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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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sinkt neben seinen vortrefflich gegebenen Generalen zur Unbedeutendheit herab. --
Dem Bilde der Begegnung Wellingtons und Blüchers, gut und klar, wenn
auch gar zu symmetrisch regelrecht componirt, schadet eine im Ton verfehlte
Sonnenuntergangsbeleuchtung so. daß es schwer hält, sich an den tüchtig ge¬
zeichneten Gestalten und Charakteren ungestört zu erfreuen.

Das kleine Genrebild aus dem schleswigschen Kriege: "Observatorium zu
Dunes am Morgen des 18. April" ist durchweg frisch und gelungen, beansprucht
nichts als ein Abbild gesehener Wirklichkeit zu sein, keiner irgend heroischen oder be¬
deutenden, aber doch immerhin interessirenden. und giebt dieselbe geistreich und
wahr. Wrangel, Prinz Karl, der Kronprinz beobachten von jenem Observa¬
torium aus mit Fernröhren den eben begonnenen Angriff auf die düppler
Schanzen jenseits des Meercsarms, der sie von dort trennt. Der Kronprinz
nimmt einer ankommenden Ordonnanz eine gereichte Depesche ab. Es ist eine
klar und lebendig gemalte Illustration, in ihrer Einfachheit aber viel mehr
werth, als sogenannte Historienbilder, welche diesen Titel damit zu erreichen
meinen, daß sie ihren Helden mit einer Art von Hcroenglorie umkleiden, die
seinem Wesen wie den wirklichen Ereignissen keineswegs entspricht. Prof.
Kretzschmer stellt den Prinzen Friedrich Karl dar in der eroberten Schanze
Ur. 4 "den Sturm auf den Brückenkopf leitend". Ohne über die Wirklichkeit
der angenommenen Thatsache zu streiten, scheint es doch wenig gerechtfertigt,
den fürstlichen Führer, dessen ganzes Naturell so anders geartet ist. in so ge-
wichttger idealer Heldenaltitude Posiren zu lassen wie es hier geschieht, und aus
umgebenden Offizieren, Verwundeten, jubelnd auf der Brüstung stehenden
Soldaten jenen wohlbekannten Gruppenbau lebender Bilder aufzuführen, welchen
wenigstens Gegenstände aus so naher und contrvlubarer Vergangenheit von
ihrer künstlerischen Darstellung ausschließen sollten.

Diesen Kriegsbildern sei hier das mit dem kriegerischen Leben, wenn auch
in fernerem und allgemeinerem Zusammenhang siebente liebenswürdige Bild
von Graef angereiht: "Der Abschied vor dem Auszug ins Feld". Preußisch-
lithauische Landwehrmänner, zu den Fahnen einberufen, verlassen das heimath¬
liche Dorf. Am Ausgang desselben säumt noch einer von ihnen, ein junger
starkknochiger Dienstknecht oder Bauernsohn neben seinem geliebten Schatz. Des
Mädchens Hand mit innig verschlungnen Fingern fest in seiner niederhängenden
Linken haltend, schneidet er mit dem Messer in seiner Rechten in die Rinde der
Buche, deren Blätterschatten sich über das junge Paar ausbreitet, zwei ver¬
schlungene Herzen mit einem Schwert dazwischen, ein Denkmal der treuen Liebe
und des bittern Scheidens. In ihrer gesunden Tüchtigkeit sind beide Gestalten
recht zum Gemüth sprechend: er so ernst, fest und brav; sie so schlicht und ehr¬
lich, so treuherzig und ungesucht lieblich, die gesunde junge Gestalt in der kleid-
samen Volkstracht mit dem anmuthigen Köpfchen, in dessen Zügen so viel ans-


sinkt neben seinen vortrefflich gegebenen Generalen zur Unbedeutendheit herab. —
Dem Bilde der Begegnung Wellingtons und Blüchers, gut und klar, wenn
auch gar zu symmetrisch regelrecht componirt, schadet eine im Ton verfehlte
Sonnenuntergangsbeleuchtung so. daß es schwer hält, sich an den tüchtig ge¬
zeichneten Gestalten und Charakteren ungestört zu erfreuen.

Das kleine Genrebild aus dem schleswigschen Kriege: „Observatorium zu
Dunes am Morgen des 18. April" ist durchweg frisch und gelungen, beansprucht
nichts als ein Abbild gesehener Wirklichkeit zu sein, keiner irgend heroischen oder be¬
deutenden, aber doch immerhin interessirenden. und giebt dieselbe geistreich und
wahr. Wrangel, Prinz Karl, der Kronprinz beobachten von jenem Observa¬
torium aus mit Fernröhren den eben begonnenen Angriff auf die düppler
Schanzen jenseits des Meercsarms, der sie von dort trennt. Der Kronprinz
nimmt einer ankommenden Ordonnanz eine gereichte Depesche ab. Es ist eine
klar und lebendig gemalte Illustration, in ihrer Einfachheit aber viel mehr
werth, als sogenannte Historienbilder, welche diesen Titel damit zu erreichen
meinen, daß sie ihren Helden mit einer Art von Hcroenglorie umkleiden, die
seinem Wesen wie den wirklichen Ereignissen keineswegs entspricht. Prof.
Kretzschmer stellt den Prinzen Friedrich Karl dar in der eroberten Schanze
Ur. 4 „den Sturm auf den Brückenkopf leitend". Ohne über die Wirklichkeit
der angenommenen Thatsache zu streiten, scheint es doch wenig gerechtfertigt,
den fürstlichen Führer, dessen ganzes Naturell so anders geartet ist. in so ge-
wichttger idealer Heldenaltitude Posiren zu lassen wie es hier geschieht, und aus
umgebenden Offizieren, Verwundeten, jubelnd auf der Brüstung stehenden
Soldaten jenen wohlbekannten Gruppenbau lebender Bilder aufzuführen, welchen
wenigstens Gegenstände aus so naher und contrvlubarer Vergangenheit von
ihrer künstlerischen Darstellung ausschließen sollten.

