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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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vischen Lande durch deutsche Einwanderer geschehen war: die Regierung machte
ihren Contract mit einzelnen Offizieren und diesen lag es ob, Mannschaften zu
werben. So entstand eine Art Menschenpacht. Der dreißigjährige Krieg hatte
sattsam gezeigt, wie oft vel solcher Trennung der Masse der Soldaten vom
obersten Kriegsherrn die Mittelglieder, eben jene Offiziere, die ihrem Regiment
in der Regel auch den Namen gaben, Muße und Gelegenheit gewinnen konnten,
nicht blos Geldgeschäfte zu machen, sondern an politisch ihr Pfeifchen zu
schneiden. Darum erhöhte sich für den Fürsten "Gliede, streng nach dem
Rechten zu sehen und womöglich immer selbst bei de.. . .iegsoperativnen zugegen
zu sein. Brandenburg hat die Wohlthat erfahren, weint^ darin liegt, daß beim
Beginn dieser tiefgreifenden und in mehr als einer Beziehung sehr verfänglichen
Reorganisation des Heerwesens ein Fürst an der Spitze ste./.d, der dafür bürgte,
daß die Gefahren, die das neue System enthielt, nicht luxurirten und die Tra¬
dition der Armee vergifteten. Friedrich Wilhelm wußte sich Manns genug
dazu und er war es auch.

Sehen wir uns diese neuen Völker an. Sie sahen bunt und martialisch
genug aus. Die schwere Reiterei, welche nach Analogie der ehemaligen Lehns¬
ritterschaft für Ausrüstung und Montur selbst zu sorgen hatte, trug reglement-
mäßig eisernen Küraß, eiserne Helmhauve, einen langen Pallasch nebst Pistolen
und Karaviner an der Seite. Der lederne Koller, der anfänglich unter dem
Harnisch zu tragen war, wurde später durch einen Tuchrock ersetzt. Lange
Reiterstiefel vervollständigten den Anzug, der in allem das Kostümgemisch des
halbüberstandenen Mittelalters zeigte. Den Dragonern war der Panzer schon
erspart. Sie trugen dunkle Streifen auf den Rockärmeln und Filzhüte,
die an einer Seite aufgeschlagen waren. Die derfflingischen tu "xecis hatten
eine Art Waffenrock weiß mit reicher Silberstickerei, eine Zartheit des Colorits,
die seltsam abgestochen haben mag von der tollen Art und den sonnverbrannter
Gesichtern dieser Krastkerle.

Die Infanterie trug langen Rock.in der seitdem traditionell gewordenen
blauen Farbe, den Mantel entweder über die Schulter gehängt oder aufgewickelt,
auf dein .Kopfe einen Krämpenhut, ferner eine schwarze Cravatte, Lederhosen
und Schuh und Strümpfe. Die Kalbfellranzen hingen an Lederriemen über
die Schulter. Hinsichtlich der Bewaffnung unterschied sich Pckenierc und Mus¬
ketiere; jene hatten eine Pike von sieben bis achtehalb Ellen Länge; diese die
Muskete. Dazu kam bei beiden ein langer Degen, der mittels einer Koppel
am Leibe befestigt ward. Der Musketier schleppte außerdem eine Tasche mit
86 Patronen an einem Riemen über der linken Schulter, wozu Näumnadel,
Pulverhorn mit 30 Schuß, Kugeln (12 bis 14 aufs Pfund) gehörten.

Eine Compagnie Reiter bestand aus 120, eine Compagnie Infanterie aus
150 Mann; 6 bis 10 Compagnien bildeten ein Regiment. Der Sold betrug


vischen Lande durch deutsche Einwanderer geschehen war: die Regierung machte
ihren Contract mit einzelnen Offizieren und diesen lag es ob, Mannschaften zu
werben. So entstand eine Art Menschenpacht. Der dreißigjährige Krieg hatte
sattsam gezeigt, wie oft vel solcher Trennung der Masse der Soldaten vom
obersten Kriegsherrn die Mittelglieder, eben jene Offiziere, die ihrem Regiment
in der Regel auch den Namen gaben, Muße und Gelegenheit gewinnen konnten,
nicht blos Geldgeschäfte zu machen, sondern an politisch ihr Pfeifchen zu
schneiden. Darum erhöhte sich für den Fürsten "Gliede, streng nach dem
Rechten zu sehen und womöglich immer selbst bei de.. . .iegsoperativnen zugegen
zu sein. Brandenburg hat die Wohlthat erfahren, weint^ darin liegt, daß beim
Beginn dieser tiefgreifenden und in mehr als einer Beziehung sehr verfänglichen
Reorganisation des Heerwesens ein Fürst an der Spitze ste./.d, der dafür bürgte,
daß die Gefahren, die das neue System enthielt, nicht luxurirten und die Tra¬
dition der Armee vergifteten. Friedrich Wilhelm wußte sich Manns genug
dazu und er war es auch.

