Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.ständniß mit Oestreich zum Ausgangspunkte seines Handelns gemacht, statt an Bon der Befreiung der Herzogtümer abgesehen, liegt das wesentliche und Von der neueren Wendung der Dinge sind am empfindlichsten die Be¬ ständniß mit Oestreich zum Ausgangspunkte seines Handelns gemacht, statt an Bon der Befreiung der Herzogtümer abgesehen, liegt das wesentliche und Von der neueren Wendung der Dinge sind am empfindlichsten die Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0448" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190072"/> <p xml:id="ID_1512" prev="#ID_1511"> ständniß mit Oestreich zum Ausgangspunkte seines Handelns gemacht, statt an<lb/> Oestreich die Alternative zu stellen, sich der preußisch-deutschen Politik anzu¬<lb/> schließen und damit der preußischen Führung unterzuordnen, oder sich in un¬<lb/> zweideutiger Weise von Deutschland loszusagen. Preußen hat auf dem ein¬<lb/> geschlagenen Wege, da« darf man nicht in Abrede stellen, ein immerhin<lb/> bedeutendes Resultat erreicht: es hat die wichtigste Forderung des nationalen<lb/> Programms, die Trennung der Herzogthümer durchgeführt; es hat mit an-<lb/> erkennenswerther Geschicklichkeit den Widerstand der europäischen Diplomatie<lb/> und den schlecht verhehlten Widerwillen seines Bundesgenossen überwunden.<lb/> Eine Entscheidung der nationalen Frage ist aber auf diesem Wege nicht<lb/> unmittelbar herbeigeführt worden, wenn auch angebahnt, vorausgesetzt, daß<lb/> Preußen entschlossen ist, seine Kraft und seinen Einfluß zur Befriedigung der<lb/> Einbeitsbedürfuisse der Nation einzusetzen, ohne vor den Schwierigkeiten und<lb/> Gefahren, die ein Streben nach diesem Ziele mit sich bringt, zurückzuschrecken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1513"> Bon der Befreiung der Herzogtümer abgesehen, liegt das wesentliche und<lb/> entscheidende Resultat des Krieges darin, daß es klar zu Tage getreten ist, wo<lb/> der Kern der deutschen Macht und wo der Sitz der deutschen Schwäche zu<lb/> suchen ist. Und indem der richtige Gesichtspunkt für die Beurtheilung der<lb/> deutschen Verhältnisse sich geltend gemacht hat, ist auch zugleich der Ausgangs¬<lb/> punkt für die energische Reform dieser Verhältnisse gewonnen worden. An die<lb/> Stelle der Theorie ist die Praxis getreten. Wer das verkennt, wer, wie es<lb/> leider der Nationalverein thut, in dem Augenblick, wo endlich wieder die leben¬<lb/> digen Kräfte flüssig werden und gegen emcnidcr treten, sich in Theorien ein¬<lb/> spinnt, die gegenwärtig nicht einmal eine aufregende, geschweige denn eine<lb/> schöpferische Wirkung haben, der zieht sich vom Schauplatz zurück, und bekennt<lb/> seine politische Insolvenz. Man weiß nicht, ob man mehr über den Mangel<lb/> an Einsicht bei der Mehrheit jener Versammlung oder über die Schwäche<lb/> der Minderheit staunen soll, die um des lieben Friedens willen ihre bessere<lb/> Einsicht aufgeopfert hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1514" next="#ID_1515"> Von der neueren Wendung der Dinge sind am empfindlichsten die Be¬<lb/> strebungen der Mittclstaaten berührt worden. Die Triasidee stützt ihre höhere<lb/> Berechtigung aus die Meinung, daß die Mittelstaaten den Beruf haben, die<lb/> beiden Großmächte auseinanderzuhalten, die Gefahren ihres Conflictes zu<lb/> beseitigen, die rivalisirende Reibung ihrer Kräfte gegeneinander zu mildern,<lb/> zinn einem Worte die Rolle der Vermittler zu spielen. Daß hiervon das Ge¬<lb/> gentheil in Wirklichkeit der Fall ist. weiß man längst: die Wirksamkeit der<lb/> mittleren Gruppe hat seit langer Zeit nur darin bestanden, den vorhandenen<lb/> Conflict zu schärfen, die Entwicklung der realen Machtverhältnisse zu hindern.<lb/> Denn es ist offenbar, daß die Gefahr für diese Gruppe nicht in der Rivalität<lb/> wischen Oestreich und Preußen beruht, sondern in dem Zusammengehen der-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0448]
