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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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in Aufregung erhalten mußte, eine schwache Stunde: sie sollte angreifen, machte
die Sache aber schlecht und ließ sich sehr häßlich werfen; die Leute hatten frei¬
lich ihre Schuldigkeit zuvor gethan. Buch ärgert sich besonders deshalb über
diesen Zwischenfall, weil er meinte, der ganze linke Flügel, der schon stark in
Auflösung begriffen gewesen sei, habe durch das Gelingen jener Attake ge¬
worfen werden können. So aber gelang es den Schweden, ohne erhebliche wei¬
tere Verluste Fehcbellin zu erreichen, wo sie ein Regiment Infanterie postirt
und einige Verschanzungen angebracht hatten. Die Truppen des Kurfürsten
blieben auf halbem Wege vom Schlachtfelde, etwa eine Stunde diesseits der
Stadt stehen. -- Ais man wieder zu rechter Besinnung kam, wurde Gott
gedankt für den schönen Tag und man freute sich hinterdrein der Fügung, daß
es seit dem ersten Angriff der Avantgarde bis zu dem Moment, wo die Schwe¬
den die Flucht nahmen, Sturm und Regen gegeben hatte, dann aber das
schönste Wetter eingetreten war.

Am andern Morgen (den 19. Juni) wurde man gewahr, daß die Schwe¬
den die Brücke" bei Fehrbellin wiederhergestellt und den Abzug eingeleitet hatten;
nur die Bagage war noch weithin auf dem Wege sichtbar. Die Verschanzungen
waren noch besetzt, doch sahen die Rothjacken, welche die Deckung bildeten, wie
Buch meinte, nicht sehr nach hartnäckigem Widerstand aus. Das bestätigte sich
auch, als auf seinen Vorschlag die Avantgarde vorgeschickt wurde. Darauf
wird ein Leutnant mit einem Piket Kavallerie von den Vorposten zur Recog-
noscirung der Stadt commandirt. Buch sah aber mit Unruhe, daß dieser sich
zu weit links hielt, und so sprach er denn die Bitte aus, selbst zusehen zu dür¬
fen. Der Kurfürst war ärgerlich darüber; "er sei immer so neugierig und wolle
die Nase in alles stecken, bis er einmal eins weg hätte!" Nichts desto weniger er¬
sah sich der Junker die Gelegenheit, seine Begierde zu befriedigen, verkrümelte
sich unter der Hand und eilte spornstreichs vor.

In den Schanzgruben, aus denen sich die Schweden retirirt haben, ruft ihn
ein brandenburgischer Kavallerist an. Den fordert er auf, mit ihm in die Stadt ein¬
zudringen. Dieser, der noch Feinde in der Stadt vermuthet, versteht sich dazu, da ihm
Buch begreiflich macht, daß sie deshalb noch nicht gleich zu fürchten brauchten, nieder¬
gehauen zu werden. Sie machen sich also vor und bemerken in der That fast nur
noch Wagen und Gepäck. Ein Bürger, der sich jetzt hervorwagt, sagt ihm, daß man
bei schnellem nachrücken sicherlich noch Geschütze und Bagagetrain des Feindes
werde abschneiden können, da die Brücke gebrochen sei. Buch nimmt den Mann
sofort mit sich aus der Stadt, giebt ihn an den Junker v. Podewils mit der
Aufforderung, ihn gleich zum Kurfürsten zu führen, damit seine Aussagen den¬
selben bewegen, die Avantgarde vorzuschicken. Nicht lange und Derfflinger selbst
kommt mit 260 Pferden in Elle heran. Buch erbittet sich ein Dutzend Leute,
um vorzureiten, was der Alte erst nicht zulassen will, da er hier Gefahr ver-


in Aufregung erhalten mußte, eine schwache Stunde: sie sollte angreifen, machte
die Sache aber schlecht und ließ sich sehr häßlich werfen; die Leute hatten frei¬
lich ihre Schuldigkeit zuvor gethan. Buch ärgert sich besonders deshalb über
diesen Zwischenfall, weil er meinte, der ganze linke Flügel, der schon stark in
Auflösung begriffen gewesen sei, habe durch das Gelingen jener Attake ge¬
worfen werden können. So aber gelang es den Schweden, ohne erhebliche wei¬
tere Verluste Fehcbellin zu erreichen, wo sie ein Regiment Infanterie postirt
und einige Verschanzungen angebracht hatten. Die Truppen des Kurfürsten
blieben auf halbem Wege vom Schlachtfelde, etwa eine Stunde diesseits der
Stadt stehen. — Ais man wieder zu rechter Besinnung kam, wurde Gott
gedankt für den schönen Tag und man freute sich hinterdrein der Fügung, daß
es seit dem ersten Angriff der Avantgarde bis zu dem Moment, wo die Schwe¬
den die Flucht nahmen, Sturm und Regen gegeben hatte, dann aber das
schönste Wetter eingetreten war.

Am andern Morgen (den 19. Juni) wurde man gewahr, daß die Schwe¬
den die Brücke» bei Fehrbellin wiederhergestellt und den Abzug eingeleitet hatten;
nur die Bagage war noch weithin auf dem Wege sichtbar. Die Verschanzungen
waren noch besetzt, doch sahen die Rothjacken, welche die Deckung bildeten, wie
Buch meinte, nicht sehr nach hartnäckigem Widerstand aus. Das bestätigte sich
auch, als auf seinen Vorschlag die Avantgarde vorgeschickt wurde. Darauf
wird ein Leutnant mit einem Piket Kavallerie von den Vorposten zur Recog-
noscirung der Stadt commandirt. Buch sah aber mit Unruhe, daß dieser sich
zu weit links hielt, und so sprach er denn die Bitte aus, selbst zusehen zu dür¬
fen. Der Kurfürst war ärgerlich darüber; „er sei immer so neugierig und wolle
die Nase in alles stecken, bis er einmal eins weg hätte!" Nichts desto weniger er¬
sah sich der Junker die Gelegenheit, seine Begierde zu befriedigen, verkrümelte
sich unter der Hand und eilte spornstreichs vor.

In den Schanzgruben, aus denen sich die Schweden retirirt haben, ruft ihn
ein brandenburgischer Kavallerist an. Den fordert er auf, mit ihm in die Stadt ein¬
zudringen. Dieser, der noch Feinde in der Stadt vermuthet, versteht sich dazu, da ihm
Buch begreiflich macht, daß sie deshalb noch nicht gleich zu fürchten brauchten, nieder¬
gehauen zu werden. Sie machen sich also vor und bemerken in der That fast nur
noch Wagen und Gepäck. Ein Bürger, der sich jetzt hervorwagt, sagt ihm, daß man
bei schnellem nachrücken sicherlich noch Geschütze und Bagagetrain des Feindes
werde abschneiden können, da die Brücke gebrochen sei. Buch nimmt den Mann
sofort mit sich aus der Stadt, giebt ihn an den Junker v. Podewils mit der
Aufforderung, ihn gleich zum Kurfürsten zu führen, damit seine Aussagen den¬
selben bewegen, die Avantgarde vorzuschicken. Nicht lange und Derfflinger selbst
kommt mit 260 Pferden in Elle heran. Buch erbittet sich ein Dutzend Leute,
um vorzureiten, was der Alte erst nicht zulassen will, da er hier Gefahr ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/433>, abgerufen am 23.07.2024.