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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Der Eintritt Schleswig-Holsteins in den Zollverein.

Der Vorstand des Hamburger Vereins für Handelsfreiheit hat in seinem
uns soeben zugegangenen Jahresbericht (als Manuscript in H. G. Voigts Buch¬
druckern zu Hamburg gedruckt) unter ziemlich ausführlicher Angabe von Gründen
den Nachweis zu führen versucht, daß der Anschluß der Herzogthümer Schles¬
wig-Holstein an den deutschen Zollverband bedenklich, ja ohne verhängnißvolle
Schädigung der finanziellen und volkswirtschaftlichen Interessen dieser Lande
unmöglich sei. Der gedachte Verein hat sich im Laufe der Jahre entschiedene
Verdienste um die Förderung der von ihm vertretenen Ideen erworben, hier
aber können wir ihm, was das Endergebniß seiner Betrachtung betrifft, nicht
viel mehr einräumen, als das Verdienst, die Discusstvn über den Gegenstand
in der Presse angeregt zu haben. Er hat seit seinem Bestehen sehr wesentlich
dazu beigetragen, daß die Theorie des Freihandels unter unsern Regierungen
und Parteien von Jahr zu Jahr mehr Boden gewann, hier aber übertreibt
und entstellt er die Lage der Dinge und zwar in den wichtigsten Beziehungen.
Gewisse Behauptungen des Berichtes zwar sind, als auf Thatsachen beruhend,
nicht in Abrede zu stellen, andere dagegen charakterisier sich sofort als bloße
Vermuthungen, die, statt zu überzeugen, den Verdacht erwecken, der Verfasser
habe dabei mehr im Auge gehabt, für Hamburgs Interesse zu Plaidiren, als
Schleswig-Holsteins Sache zu führen. Das Folgende, die Erörterung der Frage,
wie Hamburg sich bei einem wirklichen Eintritt der Herzogthümer in den Zoll-
verein zu verhalten habe, verstärkt jenen Verdacht und läßt die ganze vorher¬
gehende Untersuchung auch dem der Verhältnisse nur theilweise Kundigen im
Lichte einer matio pro ävmo erscheinen. Man merkt die Absicht und wird
Verstimmt. Der Laie kann sich, h>"' angelangt, versucht fühlen, auch das, was
in der Deduction richtig ist, für falsch oder halbwahr zu halten.

Annähernd richtig allerdings ist. wie weiterhin nachgewiesen werden soll,
"daß die Herzogthümer, wenn sie sich unter Beibehaltung des dänischen Tarifs
als selbständiges Zollgebiet constituirten. einen Zollertrag von zwei Thaler per
Kopf der Bevölkerung haben würden", daß sie dagegen. dem Zollverein pure
sich anschließend, nur etwa 26 Silbergroschen per Kopf zu erwarten haben.


Grenzbotc" IV. 18C>4. 61
Der Eintritt Schleswig-Holsteins in den Zollverein.

Der Vorstand des Hamburger Vereins für Handelsfreiheit hat in seinem
uns soeben zugegangenen Jahresbericht (als Manuscript in H. G. Voigts Buch¬
druckern zu Hamburg gedruckt) unter ziemlich ausführlicher Angabe von Gründen
den Nachweis zu führen versucht, daß der Anschluß der Herzogthümer Schles¬
wig-Holstein an den deutschen Zollverband bedenklich, ja ohne verhängnißvolle
Schädigung der finanziellen und volkswirtschaftlichen Interessen dieser Lande
unmöglich sei. Der gedachte Verein hat sich im Laufe der Jahre entschiedene
Verdienste um die Förderung der von ihm vertretenen Ideen erworben, hier
aber können wir ihm, was das Endergebniß seiner Betrachtung betrifft, nicht
viel mehr einräumen, als das Verdienst, die Discusstvn über den Gegenstand
in der Presse angeregt zu haben. Er hat seit seinem Bestehen sehr wesentlich
dazu beigetragen, daß die Theorie des Freihandels unter unsern Regierungen
und Parteien von Jahr zu Jahr mehr Boden gewann, hier aber übertreibt
und entstellt er die Lage der Dinge und zwar in den wichtigsten Beziehungen.
Gewisse Behauptungen des Berichtes zwar sind, als auf Thatsachen beruhend,
nicht in Abrede zu stellen, andere dagegen charakterisier sich sofort als bloße
Vermuthungen, die, statt zu überzeugen, den Verdacht erwecken, der Verfasser
habe dabei mehr im Auge gehabt, für Hamburgs Interesse zu Plaidiren, als
Schleswig-Holsteins Sache zu führen. Das Folgende, die Erörterung der Frage,
wie Hamburg sich bei einem wirklichen Eintritt der Herzogthümer in den Zoll-
verein zu verhalten habe, verstärkt jenen Verdacht und läßt die ganze vorher¬
gehende Untersuchung auch dem der Verhältnisse nur theilweise Kundigen im
Lichte einer matio pro ävmo erscheinen. Man merkt die Absicht und wird
Verstimmt. Der Laie kann sich, h>"' angelangt, versucht fühlen, auch das, was
in der Deduction richtig ist, für falsch oder halbwahr zu halten.

