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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Reihe der Hausarbeiten zum Abschlüsse: der Brodvorrath wird fertig gebacken,
weil das Korn schon vorher ausgedroschen ist; das Mastschwein wird einge¬
schlachtet, weil die Eicheln- und Eckernernte verfüttert ist, der Rocken wird ab¬
gesponnen. Manche Woche hindurch sieht das Kind im Hause Solcherlei Zu-
rüstungen machen und wird darüber mit der Gewohnhcitsfrage laut, wann denn
der Se. Nikolaus nun einmal komme? Sind es artige Kinder, so vertröstet man
sie auf den nächsten Schnee. Dieser wird daher mit dem Freudenreime begrüßt:

Hat man dagegen unartigen Kindern zu antworten, so erklärt man ihnen,
sie selber seien an diesem fortdauernden Ausbleiben des Nikolaus schuld; sein
Esclein sei über ihrem Geheule scheu geworden, habe im Gebirge droben den
ganzen Packsack mit Zuckerzeug abgeworfen und sich dabei das goldene oder
gläserne Pein zerschlagen. Bis dies wieder heil geworden sei, komme der Hei¬
lige nur langsam voran. Quälen sie mit der Frage, was er an Geschenken
diesmal wohl mitbringen werde, so lautet das Bexierwort darauf etwa also:
"E goldigs Nüteli (Nichtslcin), e silberigs Nienewägeli, e längs-längs
Beit-e-Wile (Warteinweilchen), e Wärtelilang, e Hätteligern, e silberigs Nüteli-
g'schirr (Nichts) mit ere herzguldengueti Gwunderligsuppe und süeßbachene
Fröglinne dium (eine Verwunderungssuppe mit süßgebackenen Fragenschnitten)."
Das Kind trifft nun gleichfalls seine je nach dem confessionellen Glauben der
Familie und Landschaft verschiedenartigen Festvorbereitungen. In katholischen
Gegenden schneidet es sich das Samichlausenhölzli oder Balle (Pegel); dies ist
das Kerbholz, auf dem es Gutes und Böses anmerkt, um dem ankommen¬
den Heiligen Rechnung abzulegen. Es schnißt einen fingerdicken Haselzweig
vierkantig, und die Eltern ritzen in eine der Kanten so oft ein frisches Kläfflein
(Kerbe) ein, als es die vorgeschriebenen fünf Vaterunser und Ave's vor Schlafen¬
gehen richtig gebetet hat. Dann sagt es etwa nach dem Brauche des aargauer
Freiencnntcs: "Lueg nur emol mis Baili a, Mueter, und zeit, ob's nid scho
feufczwänzg Kiäffii heb; cso mänge Nvscchranz han i letz scho zum Sami¬
chlaus badet." Bevor dann am Festabend der Heilige mit dem großen Bcsche-
rungslvffel in die vor jedes Stubenfenster hinausgestcllten Schüsseln schöpft und
umleert, giebt das Kind sein Kerbhölzchcn an die Eltern ab, durch die es an
den Heiligen gelangt. Dieser nimmt eine sorgfältige Prüfung damit vor, und
stimmt die Anzahl der Kerben nicht mit des Kindes sonstiger Art zusammen,
so ist am Morgen darauf jede falsch angezeichnete Kerbe schwarz gebrannt. Die¬
ses rührt von den rußigen Fingern des Knechtes Schmutzli her, welcher als
des Nikolaus Roßknecht und Begleiter an jeder Beile die Feuerprobe macht
und daran alle falsch und eigennützig gesprochenen Gebete herausfindet. Statt
der Süßigkeiten wirft er dann nichts als Ruß in die Schüssel vor dem Fenster;


Reihe der Hausarbeiten zum Abschlüsse: der Brodvorrath wird fertig gebacken,
weil das Korn schon vorher ausgedroschen ist; das Mastschwein wird einge¬
schlachtet, weil die Eicheln- und Eckernernte verfüttert ist, der Rocken wird ab¬
gesponnen. Manche Woche hindurch sieht das Kind im Hause Solcherlei Zu-
rüstungen machen und wird darüber mit der Gewohnhcitsfrage laut, wann denn
der Se. Nikolaus nun einmal komme? Sind es artige Kinder, so vertröstet man
sie auf den nächsten Schnee. Dieser wird daher mit dem Freudenreime begrüßt:

