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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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der außerhalb der Stadt rechts der Elbe lagernden Kavallerie zu stellen. Zu¬
erst war ein schlimmes Defilö zu Passiren, das langen Aufenthalt brachte, dann
fiel Regen; statt in Genthin. das nicht erreicht werden konnte, mußte Quartier
in Pärchen genommen werden, die Truppen im Bivouak umher. Es kam die
Nachricht, daß vor wenig Tagen Oberst Wangelin mit sechs Compagnien Dra.
gonern in Rcithenow eingerückt sei, woraus die Befürchtung entstand, die
Schweden möchten Kundschaft von dem Unternehmen erhalten haben. Dies
erwies sich jedoch als Irrthum; denn ehe die drei Streifpatrouillen, die infolge
dessen gegen Brandenburg. Plauen und Nathenow zur Recognoscirung ent¬
sendet wurden, zurück waren, erfuhr man während des Haltes bei Pärchen
von einem Herrn von Briefe, der den Abend vorher in Rathenow gewesen war,
daß Wangelin von dem Herannahen der Brandenburger nichts wisse. Nun
gings ungesäumt vorwärts. Als gegen Mitternacht die Infanterie in dem
Walde, wo man sie erwartete, eine starke Meile vor Nathenow, anlangte, wur¬
den 400 Mann davon unter Generaladjutant Conowsky und Oberstlieutnant
Kanne beordert, die Havel auf Kähnen zu Passiren, um der Stadt von der
anderen Seite beizukommen, während die Dragoner die Brücke in der Front.
Götz und Dönhoff von der dritten Seite angreifen sollten. Beim Vorrücken
in dem sumpfigen Terrain stieg den Leuten das Wasser bis an die Schenkel, als
aber erst wieder sicherer Grund unter den Füßen war, trabten die braven
Musketiere wie die Pferde los; "obgleich die Nacht gewöhnlich der Mantel der
Feigen ist," bemerkt Buch, "blieb hier doch nicht ein einziger zurück."

Bei Tagesgrauen ist die Hauptbrücke erreicht, Derfflinger selbst geht mit
100 Dragonern in kurzem Trabe vor. Man hört das "Werda" des Wacht-
Posten, der etwa 6 Mann stark war. Derfflinger giebt vor, ein schwedischer
Leutnant zu sein, der von einem Haufen Brandenburger verfolgt werde und
bittet, da er zum Rückzug genöthigt sei. ihn hier einzulassen. Die Wache er¬
klärt, dies nicht thun zu können ohne Rapport an den Obersten, der sie andern¬
falls werde hängen lassen. Der alte Derfflinger setzt aber sein Gespräch mit
Angabe etlicher fingirter Einzelnheiten fort, nennt sich vom bülowschen Regiment
und guten Freund des Commandanten, der nichts dawider haben werde, wenn
man wenigstens ihn allein einlasse. Unter diesem Parlamentiren nähert sich
der Trupp der Wache und hui! die Pferde in Carriere gehts über sie weg ans
Thor. Einige entfliehn und bringen Allarm in die Stadt. Nun läßt der Kur¬
fürst sofort die Dragoner zu Fuß vor die andere Brücke rücken. Hier stocken sie
eine Weile; der Kurfürst schickt Buch, um nackzusehn, was sie aufhält. Der
findet die Brücke aufgezogen und die Balken abgeworfen. Kein Schuß aus der
Stadt; wohl aber seitwärts vom jenseitigen Ufer her feuern Etliche in rother
Montur, die Buch anfänglich verkennt; da sie sich aber der Stadt nähern, zeigt
sichs, daß es eigne Leute sind. Nun bestimmt Buch etliche seiner Dragoner zu


der außerhalb der Stadt rechts der Elbe lagernden Kavallerie zu stellen. Zu¬
erst war ein schlimmes Defilö zu Passiren, das langen Aufenthalt brachte, dann
fiel Regen; statt in Genthin. das nicht erreicht werden konnte, mußte Quartier
in Pärchen genommen werden, die Truppen im Bivouak umher. Es kam die
Nachricht, daß vor wenig Tagen Oberst Wangelin mit sechs Compagnien Dra.
gonern in Rcithenow eingerückt sei, woraus die Befürchtung entstand, die
Schweden möchten Kundschaft von dem Unternehmen erhalten haben. Dies
erwies sich jedoch als Irrthum; denn ehe die drei Streifpatrouillen, die infolge
dessen gegen Brandenburg. Plauen und Nathenow zur Recognoscirung ent¬
sendet wurden, zurück waren, erfuhr man während des Haltes bei Pärchen
von einem Herrn von Briefe, der den Abend vorher in Rathenow gewesen war,
daß Wangelin von dem Herannahen der Brandenburger nichts wisse. Nun
gings ungesäumt vorwärts. Als gegen Mitternacht die Infanterie in dem
Walde, wo man sie erwartete, eine starke Meile vor Nathenow, anlangte, wur¬
den 400 Mann davon unter Generaladjutant Conowsky und Oberstlieutnant
Kanne beordert, die Havel auf Kähnen zu Passiren, um der Stadt von der
anderen Seite beizukommen, während die Dragoner die Brücke in der Front.
Götz und Dönhoff von der dritten Seite angreifen sollten. Beim Vorrücken
in dem sumpfigen Terrain stieg den Leuten das Wasser bis an die Schenkel, als
aber erst wieder sicherer Grund unter den Füßen war, trabten die braven
Musketiere wie die Pferde los; „obgleich die Nacht gewöhnlich der Mantel der
Feigen ist," bemerkt Buch, „blieb hier doch nicht ein einziger zurück."

