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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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von der Stadt aus inne, das Defile wurde durchschnitten und die Vereinigung
mit Lüdecke hergestellt.

Da bat der Prinz von Homburg um die Avantgarde. Er erhielt sie und
setzte sich zur Verfolgung in Trab. Wieder fanden die nachrückenden Truppen
Wagen, Waffenstücke u. tgi. mehr, was nicht eben auf ein langsames Zurück¬
weichen der Feinde schließen ließ. Nach einer Stunde etwa meldet der Prinz,
er habe die Schweden wider Willen zum Stehen gebracht, bittet um die Er¬
laubniß, allein angreifen zu dürfen und ersucht zu dem Ende um beschleunigtes
nachrücken des Hauptheeres. Der Kurfürst war gegen sofortigen Angriff, erst
müsse die Artillerie und das Gros näher zur Stelle sein. Der Prinz indeß
ist dem Feinde bereits hart aus der Ferse, der sich bald zurückzieht, bald in
Schlachtordnung Stand hält. Während dessen beräth sich der Kurfürst mit
Derffiinger. Dieser ist noch entschiedener der Meinung, daß die Schlacht anders
eingeleitet werden müsse. Sein Vorschlag ist, den cremmischen Damm zu Passiren
und nach Raum Ordre zu schicken, um dort alle Brücken und Dämme ungangbar
machen zu lassen. Alles Landvolk, was mit Waffen auszutreiben sei, solle zum
Schutz dabei postirt werden, die Truppen den Cremmerdamm selbst, nachdem
man darüber sei. hinter sich zerstören und sich vor den von Fehrbellin legen,
den man erreichen zu können gedachte, ehe der Feind ihn herstellen konnte;
"denn," setzt Buch hinzu, "die Brücke war durch die Unsrigen niedergebrannt,
welcher Umstand, wie wir uns vernünftigermaßen vorstellten, den Feind in die
Lage gebracht hätte, uns in zwei Tagen um sein Leben zu bitten/'

Die Meldung des Prinzen von Homburg jedoch veranlaßt den Kurfürst,
diesen Plan abzulehnen; denn "da man so nahe beim Feinde sei, müsse dieser
Fell oder Federn lassen," worauf Dersflinger zur Antwort giebt: "Wohlan, Mon-
seigneur, ich glaubte als General verbunden zu sein, meine Meinung zu sagen,
wie ich es am vortheilhaftesten und sichersten hielte; da Eurer Hoheit gefällt,
die andere Meinung zu wählen, so hält mich dies nicht ab, dem Feinde allen
Schaden zu thun, wenn es auch mit mehr Gefahr und größerem Wagniß
verbunden ist." So gings denn mit höchster Eile vorwärts; auf schlechtesten
Terrain durch Holz und Sumpf. Nochmals schickt der Prinz um Unterstützung
durch Dragoner, die alsbald abgeht; der Feind hatte sich zwischen Ribbeck und
Hakenberg hinter eine Landwehr gelegt.

Als es so nah zum Schlagen war. wurde unserm Buch die Ehre des
Attachements an den Kurfürsten doch lästig; denn es juckte ihn gewaltig,
vom Ersten zu kosten. Er bat also, ein wenig vorreiten zu dürfen, um die
Haltung des Gegners zu beobachten, "obgleich es stark regnete," -- ein Zusatz,
der die fingirte Absicht seiner Bitte verrathen hilft. Mittlerweile kam Meldung.
Der Feind hatte seinen Vortheil aufgegeben und sich vor dem Dorfe Linum
auf einer Höhe aufgestellt, linker Hand an einen Sumpf und rechts an ein


Grenzboten IV. 18K4. 54

von der Stadt aus inne, das Defile wurde durchschnitten und die Vereinigung
mit Lüdecke hergestellt.

Da bat der Prinz von Homburg um die Avantgarde. Er erhielt sie und
setzte sich zur Verfolgung in Trab. Wieder fanden die nachrückenden Truppen
Wagen, Waffenstücke u. tgi. mehr, was nicht eben auf ein langsames Zurück¬
weichen der Feinde schließen ließ. Nach einer Stunde etwa meldet der Prinz,
er habe die Schweden wider Willen zum Stehen gebracht, bittet um die Er¬
laubniß, allein angreifen zu dürfen und ersucht zu dem Ende um beschleunigtes
nachrücken des Hauptheeres. Der Kurfürst war gegen sofortigen Angriff, erst
müsse die Artillerie und das Gros näher zur Stelle sein. Der Prinz indeß
ist dem Feinde bereits hart aus der Ferse, der sich bald zurückzieht, bald in
Schlachtordnung Stand hält. Während dessen beräth sich der Kurfürst mit
Derffiinger. Dieser ist noch entschiedener der Meinung, daß die Schlacht anders
eingeleitet werden müsse. Sein Vorschlag ist, den cremmischen Damm zu Passiren
und nach Raum Ordre zu schicken, um dort alle Brücken und Dämme ungangbar
machen zu lassen. Alles Landvolk, was mit Waffen auszutreiben sei, solle zum
Schutz dabei postirt werden, die Truppen den Cremmerdamm selbst, nachdem
man darüber sei. hinter sich zerstören und sich vor den von Fehrbellin legen,
den man erreichen zu können gedachte, ehe der Feind ihn herstellen konnte;
„denn," setzt Buch hinzu, „die Brücke war durch die Unsrigen niedergebrannt,
welcher Umstand, wie wir uns vernünftigermaßen vorstellten, den Feind in die
Lage gebracht hätte, uns in zwei Tagen um sein Leben zu bitten/'