Diesen Kriegsbildern sei hier das mit dem kriegerischen Leben, wenn auch
in fernerem und allgemeinerem Zusammenhang siebente liebenswürdige Bild
von Graef angereiht: „Der Abschied vor dem Auszug ins Feld". Preußisch-
lithauische Landwehrmänner, zu den Fahnen einberufen, verlassen das heimath¬
liche Dorf. Am Ausgang desselben säumt noch einer von ihnen, ein junger
starkknochiger Dienstknecht oder Bauernsohn neben seinem geliebten Schatz. Des
Mädchens Hand mit innig verschlungnen Fingern fest in seiner niederhängenden
Linken haltend, schneidet er mit dem Messer in seiner Rechten in die Rinde der
Buche, deren Blätterschatten sich über das junge Paar ausbreitet, zwei ver¬
schlungene Herzen mit einem Schwert dazwischen, ein Denkmal der treuen Liebe
und des bittern Scheidens. In ihrer gesunden Tüchtigkeit sind beide Gestalten
recht zum Gemüth sprechend: er so ernst, fest und brav; sie so schlicht und ehr¬
lich, so treuherzig und ungesucht lieblich, die gesunde junge Gestalt in der kleid-
samen Volkstracht mit dem anmuthigen Köpfchen, in dessen Zügen so viel ans-


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[0315] sinkt neben seinen vortrefflich gegebenen Generalen zur Unbedeutendheit herab. — Dem Bilde der Begegnung Wellingtons und Blüchers, gut und klar, wenn auch gar zu symmetrisch regelrecht componirt, schadet eine im Ton verfehlte Sonnenuntergangsbeleuchtung so. daß es schwer hält, sich an den tüchtig ge¬ zeichneten Gestalten und Charakteren ungestört zu erfreuen. Das kleine Genrebild aus dem schleswigschen Kriege: „Observatorium zu Dunes am Morgen des 18. April" ist durchweg frisch und gelungen, beansprucht nichts als ein Abbild gesehener Wirklichkeit zu sein, keiner irgend heroischen oder be¬ deutenden, aber doch immerhin interessirenden. und giebt dieselbe geistreich und wahr. Wrangel, Prinz Karl, der Kronprinz beobachten von jenem Observa¬ torium aus mit Fernröhren den eben begonnenen Angriff auf die düppler Schanzen jenseits des Meercsarms, der sie von dort trennt. Der Kronprinz nimmt einer ankommenden Ordonnanz eine gereichte Depesche ab. Es ist eine klar und lebendig gemalte Illustration, in ihrer Einfachheit aber viel mehr werth, als sogenannte Historienbilder, welche diesen Titel damit zu erreichen meinen, daß sie ihren Helden mit einer Art von Hcroenglorie umkleiden, die seinem Wesen wie den wirklichen Ereignissen keineswegs entspricht. Prof. Kretzschmer stellt den Prinzen Friedrich Karl dar in der eroberten Schanze Ur. 4 „den Sturm auf den Brückenkopf leitend". Ohne über die Wirklichkeit der angenommenen Thatsache zu streiten, scheint es doch wenig gerechtfertigt, den fürstlichen Führer, dessen ganzes Naturell so anders geartet ist. in so ge- wichttger idealer Heldenaltitude Posiren zu lassen wie es hier geschieht, und aus umgebenden Offizieren, Verwundeten, jubelnd auf der Brüstung stehenden Soldaten jenen wohlbekannten Gruppenbau lebender Bilder aufzuführen, welchen wenigstens Gegenstände aus so naher und contrvlubarer Vergangenheit von ihrer künstlerischen Darstellung ausschließen sollten. Diesen Kriegsbildern sei hier das mit dem kriegerischen Leben, wenn auch in fernerem und allgemeinerem Zusammenhang siebente liebenswürdige Bild von Graef angereiht: „Der Abschied vor dem Auszug ins Feld". Preußisch- lithauische Landwehrmänner, zu den Fahnen einberufen, verlassen das heimath¬ liche Dorf. Am Ausgang desselben säumt noch einer von ihnen, ein junger starkknochiger Dienstknecht oder Bauernsohn neben seinem geliebten Schatz. Des Mädchens Hand mit innig verschlungnen Fingern fest in seiner niederhängenden Linken haltend, schneidet er mit dem Messer in seiner Rechten in die Rinde der Buche, deren Blätterschatten sich über das junge Paar ausbreitet, zwei ver¬ schlungene Herzen mit einem Schwert dazwischen, ein Denkmal der treuen Liebe und des bittern Scheidens. In ihrer gesunden Tüchtigkeit sind beide Gestalten recht zum Gemüth sprechend: er so ernst, fest und brav; sie so schlicht und ehr¬ lich, so treuherzig und ungesucht lieblich, die gesunde junge Gestalt in der kleid- samen Volkstracht mit dem anmuthigen Köpfchen, in dessen Zügen so viel ans-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/315>, abgerufen am 22.07.2024.