzt und überspringt
zu Paaren die Flamme, schlägt die Feuerschcibcn und Funkenrädlein an Schwung-
stäben über den Berg hinab und läßt ein brennendes Pflugrad gegen das Dorf
hinein laufen: alles als ein vorfrühes Abbild der Oster- und Psi ngstsonne,
die in drei Freudensprüngen über die Gebirgsspitzen emportanzcn und durch
den Himmel hinfahren wird, wie diese Feuerscheiben in ihrer kreisende", rollen¬
den , lichtsprühcnden Bahn. Alsdann bäckt man in unsern Gebirgsgegenden,
wo man die norddeutschen Kringeln und Bretzeln sonst nicht kennt, die süßen
Rattel": handgroße, farbige Marktbrode in Form von Kammräder", deren inne¬
rer Kreis mit vier Zuckerspcichcn durchgittcrt ist. Vierfach reicht der Speichen-
kopf über die Nabfelgen hinaus, damit ma" a" diese vier harten Backspitzen
noch andere Süßigkeiten anspießen kann. In der Mitte des Rades steht an
der Stelle der Rabe die sogenannte Zeittafel, ein goldenes oder farbiges Ziffer¬
blatt mit den zwölf Stundenzahlen. Somit ist dieses Nädlein ein voll¬
ständiges Sinnbild der mit dem Ring und Rad des Sonnenjahres sich abschlie¬
ßenden Zeit. Genau vo" derselbe" Gestalt ist im fernen Saterlande die >vö-
Iielrot, ein, wie der Name selbst besagt, kreisrundes, (Irveol) Ruthengeflecht;
die Rabe wird mit Goldblech verziert und die über die Felgen hinausragenden
Speichen mit Aepfeln besteckt. Um Neujahr werfen es die jungen Bursche den
heiratsfähige" Mädchc" unter Abfeuern einer Pistole unverhofft ins Haus.
(Kuh", Nordd. Sag. pg. 407.) Um dieselbe Zeit pflegt der schwedische Bauer


berühren konnte, so hatte er zur Strafe abermals einen Becher nachzutrinken.
Man nannte dies Spiel die Juiklubba, die Weihnachtskeule, und suchte mit
ihrem Umschwung den Umlauf der Sonne auszudrücken, den man heute feierte.

Der festlich gestimmte Mensch verfährt wie ein Kind, das schon im voraus
an der ihm zugesagten Freude herum nascht; er entlehnt für seinen kürzesten
Tag schon die Feiertagskleider, die er erst am längsten anziehen soll, er ver¬
wechselt Winter- und Sommersonnenwende mannigfach mil einander. Wie
man zu Pfingsten und Johannis im Mittsommer Maien vor die Häuser auf¬
pflanzt, die Gassen mit den Jvhanniskronen überspannt und Abends licht-
schimmernde Transparenttugeln dranhängt; so trägt die Knabenschaar jetzt schon
geputzte Tannenbäumchen durch den Winterschnee und ersingt sich vor den Häu¬
sern Brennholz zum winterlichen Sonnwend- oder Fasnachtsfeuer. Führer des
Zuges sind der in Strohgarben geflochtene Winter und der ephcugrüne Som¬
mer, jener in Pelzkappe und Pelzhandschuhcn, mil dem Dreschflegel; dieser im
weißen Sennenhemde, bänberflatternd, den Heurechcn schütternd. Beide ringen
mit einander, der Sommer singt und die Pantomime entweder oder der dazu
gesprochene Kampfspruch kündet an, daß ebenso die Sonne nun wieder die
Oberhand im Lande bekomme» werde. Alsdann, damit sie Nachts schon die
Thüre finden könne, entzündet man Hunderte von Kienfackeln und durchrennt
damit die Anhöhen, man wirft die Brände zu Haufen, tanzt und überspringt
zu Paaren die Flamme, schlägt die Feuerschcibcn und Funkenrädlein an Schwung-
stäben über den Berg hinab und läßt ein brennendes Pflugrad gegen das Dorf
hinein laufen: alles als ein vorfrühes Abbild der Oster- und Psi ngstsonne,
die in drei Freudensprüngen über die Gebirgsspitzen emportanzcn und durch
den Himmel hinfahren wird, wie diese Feuerscheiben in ihrer kreisende», rollen¬
den , lichtsprühcnden Bahn. Alsdann bäckt man in unsern Gebirgsgegenden,
wo man die norddeutschen Kringeln und Bretzeln sonst nicht kennt, die süßen
Rattel»: handgroße, farbige Marktbrode in Form von Kammräder», deren inne¬
rer Kreis mit vier Zuckerspcichcn durchgittcrt ist. Vierfach reicht der Speichen-
kopf über die Nabfelgen hinaus, damit ma» a» diese vier harten Backspitzen
noch andere Süßigkeiten anspießen kann. In der Mitte des Rades steht an
der Stelle der Rabe die sogenannte Zeittafel, ein goldenes oder farbiges Ziffer¬
blatt mit den zwölf Stundenzahlen. Somit ist dieses Nädlein ein voll¬
ständiges Sinnbild der mit dem Ring und Rad des Sonnenjahres sich abschlie¬
ßenden Zeit. Genau vo» derselbe» Gestalt ist im fernen Saterlande die >vö-
Iielrot, ein, wie der Name selbst besagt, kreisrundes, (Irveol) Ruthengeflecht;
die Rabe wird mit Goldblech verziert und die über die Felgen hinausragenden
Speichen mit Aepfeln besteckt. Um Neujahr werfen es die jungen Bursche den
heiratsfähige» Mädchc» unter Abfeuern einer Pistole unverhofft ins Haus.
(Kuh», Nordd. Sag. pg. 407.) Um dieselbe Zeit pflegt der schwedische Bauer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/502>, abgerufen am 03.07.2024.