Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.AIs Friedrich August noch Kurfürst war,- hatte er in seinen Beziehungen Man wird zugeben müssen, daß, wenn jemals ein Staatsmann den rich¬ Einen Hauvtgegncr mehr seines Einflusses als seiner Pläne fand Herr AIs Friedrich August noch Kurfürst war,- hatte er in seinen Beziehungen Man wird zugeben müssen, daß, wenn jemals ein Staatsmann den rich¬ Einen Hauvtgegncr mehr seines Einflusses als seiner Pläne fand Herr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0250" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189874"/> <p xml:id="ID_926"> AIs Friedrich August noch Kurfürst war,- hatte er in seinen Beziehungen<lb/> zum deutschen Reiche ein bequemes Mittet gefunden, seine Politik durch einen<lb/> juristischen Denkproccß zu bestimmen, der sein Gewissen beruhigte. Von dieser<lb/> zur Gewohnheit gewordenen Abhängigkeit befreit, glaubte er sie ersetzt zu sehen<lb/> durch den französischen Schuh und beugte willig sein Haupt unter das Joch<lb/> des Kaisers Napoleon. Herr v. Senfft hatte diese Haltung dem Einflüsse des<lb/> frühern auswärtigen Ministers, Herrn v. Bose, zugeschrieben, aber dabei den<lb/> Antheil dieses Einflusses überschätzt. Er trug sich mit dem Plane, eine neue<lb/> Ccntralmacht in Europa zu begründen, und für diesen Zweck sowohl die Mittel<lb/> zu verwenden, welche die Cultur und der Reichthum Sachsens darboten, wie<lb/> den Keim zu künftigen großen Unternehmungen, der sich in Polen zu zeigen<lb/> schien. Er verzweifelte an Preußen, welches damals in der Politik, wie in<lb/> der Verwaltung sich in unsicherem Experimentiren erging und außer Stande<lb/> zu sein schien, sich jemals von seinen Verlusten und hauptsächlich von der<lb/> Schmach des Jahres 1806 zu erholen. Er sah Frankreich mit Rußland ver¬<lb/> bunden, und der Herrschaft, welche Napoleons Geist damals über den Kaiser<lb/> Alexander ausübte, schien noch eine lange Dauer bestimmt; denn wer<lb/> hätte damals die wahnwitzige Politik voraussehen können, welche den Kaiser<lb/> der Franzosen verlockte, diesen Zauber, die Bürgschaft seiner unumschränkten<lb/> Gewalt über die andere Hälfte Europas, selbst zu brechen! Wollte man nicht<lb/> an der Freiheit des europäischen Staatensystems verzweifeln, so blieb also nichts<lb/> übrig als ein Bündniß zwischen Oestreich, Schweden und England gegen Frank¬<lb/> reich und Nußland, ein Bündniß, dessen vornehmster Hebel der allgemeine Auf¬<lb/> stand der polnischen Nation so wie eine gut geleitete Diversion von Seiten<lb/> der Türken war, combinirt mit den Erfolgen der Spanier und der Stimmung<lb/> der deutschen Bevölkerungen, die bereit waren ihre Ketten zu brechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_927"> Man wird zugeben müssen, daß, wenn jemals ein Staatsmann den rich¬<lb/> tigen Maßstab für die ihn umgebenden Verhältnisse verloren hat, es Herr<lb/> v. Senfft gewesen ist. Ueber seinen ins Weite schweifenden Combinationen<lb/> vergißt er ganz und gar, daß der in scheuer Furcht vor Napoleon sich jedem<lb/> Gebote Frankreichs unbedingt fügende und jedem aus dem herkömmlichen Ge¬<lb/> leise heraustretenden Schritt abholde König für eine solche Politik schlechterdings<lb/> nicht zu brauchen, daß das Verhältniß Sachsens zu Polen ein sehr unsicheres<lb/> und die dort für Sachsen zu begründende Macht eine rein chimärische war und<lb/> daß Sachsen ohne den von dort erwarteten Machtzuwachs die Ereignisse nicht<lb/> bestimmen konnte, sondern ihnen folgen mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_928" next="#ID_929"> Einen Hauvtgegncr mehr seines Einflusses als seiner Pläne fand Herr<lb/> v. Senfft in dem Grafen Marcolini. Schon während er bereits als designirter<lb/> Minister des Auswärtigen in Paris noch aus sein Abberufungsschreiben war¬<lb/> tete, hatte der Gras in Dresden ihm entgegengearbeitet. Er warnte vor seiner</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0250]
