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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Ollmüjz und Oderberg entsendet, von Statten. Später wurden noch verschie¬
dene kurze Fiügelbahnen (so nach Stockerau und Preßburg) hinzugefügt und im
Beginn der fünfziger Jahre die Linie nach Krakau in Angriff genommen.

Die Nordbahn hatte die Vaubewilligung noch in den letzten Monaten des
Jahres 1833 erhalten, wurde aber erst 1837 dem allgemeinen Verkehr über¬
geben, wogegen der weitere Ausbau um so rascher vor sich ging. Um¬
gekehrt war es bei der italienischen Bahn. Obgleich sie die Baubewilligung
etwas später erhielt, eröffnete sie die Strecke Mailand-Monza noch ehe die
Nordbahn ihre Thätigkeit begann, blieb indeß mit der Vollendung ihrer Linien
in auffallender Weise zurück.

Stand es nach dem eben Gesagten mit den Ingenieuren nicht zum Besten,
so konnte die Verwaltung noch weniger Lob verdienen. Man hatte sich die
bureaukratischen Institutionen des Staates zum Muster genommen und ein
massenhaftes, mit Ausnahme einiger höhergcstellter und über Verdienst bezahlter
Bureauchefs, schlecht besoldetes Personal aufgestellt, gleichwohl aber durch die
auch hier nicht fehlende Vielschrciberci und durch eine übertriebene Controle,
die aber dennoch die vielfältigsten und bedeutendsten Betrügereien nicht ver¬
hinderte, die Geschäfte dergestalt vervielfältigt, daß selbst dieses zahlreiche Per¬
sonal mit Arbeit überbürdet war und fortwährend vermehrt werden mußte.
Ueberdies war die ungleiche Vertheilung der Arbeit unter die Bahnbeamten ein
großer Uebelstand. Einige hatten nichts, andere alles zu thun. Ganz be¬
sonders bevorzugt waren die Officianten denn Jngenieurwesen. Denn da
sie von dem administrativen Fache nichts verstanden und verstehen wollten,
fanden sie, als die Bahn vollendet war, im Allgemeinen nur unentsprechende
Beschäftigung, wogegen die Administrationsbeamten wieder blos als Schreiber
fungirten und auch zu nicht viel mehr zu gebrauchen waren.

Ferner war alles- so nach der Schablone geordnet oder gewöhnte sich
wenigstens nur zu bald an den Schlendrian des Bureaukratenstils, daß selbst
begabte Männer auf alle kühnerem Speculationen verzichteten und in der pünkt¬
lichsten Einhaltung der den Beamten und Arbeitern vorgeschriebenen Arbeits¬
stunden, in der Schärfung der Controle und in der Erhöhung und Complica-
tion des Tarifes die besten Mittel zur Hebung des Verkehrs und damit zur
Vermehrung der Einnahmen erblickten.

Auf die Bedürfnisse und die gerechten Anforderungen des Publicums wurde
nur geringe Rücksicht genommen. Dies galt nicht nur von der Nordbahn,
sondern mehr oder minder auch von den meisten anderen. Daß aber den¬
noch die Nordbahn so erstaunliche Erträgnisse abwarf, lag eben nur in den
außerordentlich günstigen Zeit- und Ortsverhältnissen und wohl hauptsächlich
in der gänzlichen Conkurrcnzlosigkcit.

Indessen scheint eben dieser glänzende Erfolg sehr nachtheilig auf den


Ollmüjz und Oderberg entsendet, von Statten. Später wurden noch verschie¬
dene kurze Fiügelbahnen (so nach Stockerau und Preßburg) hinzugefügt und im
Beginn der fünfziger Jahre die Linie nach Krakau in Angriff genommen.

Die Nordbahn hatte die Vaubewilligung noch in den letzten Monaten des
Jahres 1833 erhalten, wurde aber erst 1837 dem allgemeinen Verkehr über¬
geben, wogegen der weitere Ausbau um so rascher vor sich ging. Um¬
gekehrt war es bei der italienischen Bahn. Obgleich sie die Baubewilligung
etwas später erhielt, eröffnete sie die Strecke Mailand-Monza noch ehe die
Nordbahn ihre Thätigkeit begann, blieb indeß mit der Vollendung ihrer Linien
in auffallender Weise zurück.

Stand es nach dem eben Gesagten mit den Ingenieuren nicht zum Besten,
so konnte die Verwaltung noch weniger Lob verdienen. Man hatte sich die
bureaukratischen Institutionen des Staates zum Muster genommen und ein
massenhaftes, mit Ausnahme einiger höhergcstellter und über Verdienst bezahlter
Bureauchefs, schlecht besoldetes Personal aufgestellt, gleichwohl aber durch die
auch hier nicht fehlende Vielschrciberci und durch eine übertriebene Controle,
die aber dennoch die vielfältigsten und bedeutendsten Betrügereien nicht ver¬
hinderte, die Geschäfte dergestalt vervielfältigt, daß selbst dieses zahlreiche Per¬
sonal mit Arbeit überbürdet war und fortwährend vermehrt werden mußte.
Ueberdies war die ungleiche Vertheilung der Arbeit unter die Bahnbeamten ein
großer Uebelstand. Einige hatten nichts, andere alles zu thun. Ganz be¬
sonders bevorzugt waren die Officianten denn Jngenieurwesen. Denn da
sie von dem administrativen Fache nichts verstanden und verstehen wollten,
fanden sie, als die Bahn vollendet war, im Allgemeinen nur unentsprechende
Beschäftigung, wogegen die Administrationsbeamten wieder blos als Schreiber
fungirten und auch zu nicht viel mehr zu gebrauchen waren.