Die Meldung des Prinzen von Homburg jedoch veranlaßt den Kurfürst,
diesen Plan abzulehnen; denn „da man so nahe beim Feinde sei, müsse dieser
Fell oder Federn lassen," worauf Dersflinger zur Antwort giebt: „Wohlan, Mon-
seigneur, ich glaubte als General verbunden zu sein, meine Meinung zu sagen,
wie ich es am vortheilhaftesten und sichersten hielte; da Eurer Hoheit gefällt,
die andere Meinung zu wählen, so hält mich dies nicht ab, dem Feinde allen
Schaden zu thun, wenn es auch mit mehr Gefahr und größerem Wagniß
verbunden ist." So gings denn mit höchster Eile vorwärts; auf schlechtesten
Terrain durch Holz und Sumpf. Nochmals schickt der Prinz um Unterstützung
durch Dragoner, die alsbald abgeht; der Feind hatte sich zwischen Ribbeck und
Hakenberg hinter eine Landwehr gelegt.

Als es so nah zum Schlagen war. wurde unserm Buch die Ehre des
Attachements an den Kurfürsten doch lästig; denn es juckte ihn gewaltig,
vom Ersten zu kosten. Er bat also, ein wenig vorreiten zu dürfen, um die
Haltung des Gegners zu beobachten, „obgleich es stark regnete," — ein Zusatz,
der die fingirte Absicht seiner Bitte verrathen hilft. Mittlerweile kam Meldung.
Der Feind hatte seinen Vortheil aufgegeben und sich vor dem Dorfe Linum
auf einer Höhe aufgestellt, linker Hand an einen Sumpf und rechts an ein


Grenzboten IV. 18K4. 54
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[0429] von der Stadt aus inne, das Defile wurde durchschnitten und die Vereinigung mit Lüdecke hergestellt. Da bat der Prinz von Homburg um die Avantgarde. Er erhielt sie und setzte sich zur Verfolgung in Trab. Wieder fanden die nachrückenden Truppen Wagen, Waffenstücke u. tgi. mehr, was nicht eben auf ein langsames Zurück¬ weichen der Feinde schließen ließ. Nach einer Stunde etwa meldet der Prinz, er habe die Schweden wider Willen zum Stehen gebracht, bittet um die Er¬ laubniß, allein angreifen zu dürfen und ersucht zu dem Ende um beschleunigtes nachrücken des Hauptheeres. Der Kurfürst war gegen sofortigen Angriff, erst müsse die Artillerie und das Gros näher zur Stelle sein. Der Prinz indeß ist dem Feinde bereits hart aus der Ferse, der sich bald zurückzieht, bald in Schlachtordnung Stand hält. Während dessen beräth sich der Kurfürst mit Derffiinger. Dieser ist noch entschiedener der Meinung, daß die Schlacht anders eingeleitet werden müsse. Sein Vorschlag ist, den cremmischen Damm zu Passiren und nach Raum Ordre zu schicken, um dort alle Brücken und Dämme ungangbar machen zu lassen. Alles Landvolk, was mit Waffen auszutreiben sei, solle zum Schutz dabei postirt werden, die Truppen den Cremmerdamm selbst, nachdem man darüber sei. hinter sich zerstören und sich vor den von Fehrbellin legen, den man erreichen zu können gedachte, ehe der Feind ihn herstellen konnte; „denn," setzt Buch hinzu, „die Brücke war durch die Unsrigen niedergebrannt, welcher Umstand, wie wir uns vernünftigermaßen vorstellten, den Feind in die Lage gebracht hätte, uns in zwei Tagen um sein Leben zu bitten/' Die Meldung des Prinzen von Homburg jedoch veranlaßt den Kurfürst, diesen Plan abzulehnen; denn „da man so nahe beim Feinde sei, müsse dieser Fell oder Federn lassen," worauf Dersflinger zur Antwort giebt: „Wohlan, Mon- seigneur, ich glaubte als General verbunden zu sein, meine Meinung zu sagen, wie ich es am vortheilhaftesten und sichersten hielte; da Eurer Hoheit gefällt, die andere Meinung zu wählen, so hält mich dies nicht ab, dem Feinde allen Schaden zu thun, wenn es auch mit mehr Gefahr und größerem Wagniß verbunden ist." So gings denn mit höchster Eile vorwärts; auf schlechtesten Terrain durch Holz und Sumpf. Nochmals schickt der Prinz um Unterstützung durch Dragoner, die alsbald abgeht; der Feind hatte sich zwischen Ribbeck und Hakenberg hinter eine Landwehr gelegt. Als es so nah zum Schlagen war. wurde unserm Buch die Ehre des Attachements an den Kurfürsten doch lästig; denn es juckte ihn gewaltig, vom Ersten zu kosten. Er bat also, ein wenig vorreiten zu dürfen, um die Haltung des Gegners zu beobachten, „obgleich es stark regnete," — ein Zusatz, der die fingirte Absicht seiner Bitte verrathen hilft. Mittlerweile kam Meldung. Der Feind hatte seinen Vortheil aufgegeben und sich vor dem Dorfe Linum auf einer Höhe aufgestellt, linker Hand an einen Sumpf und rechts an ein Grenzboten IV. 18K4. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/429>, abgerufen am 22.07.2024.