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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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teristisch. Man soll einem Theil der Mittelstädten den Ruhm nicht schmälern,
in dieser Angelegenheit den Forderungen der Nation anfangs einen kräftigen
Ausdruck gegeben zu haben. Man wird aber auch zugeben müssen, daß sie sich
unfähig gezeigt haben, etwas Erhebliches zur Realisirung ihrer guten Wünsche
zu thun. Das Eine wie das Andere ist aber auch ganz natürlich und den Ver¬
hältnissen entsprechend. Einem stärkern Druck der öffentlichen Meinung müssen
die Mittelstädten zunächst sich fügen. starker aber noch als dieser Druck wirkt der¬
jenige, den die beiden Großmächte ausüben. Die öffentliche Meinung allerdings
hat Großes geleistet, aber nicht dadurch, daß sie die mittelstaatlichen Regierungen
fortgerissen hat, sondern dadurch, daß sie Preußen nöthigte, sie mit dem
einzig wirksamen Mittel, mit den Waffen, zu vertreten. Daß Preußen
für die nationale Auffassung der Sache eintreten mußte, daß es Oestreich zur
Theilnahme am Handeln nöthigte (denn daß Oestreich sich nur deshalb an der
Action betheiligt hat, weil es Preußens Aufforderung nicht ablehnen konnte,
werden ja auch wohl unsre Gegner nicht bestreiten), nur dadurch sind die Her-
zogthümer befreit worden. Ob Preußen von Anfang an die Trennung der Her-
zogthümer von Dänemark im Auge gehabt hat oder ob es durch den Gang
der Begebenheiten veranlaßt worden ist, seine Forderungen successive höher zu
spannen, darauf kommt hier gar nichts an. Das Wesentliche und für die Be¬
urtheilung der deutsche" Machtverhältnisse Entscheidende ist: Preußen mußte
handeln und konnte handeln; es mußte in nationaler Richtung handeln, und
einmal engagirt, wurde es durch die Erfolge seiner Waffen dahin gebracht, den
vollen Inhalt der nationalen Forderungen zu erzwingen. Ob dieser Erfolg
vom Beginne des Krieges an beabsichtigt gewesen ist oder nicht, dies, wie
gesagt, ist nicht das Wichtigere. Die Mittclstaatcn dagegen, auch bei dem
besten Willen, konnten nichts ausrichten, da eine Vielheit selbständiger Kör.
perschaften gelegentlich wohl gemeinsam empfinden und wünschen, nicht aber
gemeinsam handeln kann. Das Höchste, wozu es der Bundestag bringen
konnte, sind correcte Beschlüsse gewesen; zu einer Action hat er sich nicht auf¬
geschwungen; ja man sagt nicht zu viel, wenn man behauptet, daß er eine
entschiedene Scheu vor jedem Beschluß gehabt hat, der zu einer Action
hätte führen können. Dies würde natürlich nickt anders werden, wenn die
Triasvcrfassung decretirte, daß die Mittel - und Kleinstaaten eine" einheitlichen
Körper bilden sollten; ein derartiges Decret würde einfach keinen Erfolg haben;
weder die wittelsbachische noch die welfische Macht würde sich dazu Verstehen,
ihrem "historischen" Berufe untreu zu werden. Warum haben die Mittclstaatcn
die gute Gelegenheit vorübergehen lassen, sich als Ganzes zu constituiren? Die
Landesverfassung hätte sie nicht gehindert, die Trias als vollendete Thatsache
aus dem deutsch-dänischen Conflicte hervorgehen zu lassen. Was aber bei den
allergünstigsten Umständen, die sich überhaupt denken lassen, in einem Momente.


teristisch. Man soll einem Theil der Mittelstädten den Ruhm nicht schmälern,
in dieser Angelegenheit den Forderungen der Nation anfangs einen kräftigen
Ausdruck gegeben zu haben. Man wird aber auch zugeben müssen, daß sie sich
unfähig gezeigt haben, etwas Erhebliches zur Realisirung ihrer guten Wünsche
zu thun. Das Eine wie das Andere ist aber auch ganz natürlich und den Ver¬
hältnissen entsprechend. Einem stärkern Druck der öffentlichen Meinung müssen
die Mittelstädten zunächst sich fügen. starker aber noch als dieser Druck wirkt der¬
jenige, den die beiden Großmächte ausüben. Die öffentliche Meinung allerdings
hat Großes geleistet, aber nicht dadurch, daß sie die mittelstaatlichen Regierungen
fortgerissen hat, sondern dadurch, daß sie Preußen nöthigte, sie mit dem
einzig wirksamen Mittel, mit den Waffen, zu vertreten. Daß Preußen
für die nationale Auffassung der Sache eintreten mußte, daß es Oestreich zur
Theilnahme am Handeln nöthigte (denn daß Oestreich sich nur deshalb an der
Action betheiligt hat, weil es Preußens Aufforderung nicht ablehnen konnte,
werden ja auch wohl unsre Gegner nicht bestreiten), nur dadurch sind die Her-
zogthümer befreit worden. Ob Preußen von Anfang an die Trennung der Her-
zogthümer von Dänemark im Auge gehabt hat oder ob es durch den Gang
der Begebenheiten veranlaßt worden ist, seine Forderungen successive höher zu
spannen, darauf kommt hier gar nichts an. Das Wesentliche und für die Be¬
urtheilung der deutsche» Machtverhältnisse Entscheidende ist: Preußen mußte
handeln und konnte handeln; es mußte in nationaler Richtung handeln, und
einmal engagirt, wurde es durch die Erfolge seiner Waffen dahin gebracht, den
vollen Inhalt der nationalen Forderungen zu erzwingen. Ob dieser Erfolg
vom Beginne des Krieges an beabsichtigt gewesen ist oder nicht, dies, wie
gesagt, ist nicht das Wichtigere. Die Mittclstaatcn dagegen, auch bei dem
besten Willen, konnten nichts ausrichten, da eine Vielheit selbständiger Kör.
perschaften gelegentlich wohl gemeinsam empfinden und wünschen, nicht aber
gemeinsam handeln kann. Das Höchste, wozu es der Bundestag bringen
konnte, sind correcte Beschlüsse gewesen; zu einer Action hat er sich nicht auf¬
geschwungen; ja man sagt nicht zu viel, wenn man behauptet, daß er eine
entschiedene Scheu vor jedem Beschluß gehabt hat, der zu einer Action
hätte führen können. Dies würde natürlich nickt anders werden, wenn die
Triasvcrfassung decretirte, daß die Mittel - und Kleinstaaten eine» einheitlichen
Körper bilden sollten; ein derartiges Decret würde einfach keinen Erfolg haben;
weder die wittelsbachische noch die welfische Macht würde sich dazu Verstehen,
ihrem „historischen" Berufe untreu zu werden. Warum haben die Mittclstaatcn
die gute Gelegenheit vorübergehen lassen, sich als Ganzes zu constituiren? Die
Landesverfassung hätte sie nicht gehindert, die Trias als vollendete Thatsache
aus dem deutsch-dänischen Conflicte hervorgehen zu lassen. Was aber bei den
allergünstigsten Umständen, die sich überhaupt denken lassen, in einem Momente.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/303>, abgerufen am 22.07.2024.