ständniß mit Oestreich zum Ausgangspunkte seines Handelns gemacht, statt an
Oestreich die Alternative zu stellen, sich der preußisch-deutschen Politik anzu¬
schließen und damit der preußischen Führung unterzuordnen, oder sich in un¬
zweideutiger Weise von Deutschland loszusagen. Preußen hat auf dem ein¬
geschlagenen Wege, da« darf man nicht in Abrede stellen, ein immerhin
bedeutendes Resultat erreicht: es hat die wichtigste Forderung des nationalen
Programms, die Trennung der Herzogthümer durchgeführt; es hat mit an-
erkennenswerther Geschicklichkeit den Widerstand der europäischen Diplomatie
und den schlecht verhehlten Widerwillen seines Bundesgenossen überwunden.
Eine Entscheidung der nationalen Frage ist aber auf diesem Wege nicht
unmittelbar herbeigeführt worden, wenn auch angebahnt, vorausgesetzt, daß
Preußen entschlossen ist, seine Kraft und seinen Einfluß zur Befriedigung der
Einbeitsbedürfuisse der Nation einzusetzen, ohne vor den Schwierigkeiten und
Gefahren, die ein Streben nach diesem Ziele mit sich bringt, zurückzuschrecken.
Bon der Befreiung der Herzogtümer abgesehen, liegt das wesentliche und
entscheidende Resultat des Krieges darin, daß es klar zu Tage getreten ist, wo
der Kern der deutschen Macht und wo der Sitz der deutschen Schwäche zu
suchen ist. Und indem der richtige Gesichtspunkt für die Beurtheilung der
deutschen Verhältnisse sich geltend gemacht hat, ist auch zugleich der Ausgangs¬
punkt für die energische Reform dieser Verhältnisse gewonnen worden. An die
Stelle der Theorie ist die Praxis getreten. Wer das verkennt, wer, wie es
leider der Nationalverein thut, in dem Augenblick, wo endlich wieder die leben¬
digen Kräfte flüssig werden und gegen emcnidcr treten, sich in Theorien ein¬
spinnt, die gegenwärtig nicht einmal eine aufregende, geschweige denn eine
schöpferische Wirkung haben, der zieht sich vom Schauplatz zurück, und bekennt
seine politische Insolvenz. Man weiß nicht, ob man mehr über den Mangel
an Einsicht bei der Mehrheit jener Versammlung oder über die Schwäche
der Minderheit staunen soll, die um des lieben Friedens willen ihre bessere
Einsicht aufgeopfert hat.
Von der neueren Wendung der Dinge sind am empfindlichsten die Be¬
strebungen der Mittclstaaten berührt worden. Die Triasidee stützt ihre höhere
Berechtigung aus die Meinung, daß die Mittelstaaten den Beruf haben, die
beiden Großmächte auseinanderzuhalten, die Gefahren ihres Conflictes zu
beseitigen, die rivalisirende Reibung ihrer Kräfte gegeneinander zu mildern,
zinn einem Worte die Rolle der Vermittler zu spielen. Daß hiervon das Ge¬
gentheil in Wirklichkeit der Fall ist. weiß man längst: die Wirksamkeit der
mittleren Gruppe hat seit langer Zeit nur darin bestanden, den vorhandenen
Conflict zu schärfen, die Entwicklung der realen Machtverhältnisse zu hindern.
Denn es ist offenbar, daß die Gefahr für diese Gruppe nicht in der Rivalität
wischen Oestreich und Preußen beruht, sondern in dem Zusammengehen der-
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