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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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in Dresden, wohin ihn Kaiser Alexander eingeladen hatte, konnte er nur aus¬
weichende Erklärungen abgeben. Der König billigte sein Benehmen und da
man zugleich in Regensburg zuverlässige Kunde erhielt, daß sich eine große
Anzahl junger Leute aus den ersten Familien nur mit Mühe von dem Eintritt
in die von den Befreiern Deutschlands errichteten Freicorps abhalten ließen,
wurde dem General Thielmann.und den Mitgliedern der Jmmediatcommission der
bevorstehende Abschluß einer engen Verbindung mit Oestreich und die Absicht
der Uebersiedlung nach Prag als Grund mitgetheilt, um einen vorzeitigen Bruch
zu vermeiden, welcher einen Schatten auf die Würde der Regierung und den
Charakter der sächsischen Nation werfen würde.

Der König reiste am 20. April nach Linz ab, nachdem er noch an den
Kaiser Napoleon ein Schreiben gerichtet hatte, in weichem er ihm anzeigte, daß
er, ganz einverstanden mit den ihm bekannten Ansichten des Kaisers von Oest¬
reich, über den allgemeinen Frieden nicht länger zögere, das ihm in Prag an¬
gebotene Asyl anzunehmen, und daß er. indem er sich seinen Staaten wieder
nähere, sich in den Stand zu setzen glaube, dem guten Geist seiner Unterthanen
eine Stütze zu geben gegen den fremden Einfluß, der sich bemühe ihn zu fäl¬
schen. Am andern Tage folgte ihm Hr. v. Senfft und wenige Stunden nach
ihm traf von Wien ein sächsischer Legationsrath mit der von Herrn v. Watz-
dorf unterzeichneten Convention ein. Sämmtliche Stipulationen sollten geheim
bleiben, wie es Oestreich gewünscht hatte, und da dies vom König schon voraus
bedingungsweise genehmigt war, so fand die Ratifikation keine weiteren
Schwierigkeiten und ging sofort nach Wien zurück. Dorthin begab sich auch
im Geheimen Herr v. Senfft, um sich Angesichts der neuen Wendung der
sächsischen Politik mit dem Grafen Metternich noch weiter zu verständigen und
hauptsächlich die nun mit Preußen und Rußland anzuknüpfenden Beziehungen
zu besprechen. Die Unterredung, die er mit dem Grafen in dessen Garten am
23. April hatte, befriedigte ihn nicht ganz. Es wurde ihm nicht schwer heraus¬
zufühlen, daß Oestreich gar nicht ernstlich auf Frieden hoffte und gar keine
festen Beschlüsse über die vorzuschlagenden Bedingungen gefaßt hatte, daß es
vielmehr schon so gut wie entschieden war, am Kriege theilzunehmen, nur
wünschte es noch Zeit zu gewinnen, da es mit seinen Rüstungen vor Ende Mai
nicht fertig sein konnte. Daher verlangte Oestreich vom sächsischen Cabinet,
ohne ihm verwehren zu wollen, mit Preußen und Rußland die von den Um¬
ständen gebotenen Beziehungen anzuknüpfen, daß es mit der größten Sorgfalt
alles vermeide, was zu einem Bruch mit Frankreich führen könne. Herr v.
Senfft verhehlte sich nicht, daß diese Rückhaltigkeit, die Sachsen eine offene Er¬
klärung über seine Stellung verwehrte, dem Kaiser der Franzosen Gelegenheit
gab, gegen das sächsische Cabinet eine Sprache zu führen, die er sich gegen den
offenkundiger Verbündeten Oestreichs nicht erlaubt haben würde. Ebenso wurde


in Dresden, wohin ihn Kaiser Alexander eingeladen hatte, konnte er nur aus¬
weichende Erklärungen abgeben. Der König billigte sein Benehmen und da
man zugleich in Regensburg zuverlässige Kunde erhielt, daß sich eine große
Anzahl junger Leute aus den ersten Familien nur mit Mühe von dem Eintritt
in die von den Befreiern Deutschlands errichteten Freicorps abhalten ließen,
wurde dem General Thielmann.und den Mitgliedern der Jmmediatcommission der
bevorstehende Abschluß einer engen Verbindung mit Oestreich und die Absicht
der Uebersiedlung nach Prag als Grund mitgetheilt, um einen vorzeitigen Bruch
zu vermeiden, welcher einen Schatten auf die Würde der Regierung und den
Charakter der sächsischen Nation werfen würde.

