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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Unternehmungsgeist eingewirkt zu haben. Nicht nur, daß die Besitzer der Nord-
bcchnacticn, welche bekanntlich seit ihrem Bestehen zu den beliebtesten Spiel-
papieren der wiener Börse zählen, von keiner Vergrößerung der Anstalt, mochte
es durch Neubau oder durch Ankauf einer fremden Bahn geschehen, und über¬
haupt von keiner weitaussehenden, wenn auch noch so sicheren Spekulation
etwas wissen mochten, sondern es wollten auch alle übrigen Capitalisten sich
nur an der Gründung solcher Bahnen betheiligen, deren Herstellung mit dem ge¬
ringsten Kostenaufwande verknüpft war und welche dabei eine sofortige über-
schwängliche Verzinsung des Anlagecapitals in sichere Aussicht stellten.

So fand die im Anfange der vierziger Jahre begonnene Wien-Glvggnitzer
Bahn, welche den damals in der Mode stehenden Kurort Baden, Wiener-Neu¬
stadt sowie die beliebtesten Vergnügungsorte der Residenz berührte, allseitige
Theilnahme, aber vor der Verlängerung dieser Bahn schreckte alles zurück.
Aehnlich verhielt es sich mit der etwas später in Angriff genommenen Strecke
Wien-Raab.

Freilich geschah es dabei, daß die Berechnungen selbst der schlauesten
Finanzmänner zuweilen fehl gingen und daß Bahnen von einer dem Anschein
nach günstigen Zukunft nur äußerst schmale Dividenden brachten. Es lag an
der Engherzigkeit, mit welcher man der Verlängerung solcher Bahnen wider¬
strebte, und davon war die Folge, daß, wenn man sich endlich doch noch zum
Bauen entschloß, der Verkehr nicht selten schon eine andere Richtung genom¬
men hatte.

Indessen .war die Zeit von 1841--184S, weiche von östreichischen Schrift¬
stellern sehr oft -- und nicht mit Unrecht -- als die Mustcrepoche der östrei¬
chischen Verwaltung gepriesen worden ist, auch dem Eisenbahnwesen sehr günstig
und es schien nun der Staat dasselbe in die Hand nehmen zu wollen. Nach
mehren Richtungen wurden Staatsbahnen projectirt und auch sofort in Angriff
genommen. Zugleich wurde eine eigene Gcneraliuspectivn der Eisenbahnen ge¬
schaffen, zu deren Direction später Ritter v. Ghega berufen wurde.

Die erste vom Staate eröffnete Strecke war die von Mähren nach Böhmen
bis an die sächsische Grenze führende Staatvbahn. Doch wurde zuerst nur das
Stück von Ollmütz bis Prag in Angriff genommen; später folgten erst der
Flügel Trüvau-Brünn und die Verlängerung bis zur Grenzstation Bodcnbach.
Hierbei mochten vorwiegend strategische Gründe , nämlich die Verbindung der
Festung Ollmütz mit Brunn und Wien und Erleichterung des Verkehrs mit
den böhmischen Festungen bestimmend gewesen sein, beinahe der einzige Fall aus
jener Zeit, wo derartige Rücksichten wirklich beachtet wurden. Und doch hatte
man damals -- wenigstens in Oestreich -- so viel wie gar keine Erfahrung
über die mögliche Ausdehnung und den Werth der Benutzung des Eisenbahn¬
verkehrs für Kriegszwecke. Solche Erfahrungen blieben jedoch nicht lange aus.


Unternehmungsgeist eingewirkt zu haben. Nicht nur, daß die Besitzer der Nord-
bcchnacticn, welche bekanntlich seit ihrem Bestehen zu den beliebtesten Spiel-
papieren der wiener Börse zählen, von keiner Vergrößerung der Anstalt, mochte
es durch Neubau oder durch Ankauf einer fremden Bahn geschehen, und über¬
haupt von keiner weitaussehenden, wenn auch noch so sicheren Spekulation
etwas wissen mochten, sondern es wollten auch alle übrigen Capitalisten sich
nur an der Gründung solcher Bahnen betheiligen, deren Herstellung mit dem ge¬
ringsten Kostenaufwande verknüpft war und welche dabei eine sofortige über-
schwängliche Verzinsung des Anlagecapitals in sichere Aussicht stellten.

So fand die im Anfange der vierziger Jahre begonnene Wien-Glvggnitzer
Bahn, welche den damals in der Mode stehenden Kurort Baden, Wiener-Neu¬
stadt sowie die beliebtesten Vergnügungsorte der Residenz berührte, allseitige
Theilnahme, aber vor der Verlängerung dieser Bahn schreckte alles zurück.
Aehnlich verhielt es sich mit der etwas später in Angriff genommenen Strecke
Wien-Raab.

Freilich geschah es dabei, daß die Berechnungen selbst der schlauesten
Finanzmänner zuweilen fehl gingen und daß Bahnen von einer dem Anschein
nach günstigen Zukunft nur äußerst schmale Dividenden brachten. Es lag an
der Engherzigkeit, mit welcher man der Verlängerung solcher Bahnen wider¬
strebte, und davon war die Folge, daß, wenn man sich endlich doch noch zum
Bauen entschloß, der Verkehr nicht selten schon eine andere Richtung genom¬
men hatte.

