Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.Neuerungssucht, vor seinen Plänen, die er ausschweifend fand, vor seiner Un- Graf Marcolini gab besonders viel auf seinen Einfluß im Finanzdeparte¬ Neuerungssucht, vor seinen Plänen, die er ausschweifend fand, vor seiner Un- Graf Marcolini gab besonders viel auf seinen Einfluß im Finanzdeparte¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189875"/> <p xml:id="ID_929" prev="#ID_928"> Neuerungssucht, vor seinen Plänen, die er ausschweifend fand, vor seiner Un-<lb/> bekanntschaft mit den Verhältnissen und dem Verwaltungspersonale Sachsens.<lb/> Er verhinderte, daß Herr v. Senfft einige Persönlichkeiten in den sächsischen<lb/> Staatsdienst zog, welche ihn bei den Reformen, die seiner neuen Politik zur<lb/> Grundlage dienen sollten, unterstütze!', konnten. Später, in dem kritischen<lb/> Wendepunkt, war er es wieder, der vorwiegenden Einfluß auf den König aus¬<lb/> übte. Fein genug, um zu bemerken, daß der Stern Napoleons im Sinken<lb/> War, stand er anfangs auf der Seite des Herrn v> Senfft. Aber der Ausgang<lb/> der Schlacht bei Lützen machte einen solchen Eindruck aus seinen zaghaften<lb/> Charakter, daß hauptsächlich er den König zur übereilten Umkehr bewog. Wir<lb/> geben das Charakterbild dieses Mannes nach den Worten des Originals aus¬<lb/> führlicher, als es der unmittelbare Zweck unserer Darstellung erfordert, um bei<lb/> dieser Gelegenheit dem Leser eine Probe der Porträtirkunst des Herrn v. Senfft<lb/> vorzulegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_930" next="#ID_931"> Graf Marcolini gab besonders viel auf seinen Einfluß im Finanzdeparte¬<lb/> ment. Der große Haufe in Sachsen sagte ihm nach, daß er diesen Einfluß<lb/> für sein Privatinteresse aufhenke, aber wenn er auch nicht genug Zartgefühl<lb/> und Seelengröße besaß, um die kleinen Gewinne zu verschmähen, die sich zu<lb/> Verschaffen ihm seine Stellung Gelegenheit gab, und wenn einige dieser Vor¬<lb/> theile auch dem Publicum ein Geheimniß blieben, so genoß er doch keinen der¬<lb/> selben ohne Wissen des Königs und der Antheil, den er an den 60,000 Thlrn.<lb/> hatte, welche die meißener Porzellanfabrik unter seiner Verwaltung kostete, war<lb/> jedenfalls von dem Monarchen sanctionirt. Aber es schmeichelte seiner Eitelkeit,<lb/> wenn die Mitglieder des Finanzrathes in Ermangelung eines Fachchess und<lb/> ohne Hilfe von Seiten eines autoritätslosen Ministers des Innern, der nur<lb/> Teilnahmlosigkeit und Gleichgiltigkeit gegen alle neuen Ideen zeigte, ihn um¬<lb/> drängten und um sein Fürwort für ihre auf Befriedigung des Ehrgeizes<lb/> oder die Förderung des öffentlichen Wohls zielenden Pläne baten. Er glaubte<lb/> so dieses Fach zu beherrschen, in dem wirklich für gewisse Zweige, wie in der<lb/> Von Herrn v. Zeschwitz geleiteten Forstverwaltung, viel Gutes geschah; aber<lb/> gleichzeitig griff in dem Departement eine Anarchie, ein Mangel an Plan und<lb/> Ensemble um sich, die mit der Zeit schlimme Früchte tragen mußten. Mar¬<lb/> colini war im Allgemeinen mit Eifer und Treue seinem Herrn ergeben, dem<lb/> er große Dienste geleistet hatte, vornehmlich in der früheren Jugend; denn er<lb/> hatte dem Prinzen eine auf Entwickelung und Stärkung des Körpers gerichtete<lb/> Erziehung gegeben und seinen Geist in eine Richtung gelenkt, vermöge deren<lb/> der Fürst später, trotz aufrichtiger und sestbegründeter Frömmigkeit doch den<lb/> Geistlichen, so sehr sie sein Vertrauen besaßen, niemals einen unmittelbaren<lb/> Einfluß auf die Staatsgeschäfte einräumte. Die Natur hatte den Grafen Mar¬<lb/> colini mit Feinheit und hervorragendem Verstände ausgestattet, der, durch kein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
Neuerungssucht, vor seinen Plänen, die er ausschweifend fand, vor seiner Un-
bekanntschaft mit den Verhältnissen und dem Verwaltungspersonale Sachsens.
