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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Nersammlungsreckt fügt. Art, 23 lautet: "Jeder Schleswig-Holsteiner hat das
Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung frei zu äußern. Die Censur ist
und bleibt aufgehoben. Die Preßfreiheit darf weder durch das Erfordernis; von
Concessionen, noch durch Sicherheitsleistungen (Cautionen) beschränkt werden. Die
Postbeförderung findet für alle Zeitungen und Zeitschriften unter gleichen Be¬
dingungen statt." Art. 31 hebt die den Gemeinden und Privaten zustehende
Gerichtsherrlichkeil auf und ebenso die gutsherrliche Polizei. Art. 117 führt
in das Gerichtsverfahren Oeffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Andere Attikel
verkünden Glaubensfreiheit u. d. in.

Manche dieser Bestimmungen sind den berliner Junkern sicher stark zu¬
wider, sie finden sich aber auch in der preußischen Verfassung, und sie wer¬
den keinesfalls von schädlichem Einfluß auf die Entwickelung des preußischen
Staates sein. Ueberdies aber kommt es, wie bereits angedeutet, weit weniger
auf die größere oder geringere Frcistnnigkeit einer Verfassung, als auf den Geist
an, in dem sie gehandhabt wird, und auf die Bildungsstufe, den Charakter
und die ganze Sinnesrichtung des Volkes, das unter ihr lebt, und in dieser
Beziehung wiederholen wir. daß auch bei einer noch reichlicheren constitutionellen
Berechtigung der Schleswig-Holsteiner für die Interessen der wahrhaft conser-
vativen Partei nichts zu fürchten sein würde; so aber sind Aenderungen der
Verfassung nach dieser Seite hin durchaus nicht geboten. Daß sie nach einer
anderen Richtung hin, daß sie namentlich im Hinblick auf gewisse wohlberechtigtS
Forderungen Preußens modificirt werden muß, geben wir bereitwillig zu, be¬
haupten jedoch auch, daß solchen Modifikationen in der Verfassung selbst nichts
im Wege steht, und daß die Schleswig-Holsteiner bereit sein werden, Ab¬
geordnete zu wählen, welche die nothwendige Revision der betreffenden Para¬
graphen vorzunehmen sich verpflichten. Nur wolle man keine Octroyirung.
keinen Rechtsbruch fordern! Ein Fürstenwort verlangt, daß die Septemberver¬
fassung angenommen und eingeführt werde, wie sie ist, gleichviel ob einzelne
Bestimmungen derselben, z. B. in dem vom Herzog und in dem von der be¬
waffneten Macht handelnden Abschnitte, einer Verständigung mit Preußen ent¬
gegenzustehen scheinen.

Wir kommen zum Schluß.

Viele und wichtige Punkte des Staatsgrundgesctzes von 1848 erklären
und rechtfertigen sich allerdings nur aus der damaligen Personalunion der
Herzogtümer mit Dänemark, und so kann man bezweifeln, ob es richtig sein
würde, wenn sie beim factischen Regierungsantritt des Herzogs Friedrich auch
nur vorläufig in der Verfassung verblieben.

Folgendes läßt sich für den Weg anführen, welchen der Herzog wählte,
als er bei formeller Uebernahme der Regierung die Verfassung als Ganzes
anerkannte.


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Nersammlungsreckt fügt. Art, 23 lautet: „Jeder Schleswig-Holsteiner hat das
Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung frei zu äußern. Die Censur ist
und bleibt aufgehoben. Die Preßfreiheit darf weder durch das Erfordernis; von
Concessionen, noch durch Sicherheitsleistungen (Cautionen) beschränkt werden. Die
Postbeförderung findet für alle Zeitungen und Zeitschriften unter gleichen Be¬
dingungen statt." Art. 31 hebt die den Gemeinden und Privaten zustehende
Gerichtsherrlichkeil auf und ebenso die gutsherrliche Polizei. Art. 117 führt
in das Gerichtsverfahren Oeffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Andere Attikel
verkünden Glaubensfreiheit u. d. in.