Indessen .war die Zeit von 1841—184S, weiche von östreichischen Schrift¬
stellern sehr oft — und nicht mit Unrecht — als die Mustcrepoche der östrei¬
chischen Verwaltung gepriesen worden ist, auch dem Eisenbahnwesen sehr günstig
und es schien nun der Staat dasselbe in die Hand nehmen zu wollen. Nach
mehren Richtungen wurden Staatsbahnen projectirt und auch sofort in Angriff
genommen. Zugleich wurde eine eigene Gcneraliuspectivn der Eisenbahnen ge¬
schaffen, zu deren Direction später Ritter v. Ghega berufen wurde.

Die erste vom Staate eröffnete Strecke war die von Mähren nach Böhmen
bis an die sächsische Grenze führende Staatvbahn. Doch wurde zuerst nur das
Stück von Ollmütz bis Prag in Angriff genommen; später folgten erst der
Flügel Trüvau-Brünn und die Verlängerung bis zur Grenzstation Bodcnbach.
Hierbei mochten vorwiegend strategische Gründe , nämlich die Verbindung der
Festung Ollmütz mit Brunn und Wien und Erleichterung des Verkehrs mit
den böhmischen Festungen bestimmend gewesen sein, beinahe der einzige Fall aus
jener Zeit, wo derartige Rücksichten wirklich beachtet wurden. Und doch hatte
man damals — wenigstens in Oestreich — so viel wie gar keine Erfahrung
über die mögliche Ausdehnung und den Werth der Benutzung des Eisenbahn¬
verkehrs für Kriegszwecke. Solche Erfahrungen blieben jedoch nicht lange aus.


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[0226] Unternehmungsgeist eingewirkt zu haben. Nicht nur, daß die Besitzer der Nord- bcchnacticn, welche bekanntlich seit ihrem Bestehen zu den beliebtesten Spiel- papieren der wiener Börse zählen, von keiner Vergrößerung der Anstalt, mochte es durch Neubau oder durch Ankauf einer fremden Bahn geschehen, und über¬ haupt von keiner weitaussehenden, wenn auch noch so sicheren Spekulation etwas wissen mochten, sondern es wollten auch alle übrigen Capitalisten sich nur an der Gründung solcher Bahnen betheiligen, deren Herstellung mit dem ge¬ ringsten Kostenaufwande verknüpft war und welche dabei eine sofortige über- schwängliche Verzinsung des Anlagecapitals in sichere Aussicht stellten. So fand die im Anfange der vierziger Jahre begonnene Wien-Glvggnitzer Bahn, welche den damals in der Mode stehenden Kurort Baden, Wiener-Neu¬ stadt sowie die beliebtesten Vergnügungsorte der Residenz berührte, allseitige Theilnahme, aber vor der Verlängerung dieser Bahn schreckte alles zurück. Aehnlich verhielt es sich mit der etwas später in Angriff genommenen Strecke Wien-Raab. Freilich geschah es dabei, daß die Berechnungen selbst der schlauesten Finanzmänner zuweilen fehl gingen und daß Bahnen von einer dem Anschein nach günstigen Zukunft nur äußerst schmale Dividenden brachten. Es lag an der Engherzigkeit, mit welcher man der Verlängerung solcher Bahnen wider¬ strebte, und davon war die Folge, daß, wenn man sich endlich doch noch zum Bauen entschloß, der Verkehr nicht selten schon eine andere Richtung genom¬ men hatte. Indessen .war die Zeit von 1841—184S, weiche von östreichischen Schrift¬ stellern sehr oft — und nicht mit Unrecht — als die Mustcrepoche der östrei¬ chischen Verwaltung gepriesen worden ist, auch dem Eisenbahnwesen sehr günstig und es schien nun der Staat dasselbe in die Hand nehmen zu wollen. Nach mehren Richtungen wurden Staatsbahnen projectirt und auch sofort in Angriff genommen. Zugleich wurde eine eigene Gcneraliuspectivn der Eisenbahnen ge¬ schaffen, zu deren Direction später Ritter v. Ghega berufen wurde. Die erste vom Staate eröffnete Strecke war die von Mähren nach Böhmen bis an die sächsische Grenze führende Staatvbahn. Doch wurde zuerst nur das Stück von Ollmütz bis Prag in Angriff genommen; später folgten erst der Flügel Trüvau-Brünn und die Verlängerung bis zur Grenzstation Bodcnbach. Hierbei mochten vorwiegend strategische Gründe , nämlich die Verbindung der Festung Ollmütz mit Brunn und Wien und Erleichterung des Verkehrs mit den böhmischen Festungen bestimmend gewesen sein, beinahe der einzige Fall aus jener Zeit, wo derartige Rücksichten wirklich beachtet wurden. Und doch hatte man damals — wenigstens in Oestreich — so viel wie gar keine Erfahrung über die mögliche Ausdehnung und den Werth der Benutzung des Eisenbahn¬ verkehrs für Kriegszwecke. Solche Erfahrungen blieben jedoch nicht lange aus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/226>, abgerufen am 01.10.2024.