Hat man dagegen unartigen Kindern zu antworten, so erklärt man ihnen,
sie selber seien an diesem fortdauernden Ausbleiben des Nikolaus schuld; sein
Esclein sei über ihrem Geheule scheu geworden, habe im Gebirge droben den
ganzen Packsack mit Zuckerzeug abgeworfen und sich dabei das goldene oder
gläserne Pein zerschlagen. Bis dies wieder heil geworden sei, komme der Hei¬
lige nur langsam voran. Quälen sie mit der Frage, was er an Geschenken
diesmal wohl mitbringen werde, so lautet das Bexierwort darauf etwa also:
„E goldigs Nüteli (Nichtslcin), e silberigs Nienewägeli, e längs-längs
Beit-e-Wile (Warteinweilchen), e Wärtelilang, e Hätteligern, e silberigs Nüteli-
g'schirr (Nichts) mit ere herzguldengueti Gwunderligsuppe und süeßbachene
Fröglinne dium (eine Verwunderungssuppe mit süßgebackenen Fragenschnitten)."
Das Kind trifft nun gleichfalls seine je nach dem confessionellen Glauben der
Familie und Landschaft verschiedenartigen Festvorbereitungen. In katholischen
Gegenden schneidet es sich das Samichlausenhölzli oder Balle (Pegel); dies ist
das Kerbholz, auf dem es Gutes und Böses anmerkt, um dem ankommen¬
den Heiligen Rechnung abzulegen. Es schnißt einen fingerdicken Haselzweig
vierkantig, und die Eltern ritzen in eine der Kanten so oft ein frisches Kläfflein
(Kerbe) ein, als es die vorgeschriebenen fünf Vaterunser und Ave's vor Schlafen¬
gehen richtig gebetet hat. Dann sagt es etwa nach dem Brauche des aargauer
Freiencnntcs: „Lueg nur emol mis Baili a, Mueter, und zeit, ob's nid scho
feufczwänzg Kiäffii heb; cso mänge Nvscchranz han i letz scho zum Sami¬
chlaus badet." Bevor dann am Festabend der Heilige mit dem großen Bcsche-
rungslvffel in die vor jedes Stubenfenster hinausgestcllten Schüsseln schöpft und
umleert, giebt das Kind sein Kerbhölzchcn an die Eltern ab, durch die es an
den Heiligen gelangt. Dieser nimmt eine sorgfältige Prüfung damit vor, und
stimmt die Anzahl der Kerben nicht mit des Kindes sonstiger Art zusammen,
so ist am Morgen darauf jede falsch angezeichnete Kerbe schwarz gebrannt. Die¬
ses rührt von den rußigen Fingern des Knechtes Schmutzli her, welcher als
des Nikolaus Roßknecht und Begleiter an jeder Beile die Feuerprobe macht
und daran alle falsch und eigennützig gesprochenen Gebete herausfindet. Statt
der Süßigkeiten wirft er dann nichts als Ruß in die Schüssel vor dem Fenster;


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[0380] Reihe der Hausarbeiten zum Abschlüsse: der Brodvorrath wird fertig gebacken, weil das Korn schon vorher ausgedroschen ist; das Mastschwein wird einge¬ schlachtet, weil die Eicheln- und Eckernernte verfüttert ist, der Rocken wird ab¬ gesponnen. Manche Woche hindurch sieht das Kind im Hause Solcherlei Zu- rüstungen machen und wird darüber mit der Gewohnhcitsfrage laut, wann denn der Se. Nikolaus nun einmal komme? Sind es artige Kinder, so vertröstet man sie auf den nächsten Schnee. Dieser wird daher mit dem Freudenreime begrüßt: Hat man dagegen unartigen Kindern zu antworten, so erklärt man ihnen, sie selber seien an diesem fortdauernden Ausbleiben des Nikolaus schuld; sein Esclein sei über ihrem Geheule scheu geworden, habe im Gebirge droben den ganzen Packsack mit Zuckerzeug abgeworfen und sich dabei das goldene oder gläserne Pein zerschlagen. Bis dies wieder heil geworden sei, komme der Hei¬ lige nur langsam voran. Quälen sie mit der Frage, was er an Geschenken diesmal wohl mitbringen werde, so lautet das Bexierwort darauf etwa also: „E goldigs Nüteli (Nichtslcin), e silberigs Nienewägeli, e längs-längs Beit-e-Wile (Warteinweilchen), e Wärtelilang, e Hätteligern, e silberigs Nüteli- g'schirr (Nichts) mit ere herzguldengueti Gwunderligsuppe und süeßbachene Fröglinne dium (eine Verwunderungssuppe mit süßgebackenen Fragenschnitten)." Das Kind trifft nun gleichfalls seine je nach dem confessionellen Glauben der Familie und Landschaft verschiedenartigen Festvorbereitungen. In katholischen Gegenden schneidet es sich das Samichlausenhölzli oder Balle (Pegel); dies ist das Kerbholz, auf dem es Gutes und Böses anmerkt, um dem ankommen¬ den Heiligen Rechnung abzulegen. Es schnißt einen fingerdicken Haselzweig vierkantig, und die Eltern ritzen in eine der Kanten so oft ein frisches Kläfflein (Kerbe) ein, als es die vorgeschriebenen fünf Vaterunser und Ave's vor Schlafen¬ gehen richtig gebetet hat. Dann sagt es etwa nach dem Brauche des aargauer Freiencnntcs: „Lueg nur emol mis Baili a, Mueter, und zeit, ob's nid scho feufczwänzg Kiäffii heb; cso mänge Nvscchranz han i letz scho zum Sami¬ chlaus badet." Bevor dann am Festabend der Heilige mit dem großen Bcsche- rungslvffel in die vor jedes Stubenfenster hinausgestcllten Schüsseln schöpft und umleert, giebt das Kind sein Kerbhölzchcn an die Eltern ab, durch die es an den Heiligen gelangt. Dieser nimmt eine sorgfältige Prüfung damit vor, und stimmt die Anzahl der Kerben nicht mit des Kindes sonstiger Art zusammen, so ist am Morgen darauf jede falsch angezeichnete Kerbe schwarz gebrannt. Die¬ ses rührt von den rußigen Fingern des Knechtes Schmutzli her, welcher als des Nikolaus Roßknecht und Begleiter an jeder Beile die Feuerprobe macht und daran alle falsch und eigennützig gesprochenen Gebete herausfindet. Statt der Süßigkeiten wirft er dann nichts als Ruß in die Schüssel vor dem Fenster;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/380>, abgerufen am 22.07.2024.