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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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des Herzogs von Schleswig-Holstein zu unterstützen. Aber die Gefahr Oest¬
reichs wurde größer, die englische Diplomatie erwies eine Haltlosigkeit, welche
jedes Vertrauen zu ihr nahm. Jetzt blieb in der That nichts als Preußen.
Was etwa in Deutschland für die Zukunft gerettet werden konnte, auch das
mußte durch Preußen geschehen. Daher der herbe Eifer, mit welchem Oestreich
darauf bestand, sich die künftige Zvlleinigung mit Deutschland zu sichern. Herr
v. Bismarck hat, wie man erzählt, das Verdienst, seinen König von der Reise
nach Frankfurt abgehalten zu haben, dieser letzten Forderung Oestreichs aber
hat er wahrscheinlich für seine Person mehr eingeräumt, als klug war, und es
wird die volle Energie der preußischen Fachministerien nöthig werden, um dem
nahenden Gegner auch diese Hinterthür verschlossen zu halten.

Unterdeß wurden dre Besorgnisse Oestreichs durch die neue Convention
zwischen Frankreich und Italien gesteigert. Dies merkwürdige Abkommen prägt
das Wesen des Kaisers der Franzosen so deutlich aus, wie vielleicht kein an¬
deres diplomatisches Schriftwerk seiner Negierung. Es ist an sich so einfach,
es deckt vorsichtig nach allen Seiten und doch eröffnet es nach allen Seiten
lockende Möglichkeiten und vermag wohl eine gänzliche Umgestaltung der ita¬
lienischen Verhältnisse hervorzubringen. Für Frankreich ist freie Hand gewahrt.
Es mag den Papst beschützen, es mag Venetien bei Oestreich erhalten, es kann
dem König Victor Emanuel verstatten, die weltliche Macht des Papstes dadurch
zu erhalten, daß der König den Papst unter seine Vormundschaft zwingt, seine
Truppen an die Stelle der französischen setzt und thatsächlich die Herrschaft über
Rom behauptet, bis der Augenblick gekommen ist, sie vollständig in Anspruch
zu nehmen. Daß man in Rom das Aergste fürchtet, verräth der Zorn der
Klerikalen. Zu gleicher Zeit aber hat der Kaiser Sorge getragen, den übrigen
Mächten Europas seine friedlichen Absichten auch in dieser Frage vorzulegen.
Er verzichtet hochherzig auf eine Occupation, welche fortwährend Vorwürfe gegen
die Herrschsucht Frankreichs veranlaßte, er hat den König von Italien gebunden
und verpflichtet Ruhe zu halten und das Gebiet des Papstes zu respectiren.
Er ist durchaus nicht der Ansicht, den Besitzstand Oestreichs zu gefährden, falls
dies ihm nämlich nicht zwingende Veranlassung giebt. Ja er wünscht die Bei¬
stimmung Oestreichs zu dem Vertrage, und er wird nichts dagegen einwenden,
wenn durch diese Beistimmung in dem Rom, welches keine französische Besatzung
mehr hat, dem König von Italien der zu erwartende Einfluß verringert wer¬
den sollte.

In Wien war eine erste Wirkung dieser Convention die Erkenntniß, daß
jetzt mehr als je ein gutes Verhältniß zu Preußen und Nachgiebigkeit geboten
sei. Denn in der That war die Lage so geworden, daß jeder falsche Schritt
in einen Krieg mit Frankreich und Italien verwickeln mußte, bei welchem das
übrige Europa dem Kaiserstaat nicht das beste Glück gönnen mochte.


des Herzogs von Schleswig-Holstein zu unterstützen. Aber die Gefahr Oest¬
reichs wurde größer, die englische Diplomatie erwies eine Haltlosigkeit, welche
jedes Vertrauen zu ihr nahm. Jetzt blieb in der That nichts als Preußen.
Was etwa in Deutschland für die Zukunft gerettet werden konnte, auch das
mußte durch Preußen geschehen. Daher der herbe Eifer, mit welchem Oestreich
darauf bestand, sich die künftige Zvlleinigung mit Deutschland zu sichern. Herr
v. Bismarck hat, wie man erzählt, das Verdienst, seinen König von der Reise
nach Frankfurt abgehalten zu haben, dieser letzten Forderung Oestreichs aber
hat er wahrscheinlich für seine Person mehr eingeräumt, als klug war, und es
wird die volle Energie der preußischen Fachministerien nöthig werden, um dem
nahenden Gegner auch diese Hinterthür verschlossen zu halten.

