Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Frage der Herzogtümer noch seltsamer. Auch dort hat die Politik des
Grafen Nechberg in dem letzten Jahre eine große Schwenkung gemacht. Die
kaiserliche Regierung trat in die Verwicklung mit dänischen Sympathien. Sie
befreundete sich allmälig mit der Candidatur des Augustenburgers, aber unter
der Bedingung, daß aus ihr für Preußen kein Machtzuwachs erfolge. Noch
zur Zeit der vielbesprochenen Reise des Herzogs nach Berlin fand diese Be¬
fürchtung in der inspirirter wiener Presse lebhaften Ausdruck. Jetzt ist Oest¬
reich so weit, daß es auch gegen die Verträge des neuen Herzogs mit Preußen
schwerlich etwas einwenden wird.

Die letzten Gründe dieser großen Umwandlung sind aber zu Wien nickt,
wie zu Berlin, in einem graziösen Wechsel in den Stimmungen des Minister¬
präsidenten zu suchen, sie sind veranlaßt durch die gefährliche Situation des
Kaiserstaats. Und wer über die Interessen seiner Partei heraus unbefangen die
Lage dieses Staates beurtheilt, darf der Politik des Grafen Rechberg nicht das
Zeugniß versagen.., daß sie mit verständigem Entschluß und Selbstüberwindung
gerade das gethan hat, was für Oestreich das Nichtige war.

Oestreich war vor dem Fürsiencvngreß zu Frankfurt ohne Alliirte, ja es
war von lauernden Gegnern umgeben, mit Nußland unsühnbar verfeindet, zu
Frankreich durch die italienische Frage in einer abgeneigten Stellung, die durch
alle gelegentlichen Versuche beider Theile sich zu nähern nicht gebessert werden
konnte. Mit Preußen stand das Cabinet von Wien seit dem Ministerium Bis"
marck in einem Notenkrieg, der so grob geworden war, daß diese Erzeugnisse
des diplomatischen Stils noch lange einer bewundernden Zukunft für merk¬
würdige Documente gelten werden. Nur England war wohlwollend und die
Mittelstaaten sympathisirten im Widerwillen gegen Preußen. In dieser Lage
suchte der Kaiser sich die kleineren deutschen Staaten fest zu verbinden. Die
Tage von Frankfurt erwiesen sich als ein unglücklicher Versuch. Da es nicht
gelang den König von Preußen heranzuziehen, da die deutschen Könige die
Hoffnung verloren, den alten Dualismus zwischen Preußen und Oestreich, die
letzte Grundlage ihrer Existenz, in der neuen Verfassung conservirt zu sehen,
so versagten dem Kaiser die Mittelstaatcn; an der Widerspenstigkeit der deut¬
schen Verbündeten scheiterte der Versuch. Er gab dem Kaiser die Ueberzeugung,
daß aus diese Regierungen nicht zu rechnen, bei ihnen für Oestreich keine Stütze
zu finden sei. Die Lehre war nicht verloren; wie bitter die Aufgabe war, von
diesem Tage begann die Annäherung an Preußen. Mit guter Haltung ging
Graf Nechberg Schritt für Schritt in dem Wege vorwärts. den er für das Heil
seines Staates unvermeidlich hielt. Er zögerte und lavirte, so lange er der
Ansicht war auf England vertrauen zu können. Als er erfuhr, daß man in
England selbst das londoner Protokoll und damit die Herzogthümer preisgab,
entschloß er sich wieder kurz und erklärte seine Bereitwilligkeit, die Candidatur


in der Frage der Herzogtümer noch seltsamer. Auch dort hat die Politik des
Grafen Nechberg in dem letzten Jahre eine große Schwenkung gemacht. Die
kaiserliche Regierung trat in die Verwicklung mit dänischen Sympathien. Sie
befreundete sich allmälig mit der Candidatur des Augustenburgers, aber unter
der Bedingung, daß aus ihr für Preußen kein Machtzuwachs erfolge. Noch
zur Zeit der vielbesprochenen Reise des Herzogs nach Berlin fand diese Be¬
fürchtung in der inspirirter wiener Presse lebhaften Ausdruck. Jetzt ist Oest¬
reich so weit, daß es auch gegen die Verträge des neuen Herzogs mit Preußen
schwerlich etwas einwenden wird.

