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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Es schadet nichts, wenn auch noch so viel in dieser Richtung ans Licht gebracht
wird; das Eine trägt bei, das Andere zu corrigiren und aus dem Kelter histo¬
rischer Kritik würden mit Hilfe solcher Zeugenvernehmungen immer mehr werth-
volle Thatsachen hervorgehn.

Mit derartigem Sammeln ists aber hoch an der Zeit. Wir haben vorm
Jahre zwar noch eine recht stattliche Zahl von Veteranen im leipziger Festauf'
zuge gesehen, (wenn auch dahingestellt bleiben mag, ob sich bei strenger Con-
trole alle als "echt" behauptet haben würden), und auch anderwärts, nament¬
lich in Berlin, ist ein ganz ansehnliches Contingent aufgetreten; aber diese
theure Schaar wird mit jedem Jahr lichter, noch ein, höchstens zwei Jahrzehnte,
und sie werden sich alle zum großen Appell im Jenseits versammeln. Insbeson¬
dere sollte man fleißig nach Tagebüchern, Briefschaften u. dergl. von damaligen
Offizieren forschen und mündliche Ueberlieferungen glaubwürdiger Zeitgenossen
jener Ereignisse aufbewahren und niederschreiben*). Es könnte ganz wohl eine
nationale Commission gedacht werden, welcher die eingelieferten Aufzeichnungen
und Berichte zu getreuen Händen anzuvertrauen wären. Sie würde zu ordnen,
zu registriren, zu prüfen haben, so daß sich auf diese Weise ein historisches Archiv
für die leipziger Schlacht und weiter für die Befreiungskriege bilden ließe, wel¬
ches, entweder von Zeit zu Zeit in den Urkunden veröffentlicht, oder aber einer
geschickten Hand zur Ueberarbeitung und Auswahl übergeben eine fortlaufende
organische und möglichst allseitige Erweiterung unsrer Kunde zu Weg brächte.
Der Fleiß der kleinen localen Kreise würde durch den Wetteifer für ein solches
Ganzes sicherlich fruchtbarer werden.

Freilich würde hierbei nach einem Gesichtspunkte zu Verfahren sein, der
allgemeiner und umfassender wäre, als der, welchen man rücksichtlich der Zu¬
lassung der Veteranen der Natur der Sache nach beim Jubiläum zur Norm
machen mußte. Damals waren natürlich alle auszuschließen, welche nicht in
den Reihen der alliirten Armeen gefochten hatten. Man weiß, daß wir in
Sachsen gerade besonders auffallende Gelegenheit zu der Wahrnehmung hatten
und haden, wie nicht alle Länder deutschen Stammes, noch auch innerhalb
eines Landes alle Kreise das Fest überhaupt, geschweige denn im großen
nationalen Sinne begingen. So betrübend es zum mindesten ist, daß die Tra¬
ditionen einzelner Kasten des Volkes selbst an solchen Tagen nicht zurücktreten
wollen hinter der Begeisterung, welche die Massen und die Besten ergreift und
-- wenn sie nur aufrichtig wäre" -- auch gar manchen der abseits Gebliebenen
namentlich bei uns lebhaft benihrt. wo ja auch innerhalb dieses militärischen
Kreises die Erinnerung nicht allen die gleiche rst, sondern sich in Für und



') Wir dürfen hier z, B. an die Beiträge erinnern, welche die beiden vorigen Hefte unsrer
D. Red. Zeitschrift brachten.

Es schadet nichts, wenn auch noch so viel in dieser Richtung ans Licht gebracht
wird; das Eine trägt bei, das Andere zu corrigiren und aus dem Kelter histo¬
rischer Kritik würden mit Hilfe solcher Zeugenvernehmungen immer mehr werth-
volle Thatsachen hervorgehn.

Mit derartigem Sammeln ists aber hoch an der Zeit. Wir haben vorm
Jahre zwar noch eine recht stattliche Zahl von Veteranen im leipziger Festauf'
zuge gesehen, (wenn auch dahingestellt bleiben mag, ob sich bei strenger Con-
trole alle als „echt" behauptet haben würden), und auch anderwärts, nament¬
lich in Berlin, ist ein ganz ansehnliches Contingent aufgetreten; aber diese
theure Schaar wird mit jedem Jahr lichter, noch ein, höchstens zwei Jahrzehnte,
und sie werden sich alle zum großen Appell im Jenseits versammeln. Insbeson¬
dere sollte man fleißig nach Tagebüchern, Briefschaften u. dergl. von damaligen
Offizieren forschen und mündliche Ueberlieferungen glaubwürdiger Zeitgenossen
jener Ereignisse aufbewahren und niederschreiben*). Es könnte ganz wohl eine
nationale Commission gedacht werden, welcher die eingelieferten Aufzeichnungen
und Berichte zu getreuen Händen anzuvertrauen wären. Sie würde zu ordnen,
zu registriren, zu prüfen haben, so daß sich auf diese Weise ein historisches Archiv
für die leipziger Schlacht und weiter für die Befreiungskriege bilden ließe, wel¬
ches, entweder von Zeit zu Zeit in den Urkunden veröffentlicht, oder aber einer
geschickten Hand zur Ueberarbeitung und Auswahl übergeben eine fortlaufende
organische und möglichst allseitige Erweiterung unsrer Kunde zu Weg brächte.
Der Fleiß der kleinen localen Kreise würde durch den Wetteifer für ein solches
Ganzes sicherlich fruchtbarer werden.

