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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Hofe betend", dessen Landschaft er in einen lichtweißer Herbstnebel verhüllt, der
die melancholische Stimmung, des Ganzen freilich wesentlich unterstützt, fehlt
es nicht an einzelnen ganz vorzüglichen und originellen Gestalten; auf dem
zweiten: "Fussen an der Weichsel auf der Heimkehr rastend" malt er als Local
und Umgebung einer lebensvollen, dem Schönsten was ihm gelungen gleich¬
kommenden Gruppe dieser slavischen Zigeuner eine gänzlich unwirkliche Land¬
schaft, wie aus graugrünem Papier geschnitten. Das dritte, gar "eine Einseg¬
nung", ist die seltsamste künstlerische Verirrung, der Versuch, die allerplatteste
Wirklichkeit, nüchtern und nichtig wie sie sich vielleicht zufällig einmal dem
Auge des Malers gezeigt hat. ohne das Geringste, sei es durch Veredlung der
Gestalten oder der Beleuchtung, der Form oder Farbe hinzuzuthun, als Bild
zu Malen; ein Experiment, das ihm natürlich so gut mißglücken mußte, wie
jedem, der es früher oder später unternommen hat.

Aus dem tüchtigen Bauernleben seiner norwegischen Heimath hat uns
Tidemand wohl schon Erfreulicheres gegeben, als diese "Austheilung des
Abendmahls an einen altersschwachen Greis". Das Bild leidet an einer Un¬
klarheit des Motivs, die seine schönen künstlerischen Eigenschaften nicht zur
vollen Wirkung kommen läßt. Der "Greis" sieht zu rüstig und seine das Bett
umsetzenden Angehörigen, die tüchtigsten, charaktervollsten Gestalten, gar zu
gleichgiltig. unbetheiligt aus, der Vorgang ist nickt reckt in dem Sinne ergrei¬
fend, in dem er es sein könnte und müßte. Die gesunde Malerei darin, die
Durchführung des schönen Effects der Beleuchtung von oben ber durch die
Oeffnung im Dach des Raums ist desto unbedingter anzuerkennen.,

Adolf Bürger fand in den wendischen Dörfern des Spreewaldes den
Vorwurf zu einem bäuerlichen "Begräbniß", einem Bilde, dessen Ernst, Ehrlich¬
keit und Kraft der Empfindung wie der Arbeit eindringlich zum Beschauer spricht,
v. Mieters heim malte zwei tüchtige, durch diesen verwandte Eigenschaften
wirkende Bilder aus dem pommerschen Bauernleben; Philippi suchte seine Stoffe
bei den lithauischen Landleuten, Kindler bei den mittelrheinischen, Lasch bei
den fränkischen. Letzterer, seit wenigen Jahren zu großem Ruf gelangt, hat
einen "Kirmeßgang durch den Buchenwald" und eine "ländliche Brautschmüclung"
ausgestellt, beide ausgezeichnet durch die Klarheit und Gesundheit ihres Kolorits,
durch die natürlich schlichte Anmuth und kräftige Wahrheit ihrer Gestalten.
Nur scheint für ihn die Gefahr nahe zu liegen, durch die zu häufige Wieder¬
holung derselben bäuerlichen Menschentypen monoton zu werden. Er sollte seine
Modelle baldmöglichst wechseln. Ich nenne hier noch den originellen Jernberg,
einen Coloristen von großer Begabung.

Vautiers Talent, so sein und harmonisch seine Farbe jederzeit auch sei,
ist kein eigentlich coloristisches wie z. B. bei Kraus. Die glückliche Erfindung,
die scharfe Beobachtung der einfachen Natur und ein feiner Takt in der Wahl


Hofe betend", dessen Landschaft er in einen lichtweißer Herbstnebel verhüllt, der
die melancholische Stimmung, des Ganzen freilich wesentlich unterstützt, fehlt
es nicht an einzelnen ganz vorzüglichen und originellen Gestalten; auf dem
zweiten: „Fussen an der Weichsel auf der Heimkehr rastend" malt er als Local
und Umgebung einer lebensvollen, dem Schönsten was ihm gelungen gleich¬
kommenden Gruppe dieser slavischen Zigeuner eine gänzlich unwirkliche Land¬
schaft, wie aus graugrünem Papier geschnitten. Das dritte, gar „eine Einseg¬
nung", ist die seltsamste künstlerische Verirrung, der Versuch, die allerplatteste
Wirklichkeit, nüchtern und nichtig wie sie sich vielleicht zufällig einmal dem
Auge des Malers gezeigt hat. ohne das Geringste, sei es durch Veredlung der
Gestalten oder der Beleuchtung, der Form oder Farbe hinzuzuthun, als Bild
zu Malen; ein Experiment, das ihm natürlich so gut mißglücken mußte, wie
jedem, der es früher oder später unternommen hat.