Ferner war alles- so nach der Schablone geordnet oder gewöhnte sich
wenigstens nur zu bald an den Schlendrian des Bureaukratenstils, daß selbst
begabte Männer auf alle kühnerem Speculationen verzichteten und in der pünkt¬
lichsten Einhaltung der den Beamten und Arbeitern vorgeschriebenen Arbeits¬
stunden, in der Schärfung der Controle und in der Erhöhung und Complica-
tion des Tarifes die besten Mittel zur Hebung des Verkehrs und damit zur
Vermehrung der Einnahmen erblickten.

Auf die Bedürfnisse und die gerechten Anforderungen des Publicums wurde
nur geringe Rücksicht genommen. Dies galt nicht nur von der Nordbahn,
sondern mehr oder minder auch von den meisten anderen. Daß aber den¬
noch die Nordbahn so erstaunliche Erträgnisse abwarf, lag eben nur in den
außerordentlich günstigen Zeit- und Ortsverhältnissen und wohl hauptsächlich
in der gänzlichen Conkurrcnzlosigkcit.

Indessen scheint eben dieser glänzende Erfolg sehr nachtheilig auf den


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[0225] Ollmüjz und Oderberg entsendet, von Statten. Später wurden noch verschie¬ dene kurze Fiügelbahnen (so nach Stockerau und Preßburg) hinzugefügt und im Beginn der fünfziger Jahre die Linie nach Krakau in Angriff genommen. Die Nordbahn hatte die Vaubewilligung noch in den letzten Monaten des Jahres 1833 erhalten, wurde aber erst 1837 dem allgemeinen Verkehr über¬ geben, wogegen der weitere Ausbau um so rascher vor sich ging. Um¬ gekehrt war es bei der italienischen Bahn. Obgleich sie die Baubewilligung etwas später erhielt, eröffnete sie die Strecke Mailand-Monza noch ehe die Nordbahn ihre Thätigkeit begann, blieb indeß mit der Vollendung ihrer Linien in auffallender Weise zurück. Stand es nach dem eben Gesagten mit den Ingenieuren nicht zum Besten, so konnte die Verwaltung noch weniger Lob verdienen. Man hatte sich die bureaukratischen Institutionen des Staates zum Muster genommen und ein massenhaftes, mit Ausnahme einiger höhergcstellter und über Verdienst bezahlter Bureauchefs, schlecht besoldetes Personal aufgestellt, gleichwohl aber durch die auch hier nicht fehlende Vielschrciberci und durch eine übertriebene Controle, die aber dennoch die vielfältigsten und bedeutendsten Betrügereien nicht ver¬ hinderte, die Geschäfte dergestalt vervielfältigt, daß selbst dieses zahlreiche Per¬ sonal mit Arbeit überbürdet war und fortwährend vermehrt werden mußte. Ueberdies war die ungleiche Vertheilung der Arbeit unter die Bahnbeamten ein großer Uebelstand. Einige hatten nichts, andere alles zu thun. Ganz be¬ sonders bevorzugt waren die Officianten denn Jngenieurwesen. Denn da sie von dem administrativen Fache nichts verstanden und verstehen wollten, fanden sie, als die Bahn vollendet war, im Allgemeinen nur unentsprechende Beschäftigung, wogegen die Administrationsbeamten wieder blos als Schreiber fungirten und auch zu nicht viel mehr zu gebrauchen waren. Ferner war alles- so nach der Schablone geordnet oder gewöhnte sich wenigstens nur zu bald an den Schlendrian des Bureaukratenstils, daß selbst begabte Männer auf alle kühnerem Speculationen verzichteten und in der pünkt¬ lichsten Einhaltung der den Beamten und Arbeitern vorgeschriebenen Arbeits¬ stunden, in der Schärfung der Controle und in der Erhöhung und Complica- tion des Tarifes die besten Mittel zur Hebung des Verkehrs und damit zur Vermehrung der Einnahmen erblickten. Auf die Bedürfnisse und die gerechten Anforderungen des Publicums wurde nur geringe Rücksicht genommen. Dies galt nicht nur von der Nordbahn, sondern mehr oder minder auch von den meisten anderen. Daß aber den¬ noch die Nordbahn so erstaunliche Erträgnisse abwarf, lag eben nur in den außerordentlich günstigen Zeit- und Ortsverhältnissen und wohl hauptsächlich in der gänzlichen Conkurrcnzlosigkcit. Indessen scheint eben dieser glänzende Erfolg sehr nachtheilig auf den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/225>, abgerufen am 01.10.2024.