Die letzten Gründe dieser großen Umwandlung sind aber zu Wien nickt,
wie zu Berlin, in einem graziösen Wechsel in den Stimmungen des Minister¬
präsidenten zu suchen, sie sind veranlaßt durch die gefährliche Situation des
Kaiserstaats. Und wer über die Interessen seiner Partei heraus unbefangen die
Lage dieses Staates beurtheilt, darf der Politik des Grafen Rechberg nicht das
Zeugniß versagen.., daß sie mit verständigem Entschluß und Selbstüberwindung
gerade das gethan hat, was für Oestreich das Nichtige war.

Oestreich war vor dem Fürsiencvngreß zu Frankfurt ohne Alliirte, ja es
war von lauernden Gegnern umgeben, mit Nußland unsühnbar verfeindet, zu
Frankreich durch die italienische Frage in einer abgeneigten Stellung, die durch
alle gelegentlichen Versuche beider Theile sich zu nähern nicht gebessert werden
konnte. Mit Preußen stand das Cabinet von Wien seit dem Ministerium Bis«
marck in einem Notenkrieg, der so grob geworden war, daß diese Erzeugnisse
des diplomatischen Stils noch lange einer bewundernden Zukunft für merk¬
würdige Documente gelten werden. Nur England war wohlwollend und die
Mittelstaaten sympathisirten im Widerwillen gegen Preußen. In dieser Lage
suchte der Kaiser sich die kleineren deutschen Staaten fest zu verbinden. Die
Tage von Frankfurt erwiesen sich als ein unglücklicher Versuch. Da es nicht
gelang den König von Preußen heranzuziehen, da die deutschen Könige die
Hoffnung verloren, den alten Dualismus zwischen Preußen und Oestreich, die
letzte Grundlage ihrer Existenz, in der neuen Verfassung conservirt zu sehen,
so versagten dem Kaiser die Mittelstaatcn; an der Widerspenstigkeit der deut¬
schen Verbündeten scheiterte der Versuch. Er gab dem Kaiser die Ueberzeugung,
daß aus diese Regierungen nicht zu rechnen, bei ihnen für Oestreich keine Stütze
zu finden sei. Die Lehre war nicht verloren; wie bitter die Aufgabe war, von
diesem Tage begann die Annäherung an Preußen. Mit guter Haltung ging
Graf Nechberg Schritt für Schritt in dem Wege vorwärts. den er für das Heil
seines Staates unvermeidlich hielt. Er zögerte und lavirte, so lange er der
Ansicht war auf England vertrauen zu können. Als er erfuhr, daß man in
England selbst das londoner Protokoll und damit die Herzogthümer preisgab,
entschloß er sich wieder kurz und erklärte seine Bereitwilligkeit, die Candidatur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189778"/>
          <p xml:id="ID_591" prev="#ID_590"> in der Frage der Herzogtümer noch seltsamer. Auch dort hat die Politik des<lb/>
Grafen Nechberg in dem letzten Jahre eine große Schwenkung gemacht. Die<lb/>
kaiserliche Regierung trat in die Verwicklung mit dänischen Sympathien. Sie<lb/>
befreundete sich allmälig mit der Candidatur des Augustenburgers, aber unter<lb/>
der Bedingung, daß aus ihr für Preußen kein Machtzuwachs erfolge. Noch<lb/>
zur Zeit der vielbesprochenen Reise des Herzogs nach Berlin fand diese Be¬<lb/>
fürchtung in der inspirirter wiener Presse lebhaften Ausdruck. Jetzt ist Oest¬<lb/>
reich so weit, daß es auch gegen die Verträge des neuen Herzogs mit Preußen<lb/>
schwerlich etwas einwenden wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_592"> Die letzten Gründe dieser großen Umwandlung sind aber zu Wien nickt,<lb/>
wie zu Berlin, in einem graziösen Wechsel in den Stimmungen des Minister¬<lb/>
präsidenten zu suchen, sie sind veranlaßt durch die gefährliche Situation des<lb/>
Kaiserstaats. Und wer über die Interessen seiner Partei heraus unbefangen die<lb/>
Lage dieses Staates beurtheilt, darf der Politik des Grafen Rechberg nicht das<lb/>
Zeugniß versagen.., daß sie mit verständigem Entschluß und Selbstüberwindung<lb/>