Er verhinderte, daß Herr v. Senfft einige Persönlichkeiten in den sächsischen
Staatsdienst zog, welche ihn bei den Reformen, die seiner neuen Politik zur
Grundlage dienen sollten, unterstütze!', konnten. Später, in dem kritischen
Wendepunkt, war er es wieder, der vorwiegenden Einfluß auf den König aus¬
übte. Fein genug, um zu bemerken, daß der Stern Napoleons im Sinken
War, stand er anfangs auf der Seite des Herrn v> Senfft. Aber der Ausgang
der Schlacht bei Lützen machte einen solchen Eindruck aus seinen zaghaften
Charakter, daß hauptsächlich er den König zur übereilten Umkehr bewog. Wir
geben das Charakterbild dieses Mannes nach den Worten des Originals aus¬
führlicher, als es der unmittelbare Zweck unserer Darstellung erfordert, um bei
dieser Gelegenheit dem Leser eine Probe der Porträtirkunst des Herrn v. Senfft
vorzulegen.
Graf Marcolini gab besonders viel auf seinen Einfluß im Finanzdeparte¬
ment. Der große Haufe in Sachsen sagte ihm nach, daß er diesen Einfluß
für sein Privatinteresse aufhenke, aber wenn er auch nicht genug Zartgefühl
und Seelengröße besaß, um die kleinen Gewinne zu verschmähen, die sich zu
Verschaffen ihm seine Stellung Gelegenheit gab, und wenn einige dieser Vor¬
theile auch dem Publicum ein Geheimniß blieben, so genoß er doch keinen der¬
selben ohne Wissen des Königs und der Antheil, den er an den 60,000 Thlrn.
hatte, welche die meißener Porzellanfabrik unter seiner Verwaltung kostete, war
jedenfalls von dem Monarchen sanctionirt. Aber es schmeichelte seiner Eitelkeit,
wenn die Mitglieder des Finanzrathes in Ermangelung eines Fachchess und
ohne Hilfe von Seiten eines autoritätslosen Ministers des Innern, der nur
Teilnahmlosigkeit und Gleichgiltigkeit gegen alle neuen Ideen zeigte, ihn um¬
drängten und um sein Fürwort für ihre auf Befriedigung des Ehrgeizes
oder die Förderung des öffentlichen Wohls zielenden Pläne baten. Er glaubte
so dieses Fach zu beherrschen, in dem wirklich für gewisse Zweige, wie in der
Von Herrn v. Zeschwitz geleiteten Forstverwaltung, viel Gutes geschah; aber
gleichzeitig griff in dem Departement eine Anarchie, ein Mangel an Plan und
Ensemble um sich, die mit der Zeit schlimme Früchte tragen mußten. Mar¬
colini war im Allgemeinen mit Eifer und Treue seinem Herrn ergeben, dem
er große Dienste geleistet hatte, vornehmlich in der früheren Jugend; denn er
hatte dem Prinzen eine auf Entwickelung und Stärkung des Körpers gerichtete
Erziehung gegeben und seinen Geist in eine Richtung gelenkt, vermöge deren
der Fürst später, trotz aufrichtiger und sestbegründeter Frömmigkeit doch den
Geistlichen, so sehr sie sein Vertrauen besaßen, niemals einen unmittelbaren
Einfluß auf die Staatsgeschäfte einräumte. Die Natur hatte den Grafen Mar¬
colini mit Feinheit und hervorragendem Verstände ausgestattet, der, durch kein
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