Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stück einer Trompete liegt, die Schüsselwäscherin -- es ist gewöhnlich die "Fri-
werberschc" -- mit einem Strohwisch.

Nach aufgehobener Tafel sangen auf der Tenne die "Ehrentänze" an, bei
welchen sich nur Braut und Bräutigam, die hochzeitlichen Würdenträger und
die nächsten Verwandten des jungen Paares betheiligen. Die Braut erscheint
im höchsten Putz, umgeben von den Krauzjungfcrn, die einen Kreis um sie
bilden. Auf der andern Seite treten der Bräutigam und seine Begleiter zu
einer Gruppe zusammen. Die Jungfern tragen brennende Kerzen mit Grün
geschmückt, auch wohl kleine Christbäume in den Händen, die Burschen haben
von der linken Achsel Servietten herabhängen. Die Geige beginnt, und nun
tanzt zuerst der erste Brautführer des Bräutigams, dann der zweite mit der
Braut, worauf die andern hierzu Berechtigten folgen. Jeder wirft, nachdem
er geendigt, einen klingenden Dank, der jetzt selten weniger als fünf Thaler
beträgt, auf den Teller der Musikanten. Erst wenn die Braut zur Genüge
erschöpft ist und die Kerzen ihrer Kranzjungfern sich dem Ende zuneigen, hört
das Tanzen aus, die jungen Eheleute schlagen mit ihren Tüchern die Lichter
aus, und der allgemeine Tanz hebt an, der bis tief in die Nacht hinein dauert,
während die Allen in der Stube beim Qualm des Abc-Reuters und der
Krüscllampe mit derben Faustschlägen auf den Tisch ihr deutsches Solo spielen.

Am zweiten Tag weiteres Essen, Trinken und Tanzen; zuletzt wird der
Braut der Kranz abgenommen und ihr dafür die goldne Mütze aufgesetzt. Den
dritten Tag stellt man früh am Morgen eine Leiter an den Hühnerstall, welche
sämmtliche junge Mädchen unter schallender Musik hinauf und wieder herunter¬
steigen müssen, worauf die jungen Frauen dieselbe Procedur durchzumachen
haben. Während dieser Zeit sucht das neuvermählte Paar irgendwo im Dorfe
ein Versteck, wird von der Schaar der Gäste, die Musik an der Spitze, gesucht
und muß sich dann, gefunden, nach dem Hochzeitshause zmückfübren lassen,
wo die Braut vermittelst einer Leiter auf deu neuen Kleiderschrank steigen muß,
von wo sie dann die in der Schürze mitgebrachten Nüsse herabwirft. Dann wird
wieder geschmaust und gezecht, worauf man an den Abschied denkt. Bei diesem
giebt jede betheiligt gewesene Familie den Eltern des Bräutigams noch eure
Gabe, in der Regel so viele Thaler, als Familienglieder beim Feste waren.
Die Musik bringt den Abfahrenden ihr Lebewohl und ein Wagen nach dem
andern rollt aus dem Dorfe, das jetzt wieder sein stilles Alltagsgesicht anlegt.

Auch bei Kindtaufen wird tüchtig gegessen und getrunken, sonst ist von
diesen Familienfesten nichts zu melden, als daß. während die heilige Handlung
in der Kirche vor sich geht, die za Hause gebliebenen Angehörigen allerlei Arbeiten
mit möglichstem Eifer verrichten, spinnen, fegen, Holz spalte", "damit das Kind
recht fleißig wird", während andere in einem Andachtsbuche lesen, "damit es
ein frommes Gemüth kriegt".


stück einer Trompete liegt, die Schüsselwäscherin — es ist gewöhnlich die „Fri-
werberschc" — mit einem Strohwisch.

Nach aufgehobener Tafel sangen auf der Tenne die „Ehrentänze" an, bei
welchen sich nur Braut und Bräutigam, die hochzeitlichen Würdenträger und
die nächsten Verwandten des jungen Paares betheiligen. Die Braut erscheint
im höchsten Putz, umgeben von den Krauzjungfcrn, die einen Kreis um sie
bilden. Auf der andern Seite treten der Bräutigam und seine Begleiter zu
einer Gruppe zusammen. Die Jungfern tragen brennende Kerzen mit Grün
geschmückt, auch wohl kleine Christbäume in den Händen, die Burschen haben
von der linken Achsel Servietten herabhängen. Die Geige beginnt, und nun
tanzt zuerst der erste Brautführer des Bräutigams, dann der zweite mit der
Braut, worauf die andern hierzu Berechtigten folgen. Jeder wirft, nachdem
er geendigt, einen klingenden Dank, der jetzt selten weniger als fünf Thaler
beträgt, auf den Teller der Musikanten. Erst wenn die Braut zur Genüge
erschöpft ist und die Kerzen ihrer Kranzjungfern sich dem Ende zuneigen, hört
das Tanzen aus, die jungen Eheleute schlagen mit ihren Tüchern die Lichter
aus, und der allgemeine Tanz hebt an, der bis tief in die Nacht hinein dauert,
während die Allen in der Stube beim Qualm des Abc-Reuters und der
Krüscllampe mit derben Faustschlägen auf den Tisch ihr deutsches Solo spielen.