Der König reiste am 20. April nach Linz ab, nachdem er noch an den
Kaiser Napoleon ein Schreiben gerichtet hatte, in weichem er ihm anzeigte, daß
er, ganz einverstanden mit den ihm bekannten Ansichten des Kaisers von Oest¬
reich, über den allgemeinen Frieden nicht länger zögere, das ihm in Prag an¬
gebotene Asyl anzunehmen, und daß er. indem er sich seinen Staaten wieder
nähere, sich in den Stand zu setzen glaube, dem guten Geist seiner Unterthanen
eine Stütze zu geben gegen den fremden Einfluß, der sich bemühe ihn zu fäl¬
schen. Am andern Tage folgte ihm Hr. v. Senfft und wenige Stunden nach
ihm traf von Wien ein sächsischer Legationsrath mit der von Herrn v. Watz-
dorf unterzeichneten Convention ein. Sämmtliche Stipulationen sollten geheim
bleiben, wie es Oestreich gewünscht hatte, und da dies vom König schon voraus
bedingungsweise genehmigt war, so fand die Ratifikation keine weiteren
Schwierigkeiten und ging sofort nach Wien zurück. Dorthin begab sich auch
im Geheimen Herr v. Senfft, um sich Angesichts der neuen Wendung der
sächsischen Politik mit dem Grafen Metternich noch weiter zu verständigen und
hauptsächlich die nun mit Preußen und Rußland anzuknüpfenden Beziehungen
zu besprechen. Die Unterredung, die er mit dem Grafen in dessen Garten am
23. April hatte, befriedigte ihn nicht ganz. Es wurde ihm nicht schwer heraus¬
zufühlen, daß Oestreich gar nicht ernstlich auf Frieden hoffte und gar keine
festen Beschlüsse über die vorzuschlagenden Bedingungen gefaßt hatte, daß es
vielmehr schon so gut wie entschieden war, am Kriege theilzunehmen, nur
wünschte es noch Zeit zu gewinnen, da es mit seinen Rüstungen vor Ende Mai
nicht fertig sein konnte. Daher verlangte Oestreich vom sächsischen Cabinet,
ohne ihm verwehren zu wollen, mit Preußen und Rußland die von den Um¬
ständen gebotenen Beziehungen anzuknüpfen, daß es mit der größten Sorgfalt
alles vermeide, was zu einem Bruch mit Frankreich führen könne. Herr v.
Senfft verhehlte sich nicht, daß diese Rückhaltigkeit, die Sachsen eine offene Er¬
klärung über seine Stellung verwehrte, dem Kaiser der Franzosen Gelegenheit
gab, gegen das sächsische Cabinet eine Sprache zu führen, die er sich gegen den
offenkundiger Verbündeten Oestreichs nicht erlaubt haben würde. Ebenso wurde


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[0259] in Dresden, wohin ihn Kaiser Alexander eingeladen hatte, konnte er nur aus¬ weichende Erklärungen abgeben. Der König billigte sein Benehmen und da man zugleich in Regensburg zuverlässige Kunde erhielt, daß sich eine große Anzahl junger Leute aus den ersten Familien nur mit Mühe von dem Eintritt in die von den Befreiern Deutschlands errichteten Freicorps abhalten ließen, wurde dem General Thielmann.und den Mitgliedern der Jmmediatcommission der bevorstehende Abschluß einer engen Verbindung mit Oestreich und die Absicht der Uebersiedlung nach Prag als Grund mitgetheilt, um einen vorzeitigen Bruch zu vermeiden, welcher einen Schatten auf die Würde der Regierung und den Charakter der sächsischen Nation werfen würde. Der König reiste am 20. April nach Linz ab, nachdem er noch an den Kaiser Napoleon ein Schreiben gerichtet hatte, in weichem er ihm anzeigte, daß er, ganz einverstanden mit den ihm bekannten Ansichten des Kaisers von Oest¬ reich, über den allgemeinen Frieden nicht länger zögere, das ihm in Prag an¬ gebotene Asyl anzunehmen, und daß er. indem er sich seinen Staaten wieder nähere, sich in den Stand zu setzen glaube, dem guten Geist seiner Unterthanen eine Stütze zu geben gegen den fremden Einfluß, der sich bemühe ihn zu fäl¬ schen. Am andern Tage folgte ihm Hr. v. Senfft und wenige Stunden nach ihm traf von Wien ein sächsischer Legationsrath mit der von Herrn v. Watz- dorf unterzeichneten Convention ein. Sämmtliche Stipulationen sollten geheim bleiben, wie es Oestreich gewünscht hatte, und da dies vom König schon voraus bedingungsweise genehmigt war, so fand die Ratifikation keine weiteren Schwierigkeiten und ging sofort nach Wien zurück. Dorthin begab sich auch im Geheimen Herr v. Senfft, um sich Angesichts der neuen Wendung der sächsischen Politik mit dem Grafen Metternich noch weiter zu verständigen und hauptsächlich die nun mit Preußen und Rußland anzuknüpfenden Beziehungen zu besprechen. Die Unterredung, die er mit dem Grafen in dessen Garten am 23. April hatte, befriedigte ihn nicht ganz. Es wurde ihm nicht schwer heraus¬ zufühlen, daß Oestreich gar nicht ernstlich auf Frieden hoffte und gar keine festen Beschlüsse über die vorzuschlagenden Bedingungen gefaßt hatte, daß es vielmehr schon so gut wie entschieden war, am Kriege theilzunehmen, nur wünschte es noch Zeit zu gewinnen, da es mit seinen Rüstungen vor Ende Mai nicht fertig sein konnte. Daher verlangte Oestreich vom sächsischen Cabinet, ohne ihm verwehren zu wollen, mit Preußen und Rußland die von den Um¬ ständen gebotenen Beziehungen anzuknüpfen, daß es mit der größten Sorgfalt alles vermeide, was zu einem Bruch mit Frankreich führen könne. Herr v. Senfft verhehlte sich nicht, daß diese Rückhaltigkeit, die Sachsen eine offene Er¬ klärung über seine Stellung verwehrte, dem Kaiser der Franzosen Gelegenheit gab, gegen das sächsische Cabinet eine Sprache zu führen, die er sich gegen den offenkundiger Verbündeten Oestreichs nicht erlaubt haben würde. Ebenso wurde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/259>, abgerufen am 23.07.2024.