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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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zen des Landes und je länger der Krieg dauert, je mehr muß die Ueberzeugung
in diese Masse dringen, daß ihre Zukunft dabei mit entschieden wird.

Der Mangel an Erhaltungsmitteln betrifft sowohl Nahrung als Kleidung
und Ausrüstung. Der Süden hat bis zum Kriege fast seine ganze Brodfrucht
aus dem Roiter bezogen. Die Negierung hat aber sofort den Anbau von
Mais in großer Menge veranlaßt und dadurch sich vor Hungersnoth gesichert.
Ebenso sind Fabriken aller Art angelegt, um Tuche, Waffen und Munition zu
beschaffen, die früher importirt wurden. Aber diese Notbfabriken sind unzuver¬
lässig und unzureichend und können mit den gleichartigen Anlagen des Nordens
gar nicht concurriren. Sie liefern den Bedarf nicht und dieser kann daher nur
mittelst eines Schleich- und Zwischenhandels gedeckt werden. Die Regierung kämpft
unausgesetzt mit Noth, während ihr Gegner im Ueberflusse schwelgt. Aber diese
Noth steigert die Energie der Regierung, welche alle Dinge mit eiserner Hand
anpackt.

Diese eiserne Hand fehlt dem Norden und der Nordarmee. Während Jeffer-
son D avis, der Präsident des Südens, eine vollständige militärische Erziehung ge¬
nossen hat, in Westpoint wissenschaftlich für den Krieg ausgebildet ist, sich im
Kriege gegen Mexiko ausgezeichnet hat, in allen Staatsämtern routinirt und
selbst Kriegsminister gewesen ist, hat Lincoln als hervorstechende Eigenschaft die
eines selbstgemachten Mannes. 180!) in Kentucky als Sohn eines Hinterwäldlers
geboren, hat er nur sechsmonatlichen Schulunterricht genossen. Er war erst
Arbeiterin einer Sägemühle, dann Ladengehilfe und Bootsmann, bis er endlich
Feldmesser wurde und sich im Mannesalter zum Advocaten ausbildete. Er ließ
sich als solcher in Springfield in Illinois nieder und hat von dort aus, ohne
je mit einer Staatsthätigkeit vertraut gewesen zu sein, den Präsidentenstuhl
bestiegen. Seine Minister sind in den Geschäften ebenso unbewandert und
nur in dem Parteitreiben erfahren-, Seward, der erste Minister, war Führer
der republikanischen Partei. So wenig wie die spilen, so wenig waren die anderen
Schichten der Gesellschaft in ihren Hauptelementen für die Schöpfung der Armee
geeignet. Der Beamte als solcher ist, wie schon bemerkt, in Nordamerika ein
mehr oder minder untergeordnetes Wesen, da er nur aus solchen Leuten sich
rekrutirt, die mangelhaft besoldete Stellen annehmen, weil sie in den so reichlich
lohnenden Privatthätigkeiten nicht vorwärts kommen, ferner weil die Beamten
durch Wahl oder infolge des Wechsels ihrer Vorgesetzten mindestens aller vier
Jahre ihre Stelle zu verlieren Aussicht haben und weil die Verleihung von
Posten durch die Wahl sowohl als auch durch die Vorgesetzten meist nur den
Lohn zweideutiger Dienste im politischen Leben bildet. Selbst zum Präsidenten
der Republik wählte die republikanische Partei nicht einen hervorstechenden Partei¬
führer und Charakter, sondern nur einen Mann, gegen welchen niemand viel
einzuwenden hatte. Der Beamte ist nach amerikanischem Standpunkt nur be-


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zen des Landes und je länger der Krieg dauert, je mehr muß die Ueberzeugung
in diese Masse dringen, daß ihre Zukunft dabei mit entschieden wird.

Der Mangel an Erhaltungsmitteln betrifft sowohl Nahrung als Kleidung
und Ausrüstung. Der Süden hat bis zum Kriege fast seine ganze Brodfrucht
aus dem Roiter bezogen. Die Negierung hat aber sofort den Anbau von
Mais in großer Menge veranlaßt und dadurch sich vor Hungersnoth gesichert.
Ebenso sind Fabriken aller Art angelegt, um Tuche, Waffen und Munition zu
beschaffen, die früher importirt wurden. Aber diese Notbfabriken sind unzuver¬
lässig und unzureichend und können mit den gleichartigen Anlagen des Nordens
gar nicht concurriren. Sie liefern den Bedarf nicht und dieser kann daher nur
mittelst eines Schleich- und Zwischenhandels gedeckt werden. Die Regierung kämpft
unausgesetzt mit Noth, während ihr Gegner im Ueberflusse schwelgt. Aber diese
Noth steigert die Energie der Regierung, welche alle Dinge mit eiserner Hand
anpackt.