Am zweiten Tag weiteres Essen, Trinken und Tanzen; zuletzt wird der
Braut der Kranz abgenommen und ihr dafür die goldne Mütze aufgesetzt. Den
dritten Tag stellt man früh am Morgen eine Leiter an den Hühnerstall, welche
sämmtliche junge Mädchen unter schallender Musik hinauf und wieder herunter¬
steigen müssen, worauf die jungen Frauen dieselbe Procedur durchzumachen
haben. Während dieser Zeit sucht das neuvermählte Paar irgendwo im Dorfe
ein Versteck, wird von der Schaar der Gäste, die Musik an der Spitze, gesucht
und muß sich dann, gefunden, nach dem Hochzeitshause zmückfübren lassen,
wo die Braut vermittelst einer Leiter auf deu neuen Kleiderschrank steigen muß,
von wo sie dann die in der Schürze mitgebrachten Nüsse herabwirft. Dann wird
wieder geschmaust und gezecht, worauf man an den Abschied denkt. Bei diesem
giebt jede betheiligt gewesene Familie den Eltern des Bräutigams noch eure
Gabe, in der Regel so viele Thaler, als Familienglieder beim Feste waren.
Die Musik bringt den Abfahrenden ihr Lebewohl und ein Wagen nach dem
andern rollt aus dem Dorfe, das jetzt wieder sein stilles Alltagsgesicht anlegt.

Auch bei Kindtaufen wird tüchtig gegessen und getrunken, sonst ist von
diesen Familienfesten nichts zu melden, als daß. während die heilige Handlung
in der Kirche vor sich geht, die za Hause gebliebenen Angehörigen allerlei Arbeiten
mit möglichstem Eifer verrichten, spinnen, fegen, Holz spalte», „damit das Kind
recht fleißig wird", während andere in einem Andachtsbuche lesen, „damit es
ein frommes Gemüth kriegt".


