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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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"Wochenstube", und ein Paar sich anknurrende Individuen derselben Species;
Bilder voll heitrer, geistreicher Erfindung, frischer und eleganter Malerei.
Brendel ist der gefeierte Maler der Schaf- und Hammelheerden im Stall
und auf der Weide, in Berlin wie in Paris gleich hoch geschätzt. In der Cha¬
rakteristik seiner wolligen Lieblinge, in der Wiedergabe ihres innern Lebens wie ihrer
äußern Erscheinung, in der Darstellung der Stallinterieurs ist er wohl unerreicht
unter den Lebenden. Das eine seiner diesmaligen Bilder wird leider durch
eine sehr unwahrscheinliche giftig grüne Landschaft um seine beste Wirkung ge¬
bracht. Graf Krockow ist der jagdgerechteste aller Maler, auch in Hinsicht auf
die Titel seiner Bilder, die ihm oft genug Spötteleien in Menge hervorgerufen
haben. Unvergessen find und bleiben seine "fühlenden" und "vor der Sust
fvrkelnden Sechzehnender" von früheren Ausstellungen. Diesmal hat er sich
ausschließlich den "Elchhirschen" gewidmet, und läßt sie auf dem Eise oder im
novemberkahlen nebligen Walde höchst Sports- und kunstgemäß von "Fanghun¬
den verbellen", oder auch von merkwürdig klein gerathenen Wilddieben aus dem
Eise verfolgen. -- Boltz malt seine vortrefflich gezeichneten Heerden und Rin¬
der- oder Schafgruppcn als schöne Staffage hinter idyllischen, etwas ideal und
stilisirt gehaltnen Landschaften, und kommt so in seiner Kunst den Wirkungen
echter bukolischer Dichtung nahe. -- Ganz anders Ockel, der seine mit Thieren
stasfirtcn Landschaften nach Art der modernen Schule der schmuck- und heillose¬
sten Wirklichkeit entlehnt, und einzig auf die möglichste Realität der farbigen
Erscheinung des Dargestellten ausgeht. Seine äußerst derbe und breite Be¬
handlung, die Energie seiner Fcubcntöne lassen ihn oft wohl entschiedene und
frappante Wirkungen erziele", oft aber auch gehn diese über der Absonderlichkeit
des Motivs und der Verwegenheit der Technik verloren. Als Maler von Thier-
bildnisse" ist er ob der große" Treue und lebendigen Wahrheit derselben
mit Recht geschätzt. Eine große Landschaft aus dem Oderbruch bei Sonnen¬
aufgang, austretende Rehe in der Abenddämmerung, und das Reh im licht-
grünlaubigen Buchengrunde (das letztere ein ganz besonderes reizvolles Bild),
zeigen ihn zugleich von seiner schwachen wie von seiner starken künstlerischen Seite.

Unübersehbar fast ist die Zahl der Landschaften. Und um so schwerer fällt
es, ihren Eindruck zu ordnen, sich ein klares Bild von dem hier Geleisteten
zu machen, als eine mehr als mittlere Stufe der Ausbildung und Tüchtigkeit
gerade hierin gegenwärtig von so viele" gleichmäßig erreicht ist, die künst¬
lerischen Individualitäten sich daher weit weniger von einander sondern, das
Eigenartige sich weit seltner und minder entschieden geltend macht, als aus
andern Gebieten. Die in der Wahl der Stoffe bekundeten Richtungen sind
die vielseitigsten. Der vorherrschende Realismus schließt nicht aus, daß
hochbedeutende Schöpfungen reinen Jdealcharakters entstanden sind, und Italien
und die Trope" finden ebenso ihre begabten Schilderer wie die Weidetristen


„Wochenstube", und ein Paar sich anknurrende Individuen derselben Species;
Bilder voll heitrer, geistreicher Erfindung, frischer und eleganter Malerei.
Brendel ist der gefeierte Maler der Schaf- und Hammelheerden im Stall
und auf der Weide, in Berlin wie in Paris gleich hoch geschätzt. In der Cha¬
rakteristik seiner wolligen Lieblinge, in der Wiedergabe ihres innern Lebens wie ihrer
äußern Erscheinung, in der Darstellung der Stallinterieurs ist er wohl unerreicht
unter den Lebenden. Das eine seiner diesmaligen Bilder wird leider durch
eine sehr unwahrscheinliche giftig grüne Landschaft um seine beste Wirkung ge¬
bracht. Graf Krockow ist der jagdgerechteste aller Maler, auch in Hinsicht auf
die Titel seiner Bilder, die ihm oft genug Spötteleien in Menge hervorgerufen
haben. Unvergessen find und bleiben seine „fühlenden" und „vor der Sust
fvrkelnden Sechzehnender" von früheren Ausstellungen. Diesmal hat er sich
ausschließlich den „Elchhirschen" gewidmet, und läßt sie auf dem Eise oder im
novemberkahlen nebligen Walde höchst Sports- und kunstgemäß von „Fanghun¬
den verbellen", oder auch von merkwürdig klein gerathenen Wilddieben aus dem
Eise verfolgen. — Boltz malt seine vortrefflich gezeichneten Heerden und Rin¬
der- oder Schafgruppcn als schöne Staffage hinter idyllischen, etwas ideal und
stilisirt gehaltnen Landschaften, und kommt so in seiner Kunst den Wirkungen
echter bukolischer Dichtung nahe. — Ganz anders Ockel, der seine mit Thieren
stasfirtcn Landschaften nach Art der modernen Schule der schmuck- und heillose¬
sten Wirklichkeit entlehnt, und einzig auf die möglichste Realität der farbigen
Erscheinung des Dargestellten ausgeht. Seine äußerst derbe und breite Be¬
handlung, die Energie seiner Fcubcntöne lassen ihn oft wohl entschiedene und
frappante Wirkungen erziele», oft aber auch gehn diese über der Absonderlichkeit
des Motivs und der Verwegenheit der Technik verloren. Als Maler von Thier-
bildnisse» ist er ob der große» Treue und lebendigen Wahrheit derselben
mit Recht geschätzt. Eine große Landschaft aus dem Oderbruch bei Sonnen¬
aufgang, austretende Rehe in der Abenddämmerung, und das Reh im licht-
grünlaubigen Buchengrunde (das letztere ein ganz besonderes reizvolles Bild),
zeigen ihn zugleich von seiner schwachen wie von seiner starken künstlerischen Seite.