Annähernd richtig allerdings ist. wie weiterhin nachgewiesen werden soll,
„daß die Herzogthümer, wenn sie sich unter Beibehaltung des dänischen Tarifs
als selbständiges Zollgebiet constituirten. einen Zollertrag von zwei Thaler per
Kopf der Bevölkerung haben würden", daß sie dagegen. dem Zollverein pure
sich anschließend, nur etwa 26 Silbergroschen per Kopf zu erwarten haben.


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[0485] Der Eintritt Schleswig-Holsteins in den Zollverein. Der Vorstand des Hamburger Vereins für Handelsfreiheit hat in seinem uns soeben zugegangenen Jahresbericht (als Manuscript in H. G. Voigts Buch¬ druckern zu Hamburg gedruckt) unter ziemlich ausführlicher Angabe von Gründen den Nachweis zu führen versucht, daß der Anschluß der Herzogthümer Schles¬ wig-Holstein an den deutschen Zollverband bedenklich, ja ohne verhängnißvolle Schädigung der finanziellen und volkswirtschaftlichen Interessen dieser Lande unmöglich sei. Der gedachte Verein hat sich im Laufe der Jahre entschiedene Verdienste um die Förderung der von ihm vertretenen Ideen erworben, hier aber können wir ihm, was das Endergebniß seiner Betrachtung betrifft, nicht viel mehr einräumen, als das Verdienst, die Discusstvn über den Gegenstand in der Presse angeregt zu haben. Er hat seit seinem Bestehen sehr wesentlich dazu beigetragen, daß die Theorie des Freihandels unter unsern Regierungen und Parteien von Jahr zu Jahr mehr Boden gewann, hier aber übertreibt und entstellt er die Lage der Dinge und zwar in den wichtigsten Beziehungen. Gewisse Behauptungen des Berichtes zwar sind, als auf Thatsachen beruhend, nicht in Abrede zu stellen, andere dagegen charakterisier sich sofort als bloße Vermuthungen, die, statt zu überzeugen, den Verdacht erwecken, der Verfasser habe dabei mehr im Auge gehabt, für Hamburgs Interesse zu Plaidiren, als Schleswig-Holsteins Sache zu führen. Das Folgende, die Erörterung der Frage, wie Hamburg sich bei einem wirklichen Eintritt der Herzogthümer in den Zoll- verein zu verhalten habe, verstärkt jenen Verdacht und läßt die ganze vorher¬ gehende Untersuchung auch dem der Verhältnisse nur theilweise Kundigen im Lichte einer matio pro ävmo erscheinen. Man merkt die Absicht und wird Verstimmt. Der Laie kann sich, h>"' angelangt, versucht fühlen, auch das, was in der Deduction richtig ist, für falsch oder halbwahr zu halten. Annähernd richtig allerdings ist. wie weiterhin nachgewiesen werden soll, „daß die Herzogthümer, wenn sie sich unter Beibehaltung des dänischen Tarifs als selbständiges Zollgebiet constituirten. einen Zollertrag von zwei Thaler per Kopf der Bevölkerung haben würden", daß sie dagegen. dem Zollverein pure sich anschließend, nur etwa 26 Silbergroschen per Kopf zu erwarten haben. Grenzbotc» IV. 18C>4. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/485>, abgerufen am 22.07.2024.