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189841"/>
          <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> stück einer Trompete liegt, die Schüsselwäscherin &#x2014; es ist gewöhnlich die &#x201E;Fri-<lb/>
werberschc" &#x2014; mit einem Strohwisch.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_812"> Nach aufgehobener Tafel sangen auf der Tenne die &#x201E;Ehrentänze" an, bei<lb/>
welchen sich nur Braut und Bräutigam, die hochzeitlichen Würdenträger und<lb/>
die nächsten Verwandten des jungen Paares betheiligen. Die Braut erscheint<lb/>
im höchsten Putz, umgeben von den Krauzjungfcrn, die einen Kreis um sie<lb/>
bilden. Auf der andern Seite treten der Bräutigam und seine Begleiter zu<lb/>
einer Gruppe zusammen. Die Jungfern tragen brennende Kerzen mit Grün<lb/>
geschmückt, auch wohl kleine Christbäume in den Händen, die Burschen haben<lb/>
von der linken Achsel Servietten herabhängen. Die Geige beginnt, und nun<lb/>
tanzt zuerst der erste Brautführer des Bräutigams, dann der zweite mit der<lb/>
Braut, worauf die andern hierzu Berechtigten folgen. Jeder wirft, nachdem<lb/>
er geendigt, einen klingenden Dank, der jetzt selten weniger als fünf Thaler<lb/>
beträgt, auf den Teller der Musikanten. Erst wenn die Braut zur Genüge<lb/>
erschöpft ist und die Kerzen ihrer Kranzjungfern sich dem Ende zuneigen, hört<lb/>
das Tanzen aus, die jungen Eheleute schlagen mit ihren Tüchern die Lichter<lb/>
aus, und der allgemeine Tanz hebt an, der bis tief in die Nacht hinein dauert,<lb/>
während die Allen in der Stube beim Qualm des Abc-Reuters und der<lb/>
Krüscllampe mit derben Faustschlägen auf den Tisch ihr deutsches Solo spielen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_813"> Am zweiten Tag weiteres Essen, Trinken und Tanzen; zuletzt wird der<lb/>
Braut der Kranz abgenommen und ihr dafür die goldne Mütze aufgesetzt. Den<lb/>
dritten Tag stellt man früh am Morgen eine Leiter an den Hühnerstall, welche<lb/>
sämmtliche junge Mädchen unter schallender Musik hinauf und wieder herunter¬<lb/>
steigen müssen, worauf die jungen Frauen dieselbe Procedur durchzumachen<lb/>
haben. Während dieser Zeit sucht das neuvermählte Paar irgendwo im Dorfe<lb/>
ein Versteck, wird von der Schaar der Gäste, die Musik an der Spitze, gesucht<lb/>
und muß sich dann, gefunden, nach dem Hochzeitshause zmückfübren lassen,<lb/>
wo die Braut vermittelst einer Leiter auf deu neuen Kleiderschrank steigen muß,<lb/>
von wo sie dann die in der Schürze mitgebrachten Nüsse herabwirft. Dann wird<lb/>
wieder geschmaust und gezecht, worauf man an den Abschied denkt. Bei diesem<lb/>
giebt jede betheiligt gewesene Familie den Eltern des Bräutigams noch eure<lb/>
Gabe, in der Regel so viele Thaler, als Familienglieder beim Feste waren.<lb/>
Die Musik bringt den Abfahrenden ihr Lebewohl und ein Wagen nach dem<lb/>
andern rollt aus dem Dorfe, das jetzt wieder sein stilles Alltagsgesicht anlegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_814"> Auch bei Kindtaufen wird tüchtig gegessen und getrunken, sonst ist von<lb/>
diesen Familienfesten nichts zu melden, als daß. während die heilige Handlung<lb/>
in der Kirche vor sich geht, die za Hause gebliebenen Angehörigen allerlei Arbeiten<lb/>
mit möglichstem Eifer verrichten, spinnen, fegen, Holz spalte», &#x201E;damit das Kind<lb/>
recht fleißig wird", während andere in einem Andachtsbuche lesen, &#x201E;damit es<lb/>
ein frommes Gemüth kriegt".</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217] stück einer Trompete liegt, die Schüsselwäscherin — es ist gewöhnlich die „Fri- werberschc" — mit einem Strohwisch. Nach aufgehobener Tafel sangen auf der Tenne die „Ehrentänze" an, bei welchen sich nur Braut und Bräutigam, die hochzeitlichen Würdenträger und die nächsten Verwandten des jungen Paares betheiligen. Die Braut erscheint im höchsten Putz, umgeben von den Krauzjungfcrn, die einen Kreis um sie bilden. Auf der andern Seite treten der Bräutigam und seine Begleiter zu einer Gruppe zusammen. Die Jungfern tragen brennende Kerzen mit Grün geschmückt, auch wohl kleine Christbäume in den Händen, die Burschen haben von der linken Achsel Servietten herabhängen. Die Geige beginnt, und nun tanzt zuerst der erste Brautführer des Bräutigams, dann der zweite mit der Braut, worauf die andern hierzu Berechtigten folgen. Jeder wirft, nachdem er geendigt, einen klingenden Dank, der jetzt selten weniger als fünf Thaler beträgt, auf den Teller der Musikanten. Erst wenn die Braut zur Genüge erschöpft ist und die Kerzen ihrer Kranzjungfern sich dem Ende zuneigen, hört das Tanzen aus, die jungen Eheleute schlagen mit ihren Tüchern die Lichter aus, und der allgemeine Tanz hebt an, der bis tief in die Nacht hinein dauert, während die Allen in der Stube beim Qualm des Abc-Reuters und der Krüscllampe mit derben Faustschlägen auf den Tisch ihr deutsches Solo spielen. Am zweiten Tag weiteres Essen, Trinken und Tanzen; zuletzt wird der Braut der Kranz abgenommen und ihr dafür die goldne Mütze aufgesetzt. Den dritten Tag stellt man früh am Morgen eine Leiter an den Hühnerstall, welche sämmtliche junge Mädchen unter schallender Musik hinauf und wieder herunter¬ steigen müssen, worauf die jungen Frauen dieselbe Procedur durchzumachen haben. Während dieser Zeit sucht das neuvermählte Paar irgendwo im Dorfe ein Versteck, wird von der Schaar der Gäste, die Musik an der Spitze, gesucht und muß sich dann, gefunden, nach dem Hochzeitshause zmückfübren lassen, wo die Braut vermittelst einer Leiter auf deu neuen Kleiderschrank steigen muß, von wo sie dann die in der Schürze mitgebrachten Nüsse herabwirft. Dann wird wieder geschmaust und gezecht, worauf man an den Abschied denkt. Bei diesem giebt jede betheiligt gewesene Familie den Eltern des Bräutigams noch eure Gabe, in der Regel so viele Thaler, als Familienglieder beim Feste waren. Die Musik bringt den Abfahrenden ihr Lebewohl und ein Wagen nach dem andern rollt aus dem Dorfe, das jetzt wieder sein stilles Alltagsgesicht anlegt. Auch bei Kindtaufen wird tüchtig gegessen und getrunken, sonst ist von diesen Familienfesten nichts zu melden, als daß. während die heilige Handlung in der Kirche vor sich geht, die za Hause gebliebenen Angehörigen allerlei Arbeiten mit möglichstem Eifer verrichten, spinnen, fegen, Holz spalte», „damit das Kind recht fleißig wird", während andere in einem Andachtsbuche lesen, „damit es ein frommes Gemüth kriegt".

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/217
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/217>, abgerufen am 01.10.2024.