Diese eiserne Hand fehlt dem Norden und der Nordarmee. Während Jeffer-
son D avis, der Präsident des Südens, eine vollständige militärische Erziehung ge¬
nossen hat, in Westpoint wissenschaftlich für den Krieg ausgebildet ist, sich im
Kriege gegen Mexiko ausgezeichnet hat, in allen Staatsämtern routinirt und
selbst Kriegsminister gewesen ist, hat Lincoln als hervorstechende Eigenschaft die
eines selbstgemachten Mannes. 180!) in Kentucky als Sohn eines Hinterwäldlers
geboren, hat er nur sechsmonatlichen Schulunterricht genossen. Er war erst
Arbeiterin einer Sägemühle, dann Ladengehilfe und Bootsmann, bis er endlich
Feldmesser wurde und sich im Mannesalter zum Advocaten ausbildete. Er ließ
sich als solcher in Springfield in Illinois nieder und hat von dort aus, ohne
je mit einer Staatsthätigkeit vertraut gewesen zu sein, den Präsidentenstuhl
bestiegen. Seine Minister sind in den Geschäften ebenso unbewandert und
nur in dem Parteitreiben erfahren-, Seward, der erste Minister, war Führer
der republikanischen Partei. So wenig wie die spilen, so wenig waren die anderen
Schichten der Gesellschaft in ihren Hauptelementen für die Schöpfung der Armee
geeignet. Der Beamte als solcher ist, wie schon bemerkt, in Nordamerika ein
mehr oder minder untergeordnetes Wesen, da er nur aus solchen Leuten sich
rekrutirt, die mangelhaft besoldete Stellen annehmen, weil sie in den so reichlich
lohnenden Privatthätigkeiten nicht vorwärts kommen, ferner weil die Beamten
durch Wahl oder infolge des Wechsels ihrer Vorgesetzten mindestens aller vier
Jahre ihre Stelle zu verlieren Aussicht haben und weil die Verleihung von
Posten durch die Wahl sowohl als auch durch die Vorgesetzten meist nur den
Lohn zweideutiger Dienste im politischen Leben bildet. Selbst zum Präsidenten
der Republik wählte die republikanische Partei nicht einen hervorstechenden Partei¬
führer und Charakter, sondern nur einen Mann, gegen welchen niemand viel
einzuwenden hatte. Der Beamte ist nach amerikanischem Standpunkt nur be-


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[0335] zen des Landes und je länger der Krieg dauert, je mehr muß die Ueberzeugung in diese Masse dringen, daß ihre Zukunft dabei mit entschieden wird. Der Mangel an Erhaltungsmitteln betrifft sowohl Nahrung als Kleidung und Ausrüstung. Der Süden hat bis zum Kriege fast seine ganze Brodfrucht aus dem Roiter bezogen. Die Negierung hat aber sofort den Anbau von Mais in großer Menge veranlaßt und dadurch sich vor Hungersnoth gesichert. Ebenso sind Fabriken aller Art angelegt, um Tuche, Waffen und Munition zu beschaffen, die früher importirt wurden. Aber diese Notbfabriken sind unzuver¬ lässig und unzureichend und können mit den gleichartigen Anlagen des Nordens gar nicht concurriren. Sie liefern den Bedarf nicht und dieser kann daher nur mittelst eines Schleich- und Zwischenhandels gedeckt werden. Die Regierung kämpft unausgesetzt mit Noth, während ihr Gegner im Ueberflusse schwelgt. Aber diese Noth steigert die Energie der Regierung, welche alle Dinge mit eiserner Hand anpackt. Diese eiserne Hand fehlt dem Norden und der Nordarmee. Während Jeffer- son D avis, der Präsident des Südens, eine vollständige militärische Erziehung ge¬ nossen hat, in Westpoint wissenschaftlich für den Krieg ausgebildet ist, sich im Kriege gegen Mexiko ausgezeichnet hat, in allen Staatsämtern routinirt und selbst Kriegsminister gewesen ist, hat Lincoln als hervorstechende Eigenschaft die eines selbstgemachten Mannes. 180!) in Kentucky als Sohn eines Hinterwäldlers geboren, hat er nur sechsmonatlichen Schulunterricht genossen. Er war erst Arbeiterin einer Sägemühle, dann Ladengehilfe und Bootsmann, bis er endlich Feldmesser wurde und sich im Mannesalter zum Advocaten ausbildete. Er ließ sich als solcher in Springfield in Illinois nieder und hat von dort aus, ohne je mit einer Staatsthätigkeit vertraut gewesen zu sein, den Präsidentenstuhl bestiegen. Seine Minister sind in den Geschäften ebenso unbewandert und nur in dem Parteitreiben erfahren-, Seward, der erste Minister, war Führer der republikanischen Partei. So wenig wie die spilen, so wenig waren die anderen Schichten der Gesellschaft in ihren Hauptelementen für die Schöpfung der Armee geeignet. Der Beamte als solcher ist, wie schon bemerkt, in Nordamerika ein mehr oder minder untergeordnetes Wesen, da er nur aus solchen Leuten sich rekrutirt, die mangelhaft besoldete Stellen annehmen, weil sie in den so reichlich lohnenden Privatthätigkeiten nicht vorwärts kommen, ferner weil die Beamten durch Wahl oder infolge des Wechsels ihrer Vorgesetzten mindestens aller vier Jahre ihre Stelle zu verlieren Aussicht haben und weil die Verleihung von Posten durch die Wahl sowohl als auch durch die Vorgesetzten meist nur den Lohn zweideutiger Dienste im politischen Leben bildet. Selbst zum Präsidenten der Republik wählte die republikanische Partei nicht einen hervorstechenden Partei¬ führer und Charakter, sondern nur einen Mann, gegen welchen niemand viel einzuwenden hatte. Der Beamte ist nach amerikanischem Standpunkt nur be- 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/335>, abgerufen am 22.07.2024.