Bei Tagesgrauen ist die Hauptbrücke erreicht, Derfflinger selbst geht mit
100 Dragonern in kurzem Trabe vor. Man hört das „Werda" des Wacht-
Posten, der etwa 6 Mann stark war. Derfflinger giebt vor, ein schwedischer
Leutnant zu sein, der von einem Haufen Brandenburger verfolgt werde und
bittet, da er zum Rückzug genöthigt sei. ihn hier einzulassen. Die Wache er¬
klärt, dies nicht thun zu können ohne Rapport an den Obersten, der sie andern¬
falls werde hängen lassen. Der alte Derfflinger setzt aber sein Gespräch mit
Angabe etlicher fingirter Einzelnheiten fort, nennt sich vom bülowschen Regiment
und guten Freund des Commandanten, der nichts dawider haben werde, wenn
man wenigstens ihn allein einlasse. Unter diesem Parlamentiren nähert sich
der Trupp der Wache und hui! die Pferde in Carriere gehts über sie weg ans
Thor. Einige entfliehn und bringen Allarm in die Stadt. Nun läßt der Kur¬
fürst sofort die Dragoner zu Fuß vor die andere Brücke rücken. Hier stocken sie
eine Weile; der Kurfürst schickt Buch, um nackzusehn, was sie aufhält. Der
findet die Brücke aufgezogen und die Balken abgeworfen. Kein Schuß aus der
Stadt; wohl aber seitwärts vom jenseitigen Ufer her feuern Etliche in rother
Montur, die Buch anfänglich verkennt; da sie sich aber der Stadt nähern, zeigt
sichs, daß es eigne Leute sind. Nun bestimmt Buch etliche seiner Dragoner zu


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[0426] der außerhalb der Stadt rechts der Elbe lagernden Kavallerie zu stellen. Zu¬ erst war ein schlimmes Defilö zu Passiren, das langen Aufenthalt brachte, dann fiel Regen; statt in Genthin. das nicht erreicht werden konnte, mußte Quartier in Pärchen genommen werden, die Truppen im Bivouak umher. Es kam die Nachricht, daß vor wenig Tagen Oberst Wangelin mit sechs Compagnien Dra. gonern in Rcithenow eingerückt sei, woraus die Befürchtung entstand, die Schweden möchten Kundschaft von dem Unternehmen erhalten haben. Dies erwies sich jedoch als Irrthum; denn ehe die drei Streifpatrouillen, die infolge dessen gegen Brandenburg. Plauen und Nathenow zur Recognoscirung ent¬ sendet wurden, zurück waren, erfuhr man während des Haltes bei Pärchen von einem Herrn von Briefe, der den Abend vorher in Rathenow gewesen war, daß Wangelin von dem Herannahen der Brandenburger nichts wisse. Nun gings ungesäumt vorwärts. Als gegen Mitternacht die Infanterie in dem Walde, wo man sie erwartete, eine starke Meile vor Nathenow, anlangte, wur¬ den 400 Mann davon unter Generaladjutant Conowsky und Oberstlieutnant Kanne beordert, die Havel auf Kähnen zu Passiren, um der Stadt von der anderen Seite beizukommen, während die Dragoner die Brücke in der Front. Götz und Dönhoff von der dritten Seite angreifen sollten. Beim Vorrücken in dem sumpfigen Terrain stieg den Leuten das Wasser bis an die Schenkel, als aber erst wieder sicherer Grund unter den Füßen war, trabten die braven Musketiere wie die Pferde los; „obgleich die Nacht gewöhnlich der Mantel der Feigen ist," bemerkt Buch, „blieb hier doch nicht ein einziger zurück." Bei Tagesgrauen ist die Hauptbrücke erreicht, Derfflinger selbst geht mit 100 Dragonern in kurzem Trabe vor. Man hört das „Werda" des Wacht- Posten, der etwa 6 Mann stark war. Derfflinger giebt vor, ein schwedischer Leutnant zu sein, der von einem Haufen Brandenburger verfolgt werde und bittet, da er zum Rückzug genöthigt sei. ihn hier einzulassen. Die Wache er¬ klärt, dies nicht thun zu können ohne Rapport an den Obersten, der sie andern¬ falls werde hängen lassen. Der alte Derfflinger setzt aber sein Gespräch mit Angabe etlicher fingirter Einzelnheiten fort, nennt sich vom bülowschen Regiment und guten Freund des Commandanten, der nichts dawider haben werde, wenn man wenigstens ihn allein einlasse. Unter diesem Parlamentiren nähert sich der Trupp der Wache und hui! die Pferde in Carriere gehts über sie weg ans Thor. Einige entfliehn und bringen Allarm in die Stadt. Nun läßt der Kur¬ fürst sofort die Dragoner zu Fuß vor die andere Brücke rücken. Hier stocken sie eine Weile; der Kurfürst schickt Buch, um nackzusehn, was sie aufhält. Der findet die Brücke aufgezogen und die Balken abgeworfen. Kein Schuß aus der Stadt; wohl aber seitwärts vom jenseitigen Ufer her feuern Etliche in rother Montur, die Buch anfänglich verkennt; da sie sich aber der Stadt nähern, zeigt sichs, daß es eigne Leute sind. Nun bestimmt Buch etliche seiner Dragoner zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/426>, abgerufen am 22.07.2024.