Unterdeß wurden dre Besorgnisse Oestreichs durch die neue Convention
zwischen Frankreich und Italien gesteigert. Dies merkwürdige Abkommen prägt
das Wesen des Kaisers der Franzosen so deutlich aus, wie vielleicht kein an¬
deres diplomatisches Schriftwerk seiner Negierung. Es ist an sich so einfach,
es deckt vorsichtig nach allen Seiten und doch eröffnet es nach allen Seiten
lockende Möglichkeiten und vermag wohl eine gänzliche Umgestaltung der ita¬
lienischen Verhältnisse hervorzubringen. Für Frankreich ist freie Hand gewahrt.
Es mag den Papst beschützen, es mag Venetien bei Oestreich erhalten, es kann
dem König Victor Emanuel verstatten, die weltliche Macht des Papstes dadurch
zu erhalten, daß der König den Papst unter seine Vormundschaft zwingt, seine
Truppen an die Stelle der französischen setzt und thatsächlich die Herrschaft über
Rom behauptet, bis der Augenblick gekommen ist, sie vollständig in Anspruch
zu nehmen. Daß man in Rom das Aergste fürchtet, verräth der Zorn der
Klerikalen. Zu gleicher Zeit aber hat der Kaiser Sorge getragen, den übrigen
Mächten Europas seine friedlichen Absichten auch in dieser Frage vorzulegen.
Er verzichtet hochherzig auf eine Occupation, welche fortwährend Vorwürfe gegen
die Herrschsucht Frankreichs veranlaßte, er hat den König von Italien gebunden
und verpflichtet Ruhe zu halten und das Gebiet des Papstes zu respectiren.
Er ist durchaus nicht der Ansicht, den Besitzstand Oestreichs zu gefährden, falls
dies ihm nämlich nicht zwingende Veranlassung giebt. Ja er wünscht die Bei¬
stimmung Oestreichs zu dem Vertrage, und er wird nichts dagegen einwenden,
wenn durch diese Beistimmung in dem Rom, welches keine französische Besatzung
mehr hat, dem König von Italien der zu erwartende Einfluß verringert wer¬
den sollte.

In Wien war eine erste Wirkung dieser Convention die Erkenntniß, daß
jetzt mehr als je ein gutes Verhältniß zu Preußen und Nachgiebigkeit geboten
sei. Denn in der That war die Lage so geworden, daß jeder falsche Schritt
in einen Krieg mit Frankreich und Italien verwickeln mußte, bei welchem das
übrige Europa dem Kaiserstaat nicht das beste Glück gönnen mochte.


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[0155] des Herzogs von Schleswig-Holstein zu unterstützen. Aber die Gefahr Oest¬ reichs wurde größer, die englische Diplomatie erwies eine Haltlosigkeit, welche jedes Vertrauen zu ihr nahm. Jetzt blieb in der That nichts als Preußen. Was etwa in Deutschland für die Zukunft gerettet werden konnte, auch das mußte durch Preußen geschehen. Daher der herbe Eifer, mit welchem Oestreich darauf bestand, sich die künftige Zvlleinigung mit Deutschland zu sichern. Herr v. Bismarck hat, wie man erzählt, das Verdienst, seinen König von der Reise nach Frankfurt abgehalten zu haben, dieser letzten Forderung Oestreichs aber hat er wahrscheinlich für seine Person mehr eingeräumt, als klug war, und es wird die volle Energie der preußischen Fachministerien nöthig werden, um dem nahenden Gegner auch diese Hinterthür verschlossen zu halten. Unterdeß wurden dre Besorgnisse Oestreichs durch die neue Convention zwischen Frankreich und Italien gesteigert. Dies merkwürdige Abkommen prägt das Wesen des Kaisers der Franzosen so deutlich aus, wie vielleicht kein an¬ deres diplomatisches Schriftwerk seiner Negierung. Es ist an sich so einfach, es deckt vorsichtig nach allen Seiten und doch eröffnet es nach allen Seiten lockende Möglichkeiten und vermag wohl eine gänzliche Umgestaltung der ita¬ lienischen Verhältnisse hervorzubringen. Für Frankreich ist freie Hand gewahrt. Es mag den Papst beschützen, es mag Venetien bei Oestreich erhalten, es kann dem König Victor Emanuel verstatten, die weltliche Macht des Papstes dadurch zu erhalten, daß der König den Papst unter seine Vormundschaft zwingt, seine Truppen an die Stelle der französischen setzt und thatsächlich die Herrschaft über Rom behauptet, bis der Augenblick gekommen ist, sie vollständig in Anspruch zu nehmen. Daß man in Rom das Aergste fürchtet, verräth der Zorn der Klerikalen. Zu gleicher Zeit aber hat der Kaiser Sorge getragen, den übrigen Mächten Europas seine friedlichen Absichten auch in dieser Frage vorzulegen. Er verzichtet hochherzig auf eine Occupation, welche fortwährend Vorwürfe gegen die Herrschsucht Frankreichs veranlaßte, er hat den König von Italien gebunden und verpflichtet Ruhe zu halten und das Gebiet des Papstes zu respectiren. Er ist durchaus nicht der Ansicht, den Besitzstand Oestreichs zu gefährden, falls dies ihm nämlich nicht zwingende Veranlassung giebt. Ja er wünscht die Bei¬ stimmung Oestreichs zu dem Vertrage, und er wird nichts dagegen einwenden, wenn durch diese Beistimmung in dem Rom, welches keine französische Besatzung mehr hat, dem König von Italien der zu erwartende Einfluß verringert wer¬ den sollte. In Wien war eine erste Wirkung dieser Convention die Erkenntniß, daß jetzt mehr als je ein gutes Verhältniß zu Preußen und Nachgiebigkeit geboten sei. Denn in der That war die Lage so geworden, daß jeder falsche Schritt in einen Krieg mit Frankreich und Italien verwickeln mußte, bei welchem das übrige Europa dem Kaiserstaat nicht das beste Glück gönnen mochte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/155>, abgerufen am 03.07.2024.