Unübersehbar fast ist die Zahl der Landschaften. Und um so schwerer fällt
es, ihren Eindruck zu ordnen, sich ein klares Bild von dem hier Geleisteten
zu machen, als eine mehr als mittlere Stufe der Ausbildung und Tüchtigkeit
gerade hierin gegenwärtig von so viele» gleichmäßig erreicht ist, die künst¬
lerischen Individualitäten sich daher weit weniger von einander sondern, das
Eigenartige sich weit seltner und minder entschieden geltend macht, als aus
andern Gebieten. Die in der Wahl der Stoffe bekundeten Richtungen sind
die vielseitigsten. Der vorherrschende Realismus schließt nicht aus, daß
hochbedeutende Schöpfungen reinen Jdealcharakters entstanden sind, und Italien
und die Trope» finden ebenso ihre begabten Schilderer wie die Weidetristen


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[0350] „Wochenstube", und ein Paar sich anknurrende Individuen derselben Species; Bilder voll heitrer, geistreicher Erfindung, frischer und eleganter Malerei. Brendel ist der gefeierte Maler der Schaf- und Hammelheerden im Stall und auf der Weide, in Berlin wie in Paris gleich hoch geschätzt. In der Cha¬ rakteristik seiner wolligen Lieblinge, in der Wiedergabe ihres innern Lebens wie ihrer äußern Erscheinung, in der Darstellung der Stallinterieurs ist er wohl unerreicht unter den Lebenden. Das eine seiner diesmaligen Bilder wird leider durch eine sehr unwahrscheinliche giftig grüne Landschaft um seine beste Wirkung ge¬ bracht. Graf Krockow ist der jagdgerechteste aller Maler, auch in Hinsicht auf die Titel seiner Bilder, die ihm oft genug Spötteleien in Menge hervorgerufen haben. Unvergessen find und bleiben seine „fühlenden" und „vor der Sust fvrkelnden Sechzehnender" von früheren Ausstellungen. Diesmal hat er sich ausschließlich den „Elchhirschen" gewidmet, und läßt sie auf dem Eise oder im novemberkahlen nebligen Walde höchst Sports- und kunstgemäß von „Fanghun¬ den verbellen", oder auch von merkwürdig klein gerathenen Wilddieben aus dem Eise verfolgen. — Boltz malt seine vortrefflich gezeichneten Heerden und Rin¬ der- oder Schafgruppcn als schöne Staffage hinter idyllischen, etwas ideal und stilisirt gehaltnen Landschaften, und kommt so in seiner Kunst den Wirkungen echter bukolischer Dichtung nahe. — Ganz anders Ockel, der seine mit Thieren stasfirtcn Landschaften nach Art der modernen Schule der schmuck- und heillose¬ sten Wirklichkeit entlehnt, und einzig auf die möglichste Realität der farbigen Erscheinung des Dargestellten ausgeht. Seine äußerst derbe und breite Be¬ handlung, die Energie seiner Fcubcntöne lassen ihn oft wohl entschiedene und frappante Wirkungen erziele», oft aber auch gehn diese über der Absonderlichkeit des Motivs und der Verwegenheit der Technik verloren. Als Maler von Thier- bildnisse» ist er ob der große» Treue und lebendigen Wahrheit derselben mit Recht geschätzt. Eine große Landschaft aus dem Oderbruch bei Sonnen¬ aufgang, austretende Rehe in der Abenddämmerung, und das Reh im licht- grünlaubigen Buchengrunde (das letztere ein ganz besonderes reizvolles Bild), zeigen ihn zugleich von seiner schwachen wie von seiner starken künstlerischen Seite. Unübersehbar fast ist die Zahl der Landschaften. Und um so schwerer fällt es, ihren Eindruck zu ordnen, sich ein klares Bild von dem hier Geleisteten zu machen, als eine mehr als mittlere Stufe der Ausbildung und Tüchtigkeit gerade hierin gegenwärtig von so viele» gleichmäßig erreicht ist, die künst¬ lerischen Individualitäten sich daher weit weniger von einander sondern, das Eigenartige sich weit seltner und minder entschieden geltend macht, als aus andern Gebieten. Die in der Wahl der Stoffe bekundeten Richtungen sind die vielseitigsten. Der vorherrschende Realismus schließt nicht aus, daß hochbedeutende Schöpfungen reinen Jdealcharakters entstanden sind, und Italien und die Trope» finden ebenso ihre begabten Schilderer wie die Weidetristen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/350>, abgerufen am 22.07.2024.