Manche dieser Bestimmungen sind den berliner Junkern sicher stark zu¬
wider, sie finden sich aber auch in der preußischen Verfassung, und sie wer¬
den keinesfalls von schädlichem Einfluß auf die Entwickelung des preußischen
Staates sein. Ueberdies aber kommt es, wie bereits angedeutet, weit weniger
auf die größere oder geringere Frcistnnigkeit einer Verfassung, als auf den Geist
an, in dem sie gehandhabt wird, und auf die Bildungsstufe, den Charakter
und die ganze Sinnesrichtung des Volkes, das unter ihr lebt, und in dieser
Beziehung wiederholen wir. daß auch bei einer noch reichlicheren constitutionellen
Berechtigung der Schleswig-Holsteiner für die Interessen der wahrhaft conser-
vativen Partei nichts zu fürchten sein würde; so aber sind Aenderungen der
Verfassung nach dieser Seite hin durchaus nicht geboten. Daß sie nach einer
anderen Richtung hin, daß sie namentlich im Hinblick auf gewisse wohlberechtigtS
Forderungen Preußens modificirt werden muß, geben wir bereitwillig zu, be¬
haupten jedoch auch, daß solchen Modifikationen in der Verfassung selbst nichts
im Wege steht, und daß die Schleswig-Holsteiner bereit sein werden, Ab¬
geordnete zu wählen, welche die nothwendige Revision der betreffenden Para¬
graphen vorzunehmen sich verpflichten. Nur wolle man keine Octroyirung.
keinen Rechtsbruch fordern! Ein Fürstenwort verlangt, daß die Septemberver¬
fassung angenommen und eingeführt werde, wie sie ist, gleichviel ob einzelne
Bestimmungen derselben, z. B. in dem vom Herzog und in dem von der be¬
waffneten Macht handelnden Abschnitte, einer Verständigung mit Preußen ent¬
gegenzustehen scheinen.

Wir kommen zum Schluß.

Viele und wichtige Punkte des Staatsgrundgesctzes von 1848 erklären
und rechtfertigen sich allerdings nur aus der damaligen Personalunion der
Herzogtümer mit Dänemark, und so kann man bezweifeln, ob es richtig sein
würde, wenn sie beim factischen Regierungsantritt des Herzogs Friedrich auch
nur vorläufig in der Verfassung verblieben.

Folgendes läßt sich für den Weg anführen, welchen der Herzog wählte,
als er bei formeller Uebernahme der Regierung die Verfassung als Ganzes
anerkannte.


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[0199] Nersammlungsreckt fügt. Art, 23 lautet: „Jeder Schleswig-Holsteiner hat das Recht, durch Wort und Schrift seine Meinung frei zu äußern. Die Censur ist und bleibt aufgehoben. Die Preßfreiheit darf weder durch das Erfordernis; von Concessionen, noch durch Sicherheitsleistungen (Cautionen) beschränkt werden. Die Postbeförderung findet für alle Zeitungen und Zeitschriften unter gleichen Be¬ dingungen statt." Art. 31 hebt die den Gemeinden und Privaten zustehende Gerichtsherrlichkeil auf und ebenso die gutsherrliche Polizei. Art. 117 führt in das Gerichtsverfahren Oeffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Andere Attikel verkünden Glaubensfreiheit u. d. in. Manche dieser Bestimmungen sind den berliner Junkern sicher stark zu¬ wider, sie finden sich aber auch in der preußischen Verfassung, und sie wer¬ den keinesfalls von schädlichem Einfluß auf die Entwickelung des preußischen Staates sein. Ueberdies aber kommt es, wie bereits angedeutet, weit weniger auf die größere oder geringere Frcistnnigkeit einer Verfassung, als auf den Geist an, in dem sie gehandhabt wird, und auf die Bildungsstufe, den Charakter und die ganze Sinnesrichtung des Volkes, das unter ihr lebt, und in dieser Beziehung wiederholen wir. daß auch bei einer noch reichlicheren constitutionellen Berechtigung der Schleswig-Holsteiner für die Interessen der wahrhaft conser- vativen Partei nichts zu fürchten sein würde; so aber sind Aenderungen der Verfassung nach dieser Seite hin durchaus nicht geboten. Daß sie nach einer anderen Richtung hin, daß sie namentlich im Hinblick auf gewisse wohlberechtigtS Forderungen Preußens modificirt werden muß, geben wir bereitwillig zu, be¬ haupten jedoch auch, daß solchen Modifikationen in der Verfassung selbst nichts im Wege steht, und daß die Schleswig-Holsteiner bereit sein werden, Ab¬ geordnete zu wählen, welche die nothwendige Revision der betreffenden Para¬ graphen vorzunehmen sich verpflichten. Nur wolle man keine Octroyirung. keinen Rechtsbruch fordern! Ein Fürstenwort verlangt, daß die Septemberver¬ fassung angenommen und eingeführt werde, wie sie ist, gleichviel ob einzelne Bestimmungen derselben, z. B. in dem vom Herzog und in dem von der be¬ waffneten Macht handelnden Abschnitte, einer Verständigung mit Preußen ent¬ gegenzustehen scheinen. Wir kommen zum Schluß. Viele und wichtige Punkte des Staatsgrundgesctzes von 1848 erklären und rechtfertigen sich allerdings nur aus der damaligen Personalunion der Herzogtümer mit Dänemark, und so kann man bezweifeln, ob es richtig sein würde, wenn sie beim factischen Regierungsantritt des Herzogs Friedrich auch nur vorläufig in der Verfassung verblieben. Folgendes läßt sich für den Weg anführen, welchen der Herzog wählte, als er bei formeller Uebernahme der Regierung die Verfassung als Ganzes anerkannte. 25*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/199>, abgerufen am 01.10.2024.