AIs Friedrich August noch Kurfürst war,- hatte er in seinen Beziehungen
zum deutschen Reiche ein bequemes Mittet gefunden, seine Politik durch einen
juristischen Denkproccß zu bestimmen, der sein Gewissen beruhigte. Von dieser
zur Gewohnheit gewordenen Abhängigkeit befreit, glaubte er sie ersetzt zu sehen
durch den französischen Schuh und beugte willig sein Haupt unter das Joch
des Kaisers Napoleon. Herr v. Senfft hatte diese Haltung dem Einflüsse des
frühern auswärtigen Ministers, Herrn v. Bose, zugeschrieben, aber dabei den
Antheil dieses Einflusses überschätzt. Er trug sich mit dem Plane, eine neue
Ccntralmacht in Europa zu begründen, und für diesen Zweck sowohl die Mittel
zu verwenden, welche die Cultur und der Reichthum Sachsens darboten, wie
den Keim zu künftigen großen Unternehmungen, der sich in Polen zu zeigen
schien. Er verzweifelte an Preußen, welches damals in der Politik, wie in
der Verwaltung sich in unsicherem Experimentiren erging und außer Stande
zu sein schien, sich jemals von seinen Verlusten und hauptsächlich von der
Schmach des Jahres 1806 zu erholen. Er sah Frankreich mit Rußland ver¬
bunden, und der Herrschaft, welche Napoleons Geist damals über den Kaiser
Alexander ausübte, schien noch eine lange Dauer bestimmt; denn wer
hätte damals die wahnwitzige Politik voraussehen können, welche den Kaiser
der Franzosen verlockte, diesen Zauber, die Bürgschaft seiner unumschränkten
Gewalt über die andere Hälfte Europas, selbst zu brechen! Wollte man nicht
an der Freiheit des europäischen Staatensystems verzweifeln, so blieb also nichts
übrig als ein Bündniß zwischen Oestreich, Schweden und England gegen Frank¬
reich und Nußland, ein Bündniß, dessen vornehmster Hebel der allgemeine Auf¬
stand der polnischen Nation so wie eine gut geleitete Diversion von Seiten
der Türken war, combinirt mit den Erfolgen der Spanier und der Stimmung
der deutschen Bevölkerungen, die bereit waren ihre Ketten zu brechen.
Man wird zugeben müssen, daß, wenn jemals ein Staatsmann den rich¬
tigen Maßstab für die ihn umgebenden Verhältnisse verloren hat, es Herr
v. Senfft gewesen ist. Ueber seinen ins Weite schweifenden Combinationen
vergißt er ganz und gar, daß der in scheuer Furcht vor Napoleon sich jedem
Gebote Frankreichs unbedingt fügende und jedem aus dem herkömmlichen Ge¬
leise heraustretenden Schritt abholde König für eine solche Politik schlechterdings
nicht zu brauchen, daß das Verhältniß Sachsens zu Polen ein sehr unsicheres
und die dort für Sachsen zu begründende Macht eine rein chimärische war und
daß Sachsen ohne den von dort erwarteten Machtzuwachs die Ereignisse nicht
bestimmen konnte, sondern ihnen folgen mußte.
Einen Hauvtgegncr mehr seines Einflusses als seiner Pläne fand Herr
v. Senfft in dem Grafen Marcolini. Schon während er bereits als designirter
Minister des Auswärtigen in Paris noch aus sein Abberufungsschreiben war¬
tete, hatte der Gras in Dresden ihm entgegengearbeitet. Er warnte vor seiner
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