Freilich würde hierbei nach einem Gesichtspunkte zu Verfahren sein, der
allgemeiner und umfassender wäre, als der, welchen man rücksichtlich der Zu¬
lassung der Veteranen der Natur der Sache nach beim Jubiläum zur Norm
machen mußte. Damals waren natürlich alle auszuschließen, welche nicht in
den Reihen der alliirten Armeen gefochten hatten. Man weiß, daß wir in
Sachsen gerade besonders auffallende Gelegenheit zu der Wahrnehmung hatten
und haden, wie nicht alle Länder deutschen Stammes, noch auch innerhalb
eines Landes alle Kreise das Fest überhaupt, geschweige denn im großen
nationalen Sinne begingen. So betrübend es zum mindesten ist, daß die Tra¬
ditionen einzelner Kasten des Volkes selbst an solchen Tagen nicht zurücktreten
wollen hinter der Begeisterung, welche die Massen und die Besten ergreift und
— wenn sie nur aufrichtig wäre» — auch gar manchen der abseits Gebliebenen
namentlich bei uns lebhaft benihrt. wo ja auch innerhalb dieses militärischen
Kreises die Erinnerung nicht allen die gleiche rst, sondern sich in Für und



') Wir dürfen hier z, B. an die Beiträge erinnern, welche die beiden vorigen Hefte unsrer
D. Red. Zeitschrift brachten.
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[0158] Es schadet nichts, wenn auch noch so viel in dieser Richtung ans Licht gebracht wird; das Eine trägt bei, das Andere zu corrigiren und aus dem Kelter histo¬ rischer Kritik würden mit Hilfe solcher Zeugenvernehmungen immer mehr werth- volle Thatsachen hervorgehn. Mit derartigem Sammeln ists aber hoch an der Zeit. Wir haben vorm Jahre zwar noch eine recht stattliche Zahl von Veteranen im leipziger Festauf' zuge gesehen, (wenn auch dahingestellt bleiben mag, ob sich bei strenger Con- trole alle als „echt" behauptet haben würden), und auch anderwärts, nament¬ lich in Berlin, ist ein ganz ansehnliches Contingent aufgetreten; aber diese theure Schaar wird mit jedem Jahr lichter, noch ein, höchstens zwei Jahrzehnte, und sie werden sich alle zum großen Appell im Jenseits versammeln. Insbeson¬ dere sollte man fleißig nach Tagebüchern, Briefschaften u. dergl. von damaligen Offizieren forschen und mündliche Ueberlieferungen glaubwürdiger Zeitgenossen jener Ereignisse aufbewahren und niederschreiben*). Es könnte ganz wohl eine nationale Commission gedacht werden, welcher die eingelieferten Aufzeichnungen und Berichte zu getreuen Händen anzuvertrauen wären. Sie würde zu ordnen, zu registriren, zu prüfen haben, so daß sich auf diese Weise ein historisches Archiv für die leipziger Schlacht und weiter für die Befreiungskriege bilden ließe, wel¬ ches, entweder von Zeit zu Zeit in den Urkunden veröffentlicht, oder aber einer geschickten Hand zur Ueberarbeitung und Auswahl übergeben eine fortlaufende organische und möglichst allseitige Erweiterung unsrer Kunde zu Weg brächte. Der Fleiß der kleinen localen Kreise würde durch den Wetteifer für ein solches Ganzes sicherlich fruchtbarer werden. Freilich würde hierbei nach einem Gesichtspunkte zu Verfahren sein, der allgemeiner und umfassender wäre, als der, welchen man rücksichtlich der Zu¬ lassung der Veteranen der Natur der Sache nach beim Jubiläum zur Norm machen mußte. Damals waren natürlich alle auszuschließen, welche nicht in den Reihen der alliirten Armeen gefochten hatten. Man weiß, daß wir in Sachsen gerade besonders auffallende Gelegenheit zu der Wahrnehmung hatten und haden, wie nicht alle Länder deutschen Stammes, noch auch innerhalb eines Landes alle Kreise das Fest überhaupt, geschweige denn im großen nationalen Sinne begingen. So betrübend es zum mindesten ist, daß die Tra¬ ditionen einzelner Kasten des Volkes selbst an solchen Tagen nicht zurücktreten wollen hinter der Begeisterung, welche die Massen und die Besten ergreift und — wenn sie nur aufrichtig wäre» — auch gar manchen der abseits Gebliebenen namentlich bei uns lebhaft benihrt. wo ja auch innerhalb dieses militärischen Kreises die Erinnerung nicht allen die gleiche rst, sondern sich in Für und ') Wir dürfen hier z, B. an die Beiträge erinnern, welche die beiden vorigen Hefte unsrer D. Red. Zeitschrift brachten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/158>, abgerufen am 03.07.2024.