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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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es von selbst erst zur Neutralität und dann zum Krieg gegen diejenige der Mächte
übergehen, die sich mit den von ihm vorgeschlagenen Friedensbedingungen nicht
einverstanden erklären würde. Dieses letzte Ziel seiner Politik mußte es aber
noch verhüllen, weil es in seinen militärischen Rüstungen noch zu weit zurück
war. Dennoch ließen die Jnstructionen, die der Fürst Schwarzenberg bei seuicr
Rückkehr nach Paris erhielt, und von denen man dem sächsischen Gesandren >n
Wien, Hrn. v. Watzdorf, einen Auszug mittheilte, keinen Zweifel über ferne
letzten Absichten; denn ihr in allgemeinen Ausdrücken sich bewegender Inhalt
zeigte, daß Oestreich im Wesentlichen mit den Verbündeten bereits einig war
und nur noch Zeit zu gewinnen suchte. Tue Herausgabe der dem fran¬
zösischen Reich incorporirten Mündungen der Ems, Weser und Elbe, die Un¬
abhängigkeit Deutschlands unter der Garantie aller Mächte, die Consolidirung Preu¬
ßens, das Recht aller Staaten, innerhalb ihrer Grenzen ihre Handelsbeziehungen
nach ihren eigenen Interessen zu regeln, waren die hauptsächlichsten Forderungen,
welche in diesen Jnstructionen als Grundlagen der Vermittlerrolle Oestreichs auf¬
gestellt waren, ohne weitere Oestreich direct zu Gute kommende auszuschließen, von
denen dle der Rückerstattung der illyrischen Provinzen beim allgemeinen Frieden
durch einen geheimen Artikel des ÄllianzvcrtrageS vom 14. März 1812 bereis zuge¬
standen war. Hr. v. Senfft bedauerte, baß mit dem Einlenken Oestreichs in orese
Politik die letzte Gelegenheit verschwand, Deutschland unter einem Oberhaupt zu
vereinigen und Preußen auf den Standpunkt einer Macht dritten Ranges, auf
gleiche Stufe mit Sachsen und Bayern zurückzudrängen. Er sagt zugleich, Vor¬
stellungen in dieser Richtung wären auch in Wien nicht gespart worden, und man
kann wohl, ohne der Verläumdung bezüchtigt zu werden, voraussetzen, daß sie von
Sachsen gemacht worden sind, denn kein .anderer Rheinbundsstaat stand damals mit
dem östreichischen.Eabinet in Verhandlung. Oder sollte vielleicht Gras Münster ge¬
meint sein, der allerdings im hannöverschen Interesse mit Vergrößerungspläncn
auf Kosten Preußens am linken Eloufer schwanger ging?

Wir können dies hier um so eher unerörtert lassen, als es bei dem Be¬
dauern blieb und Hr. v. Senfft schließlich fand, daß die angedeuteten Grund¬
lagen der Billigkeit angemessen und geeignet waren, den Anschluß Sachsens an
die östreichische Politik zu rechtfertigen. Da diesmal Hr. v. Senfft beim Gra¬
fen Marcolini, dem General Langenau und selbst bei dem ehemals eifrig fran¬
zösisch gesinnten General Gersdorf Unterstützung fand, so schwankte an i) der
König nicht länger und man erwartete nur noch die Ankunft des Fürsten Ester-
hazy, dessen Abreise mit neuen Jnstructionen von Wien bereits angezeigt war.
Er erschien am 16. April, ermächtigt, einen geheimen Vertrag vorzuschlagen,
durch welchen Sachsen sich verpflichtete, 1) seine Mittel "ut denen Oestreichs zu
vereinigen, um das von diesem angenommene auf die Wiederherstellung eines
allgemeinen Friedens hinzielende System zu unterstützen, 2) uicht am Kriege


es von selbst erst zur Neutralität und dann zum Krieg gegen diejenige der Mächte
übergehen, die sich mit den von ihm vorgeschlagenen Friedensbedingungen nicht
einverstanden erklären würde. Dieses letzte Ziel seiner Politik mußte es aber
noch verhüllen, weil es in seinen militärischen Rüstungen noch zu weit zurück
war. Dennoch ließen die Jnstructionen, die der Fürst Schwarzenberg bei seuicr
Rückkehr nach Paris erhielt, und von denen man dem sächsischen Gesandren >n
Wien, Hrn. v. Watzdorf, einen Auszug mittheilte, keinen Zweifel über ferne
letzten Absichten; denn ihr in allgemeinen Ausdrücken sich bewegender Inhalt
zeigte, daß Oestreich im Wesentlichen mit den Verbündeten bereits einig war
und nur noch Zeit zu gewinnen suchte. Tue Herausgabe der dem fran¬
zösischen Reich incorporirten Mündungen der Ems, Weser und Elbe, die Un¬
abhängigkeit Deutschlands unter der Garantie aller Mächte, die Consolidirung Preu¬
ßens, das Recht aller Staaten, innerhalb ihrer Grenzen ihre Handelsbeziehungen
nach ihren eigenen Interessen zu regeln, waren die hauptsächlichsten Forderungen,
welche in diesen Jnstructionen als Grundlagen der Vermittlerrolle Oestreichs auf¬
gestellt waren, ohne weitere Oestreich direct zu Gute kommende auszuschließen, von
denen dle der Rückerstattung der illyrischen Provinzen beim allgemeinen Frieden
durch einen geheimen Artikel des ÄllianzvcrtrageS vom 14. März 1812 bereis zuge¬
standen war. Hr. v. Senfft bedauerte, baß mit dem Einlenken Oestreichs in orese
Politik die letzte Gelegenheit verschwand, Deutschland unter einem Oberhaupt zu
vereinigen und Preußen auf den Standpunkt einer Macht dritten Ranges, auf
gleiche Stufe mit Sachsen und Bayern zurückzudrängen. Er sagt zugleich, Vor¬
stellungen in dieser Richtung wären auch in Wien nicht gespart worden, und man
kann wohl, ohne der Verläumdung bezüchtigt zu werden, voraussetzen, daß sie von
Sachsen gemacht worden sind, denn kein .anderer Rheinbundsstaat stand damals mit
dem östreichischen.Eabinet in Verhandlung. Oder sollte vielleicht Gras Münster ge¬
meint sein, der allerdings im hannöverschen Interesse mit Vergrößerungspläncn
auf Kosten Preußens am linken Eloufer schwanger ging?

Wir können dies hier um so eher unerörtert lassen, als es bei dem Be¬
dauern blieb und Hr. v. Senfft schließlich fand, daß die angedeuteten Grund¬
lagen der Billigkeit angemessen und geeignet waren, den Anschluß Sachsens an
die östreichische Politik zu rechtfertigen. Da diesmal Hr. v. Senfft beim Gra¬
fen Marcolini, dem General Langenau und selbst bei dem ehemals eifrig fran¬
zösisch gesinnten General Gersdorf Unterstützung fand, so schwankte an i) der
König nicht länger und man erwartete nur noch die Ankunft des Fürsten Ester-
hazy, dessen Abreise mit neuen Jnstructionen von Wien bereits angezeigt war.
Er erschien am 16. April, ermächtigt, einen geheimen Vertrag vorzuschlagen,
durch welchen Sachsen sich verpflichtete, 1) seine Mittel »ut denen Oestreichs zu
vereinigen, um das von diesem angenommene auf die Wiederherstellung eines
allgemeinen Friedens hinzielende System zu unterstützen, 2) uicht am Kriege


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/257>, abgerufen am 23.07.2024.