Sehen wir uns diese neuen Völker an. Sie sahen bunt und martialisch
genug aus. Die schwere Reiterei, welche nach Analogie der ehemaligen Lehns¬
ritterschaft für Ausrüstung und Montur selbst zu sorgen hatte, trug reglement-
mäßig eisernen Küraß, eiserne Helmhauve, einen langen Pallasch nebst Pistolen
und Karaviner an der Seite. Der lederne Koller, der anfänglich unter dem
Harnisch zu tragen war, wurde später durch einen Tuchrock ersetzt. Lange
Reiterstiefel vervollständigten den Anzug, der in allem das Kostümgemisch des
halbüberstandenen Mittelalters zeigte. Den Dragonern war der Panzer schon
erspart. Sie trugen dunkle Streifen auf den Rockärmeln und Filzhüte,
die an einer Seite aufgeschlagen waren. Die derfflingischen tu «xecis hatten
eine Art Waffenrock weiß mit reicher Silberstickerei, eine Zartheit des Colorits,
die seltsam abgestochen haben mag von der tollen Art und den sonnverbrannter
Gesichtern dieser Krastkerle.

Die Infanterie trug langen Rock.in der seitdem traditionell gewordenen
blauen Farbe, den Mantel entweder über die Schulter gehängt oder aufgewickelt,
auf dein .Kopfe einen Krämpenhut, ferner eine schwarze Cravatte, Lederhosen
und Schuh und Strümpfe. Die Kalbfellranzen hingen an Lederriemen über
die Schulter. Hinsichtlich der Bewaffnung unterschied sich Pckenierc und Mus¬
ketiere; jene hatten eine Pike von sieben bis achtehalb Ellen Länge; diese die
Muskete. Dazu kam bei beiden ein langer Degen, der mittels einer Koppel
am Leibe befestigt ward. Der Musketier schleppte außerdem eine Tasche mit
86 Patronen an einem Riemen über der linken Schulter, wozu Näumnadel,
Pulverhorn mit 30 Schuß, Kugeln (12 bis 14 aufs Pfund) gehörten.

Eine Compagnie Reiter bestand aus 120, eine Compagnie Infanterie aus
150 Mann; 6 bis 10 Compagnien bildeten ein Regiment. Der Sold betrug


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[0370] vischen Lande durch deutsche Einwanderer geschehen war: die Regierung machte ihren Contract mit einzelnen Offizieren und diesen lag es ob, Mannschaften zu werben. So entstand eine Art Menschenpacht. Der dreißigjährige Krieg hatte sattsam gezeigt, wie oft vel solcher Trennung der Masse der Soldaten vom obersten Kriegsherrn die Mittelglieder, eben jene Offiziere, die ihrem Regiment in der Regel auch den Namen gaben, Muße und Gelegenheit gewinnen konnten, nicht blos Geldgeschäfte zu machen, sondern an politisch ihr Pfeifchen zu schneiden. Darum erhöhte sich für den Fürsten "Gliede, streng nach dem Rechten zu sehen und womöglich immer selbst bei de.. . .iegsoperativnen zugegen zu sein. Brandenburg hat die Wohlthat erfahren, weint^ darin liegt, daß beim Beginn dieser tiefgreifenden und in mehr als einer Beziehung sehr verfänglichen Reorganisation des Heerwesens ein Fürst an der Spitze ste./.d, der dafür bürgte, daß die Gefahren, die das neue System enthielt, nicht luxurirten und die Tra¬ dition der Armee vergifteten. Friedrich Wilhelm wußte sich Manns genug dazu und er war es auch. Sehen wir uns diese neuen Völker an. Sie sahen bunt und martialisch genug aus. Die schwere Reiterei, welche nach Analogie der ehemaligen Lehns¬ ritterschaft für Ausrüstung und Montur selbst zu sorgen hatte, trug reglement- mäßig eisernen Küraß, eiserne Helmhauve, einen langen Pallasch nebst Pistolen und Karaviner an der Seite. Der lederne Koller, der anfänglich unter dem Harnisch zu tragen war, wurde später durch einen Tuchrock ersetzt. Lange Reiterstiefel vervollständigten den Anzug, der in allem das Kostümgemisch des halbüberstandenen Mittelalters zeigte. Den Dragonern war der Panzer schon erspart. Sie trugen dunkle Streifen auf den Rockärmeln und Filzhüte, die an einer Seite aufgeschlagen waren. Die derfflingischen tu «xecis hatten eine Art Waffenrock weiß mit reicher Silberstickerei, eine Zartheit des Colorits, die seltsam abgestochen haben mag von der tollen Art und den sonnverbrannter Gesichtern dieser Krastkerle. Die Infanterie trug langen Rock.in der seitdem traditionell gewordenen blauen Farbe, den Mantel entweder über die Schulter gehängt oder aufgewickelt, auf dein .Kopfe einen Krämpenhut, ferner eine schwarze Cravatte, Lederhosen und Schuh und Strümpfe. Die Kalbfellranzen hingen an Lederriemen über die Schulter. Hinsichtlich der Bewaffnung unterschied sich Pckenierc und Mus¬ ketiere; jene hatten eine Pike von sieben bis achtehalb Ellen Länge; diese die Muskete. Dazu kam bei beiden ein langer Degen, der mittels einer Koppel am Leibe befestigt ward. Der Musketier schleppte außerdem eine Tasche mit 86 Patronen an einem Riemen über der linken Schulter, wozu Näumnadel, Pulverhorn mit 30 Schuß, Kugeln (12 bis 14 aufs Pfund) gehörten. Eine Compagnie Reiter bestand aus 120, eine Compagnie Infanterie aus 150 Mann; 6 bis 10 Compagnien bildeten ein Regiment. Der Sold betrug

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/370>, abgerufen am 22.07.2024.