Aus dem tüchtigen Bauernleben seiner norwegischen Heimath hat uns
Tidemand wohl schon Erfreulicheres gegeben, als diese „Austheilung des
Abendmahls an einen altersschwachen Greis". Das Bild leidet an einer Un¬
klarheit des Motivs, die seine schönen künstlerischen Eigenschaften nicht zur
vollen Wirkung kommen läßt. Der „Greis" sieht zu rüstig und seine das Bett
umsetzenden Angehörigen, die tüchtigsten, charaktervollsten Gestalten, gar zu
gleichgiltig. unbetheiligt aus, der Vorgang ist nickt reckt in dem Sinne ergrei¬
fend, in dem er es sein könnte und müßte. Die gesunde Malerei darin, die
Durchführung des schönen Effects der Beleuchtung von oben ber durch die
Oeffnung im Dach des Raums ist desto unbedingter anzuerkennen.,

Adolf Bürger fand in den wendischen Dörfern des Spreewaldes den
Vorwurf zu einem bäuerlichen „Begräbniß", einem Bilde, dessen Ernst, Ehrlich¬
keit und Kraft der Empfindung wie der Arbeit eindringlich zum Beschauer spricht,
v. Mieters heim malte zwei tüchtige, durch diesen verwandte Eigenschaften
wirkende Bilder aus dem pommerschen Bauernleben; Philippi suchte seine Stoffe
bei den lithauischen Landleuten, Kindler bei den mittelrheinischen, Lasch bei
den fränkischen. Letzterer, seit wenigen Jahren zu großem Ruf gelangt, hat
einen „Kirmeßgang durch den Buchenwald" und eine „ländliche Brautschmüclung"
ausgestellt, beide ausgezeichnet durch die Klarheit und Gesundheit ihres Kolorits,
durch die natürlich schlichte Anmuth und kräftige Wahrheit ihrer Gestalten.
Nur scheint für ihn die Gefahr nahe zu liegen, durch die zu häufige Wieder¬
holung derselben bäuerlichen Menschentypen monoton zu werden. Er sollte seine
Modelle baldmöglichst wechseln. Ich nenne hier noch den originellen Jernberg,
einen Coloristen von großer Begabung.

Vautiers Talent, so sein und harmonisch seine Farbe jederzeit auch sei,
ist kein eigentlich coloristisches wie z. B. bei Kraus. Die glückliche Erfindung,
die scharfe Beobachtung der einfachen Natur und ein feiner Takt in der Wahl


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[0346] Hofe betend", dessen Landschaft er in einen lichtweißer Herbstnebel verhüllt, der die melancholische Stimmung, des Ganzen freilich wesentlich unterstützt, fehlt es nicht an einzelnen ganz vorzüglichen und originellen Gestalten; auf dem zweiten: „Fussen an der Weichsel auf der Heimkehr rastend" malt er als Local und Umgebung einer lebensvollen, dem Schönsten was ihm gelungen gleich¬ kommenden Gruppe dieser slavischen Zigeuner eine gänzlich unwirkliche Land¬ schaft, wie aus graugrünem Papier geschnitten. Das dritte, gar „eine Einseg¬ nung", ist die seltsamste künstlerische Verirrung, der Versuch, die allerplatteste Wirklichkeit, nüchtern und nichtig wie sie sich vielleicht zufällig einmal dem Auge des Malers gezeigt hat. ohne das Geringste, sei es durch Veredlung der Gestalten oder der Beleuchtung, der Form oder Farbe hinzuzuthun, als Bild zu Malen; ein Experiment, das ihm natürlich so gut mißglücken mußte, wie jedem, der es früher oder später unternommen hat. Aus dem tüchtigen Bauernleben seiner norwegischen Heimath hat uns Tidemand wohl schon Erfreulicheres gegeben, als diese „Austheilung des Abendmahls an einen altersschwachen Greis". Das Bild leidet an einer Un¬ klarheit des Motivs, die seine schönen künstlerischen Eigenschaften nicht zur vollen Wirkung kommen läßt. Der „Greis" sieht zu rüstig und seine das Bett umsetzenden Angehörigen, die tüchtigsten, charaktervollsten Gestalten, gar zu gleichgiltig. unbetheiligt aus, der Vorgang ist nickt reckt in dem Sinne ergrei¬ fend, in dem er es sein könnte und müßte. Die gesunde Malerei darin, die Durchführung des schönen Effects der Beleuchtung von oben ber durch die Oeffnung im Dach des Raums ist desto unbedingter anzuerkennen., Adolf Bürger fand in den wendischen Dörfern des Spreewaldes den Vorwurf zu einem bäuerlichen „Begräbniß", einem Bilde, dessen Ernst, Ehrlich¬ keit und Kraft der Empfindung wie der Arbeit eindringlich zum Beschauer spricht, v. Mieters heim malte zwei tüchtige, durch diesen verwandte Eigenschaften wirkende Bilder aus dem pommerschen Bauernleben; Philippi suchte seine Stoffe bei den lithauischen Landleuten, Kindler bei den mittelrheinischen, Lasch bei den fränkischen. Letzterer, seit wenigen Jahren zu großem Ruf gelangt, hat einen „Kirmeßgang durch den Buchenwald" und eine „ländliche Brautschmüclung" ausgestellt, beide ausgezeichnet durch die Klarheit und Gesundheit ihres Kolorits, durch die natürlich schlichte Anmuth und kräftige Wahrheit ihrer Gestalten. Nur scheint für ihn die Gefahr nahe zu liegen, durch die zu häufige Wieder¬ holung derselben bäuerlichen Menschentypen monoton zu werden. Er sollte seine Modelle baldmöglichst wechseln. Ich nenne hier noch den originellen Jernberg, einen Coloristen von großer Begabung. Vautiers Talent, so sein und harmonisch seine Farbe jederzeit auch sei, ist kein eigentlich coloristisches wie z. B. bei Kraus. Die glückliche Erfindung, die scharfe Beobachtung der einfachen Natur und ein feiner Takt in der Wahl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/346>, abgerufen am 22.07.2024.