gerade das gethan hat, was für Oestreich das Nichtige war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_593" next="#ID_594"> Oestreich war vor dem Fürsiencvngreß zu Frankfurt ohne Alliirte, ja es<lb/>
war von lauernden Gegnern umgeben, mit Nußland unsühnbar verfeindet, zu<lb/>
Frankreich durch die italienische Frage in einer abgeneigten Stellung, die durch<lb/>
alle gelegentlichen Versuche beider Theile sich zu nähern nicht gebessert werden<lb/>
konnte. Mit Preußen stand das Cabinet von Wien seit dem Ministerium Bis«<lb/>
marck in einem Notenkrieg, der so grob geworden war, daß diese Erzeugnisse<lb/>
des diplomatischen Stils noch lange einer bewundernden Zukunft für merk¬<lb/>
würdige Documente gelten werden. Nur England war wohlwollend und die<lb/>
Mittelstaaten sympathisirten im Widerwillen gegen Preußen. In dieser Lage<lb/>
suchte der Kaiser sich die kleineren deutschen Staaten fest zu verbinden. Die<lb/>
Tage von Frankfurt erwiesen sich als ein unglücklicher Versuch. Da es nicht<lb/>
gelang den König von Preußen heranzuziehen, da die deutschen Könige die<lb/>
Hoffnung verloren, den alten Dualismus zwischen Preußen und Oestreich, die<lb/>
letzte Grundlage ihrer Existenz, in der neuen Verfassung conservirt zu sehen,<lb/>
so versagten dem Kaiser die Mittelstaatcn; an der Widerspenstigkeit der deut¬<lb/>
schen Verbündeten scheiterte der Versuch. Er gab dem Kaiser die Ueberzeugung,<lb/>
daß aus diese Regierungen nicht zu rechnen, bei ihnen für Oestreich keine Stütze<lb/>
zu finden sei. Die Lehre war nicht verloren; wie bitter die Aufgabe war, von<lb/>
diesem Tage begann die Annäherung an Preußen. Mit guter Haltung ging<lb/>
Graf Nechberg Schritt für Schritt in dem Wege vorwärts. den er für das Heil<lb/>
seines Staates unvermeidlich hielt. Er zögerte und lavirte, so lange er der<lb/>
Ansicht war auf England vertrauen zu können. Als er erfuhr, daß man in<lb/>
England selbst das londoner Protokoll und damit die Herzogthümer preisgab,<lb/>
entschloß er sich wieder kurz und erklärte seine Bereitwilligkeit, die Candidatur</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0154] in der Frage der Herzogtümer noch seltsamer. Auch dort hat die Politik des Grafen Nechberg in dem letzten Jahre eine große Schwenkung gemacht. Die kaiserliche Regierung trat in die Verwicklung mit dänischen Sympathien. Sie befreundete sich allmälig mit der Candidatur des Augustenburgers, aber unter der Bedingung, daß aus ihr für Preußen kein Machtzuwachs erfolge. Noch zur Zeit der vielbesprochenen Reise des Herzogs nach Berlin fand diese Be¬ fürchtung in der inspirirter wiener Presse lebhaften Ausdruck. Jetzt ist Oest¬ reich so weit, daß es auch gegen die Verträge des neuen Herzogs mit Preußen schwerlich etwas einwenden wird. Die letzten Gründe dieser großen Umwandlung sind aber zu Wien nickt, wie zu Berlin, in einem graziösen Wechsel in den Stimmungen des Minister¬ präsidenten zu suchen, sie sind veranlaßt durch die gefährliche Situation des Kaiserstaats. Und wer über die Interessen seiner Partei heraus unbefangen die Lage dieses Staates beurtheilt, darf der Politik des Grafen Rechberg nicht das Zeugniß versagen.., daß sie mit verständigem Entschluß und Selbstüberwindung gerade das gethan hat, was für Oestreich das Nichtige war. Oestreich war vor dem Fürsiencvngreß zu Frankfurt ohne Alliirte, ja es war von lauernden Gegnern umgeben, mit Nußland unsühnbar verfeindet, zu Frankreich durch die italienische Frage in einer abgeneigten Stellung, die durch alle gelegentlichen Versuche beider Theile sich zu nähern nicht gebessert werden konnte. Mit Preußen stand das Cabinet von Wien seit dem Ministerium Bis« marck in einem Notenkrieg, der so grob geworden war, daß diese Erzeugnisse des diplomatischen Stils noch lange einer bewundernden Zukunft für merk¬ würdige Documente gelten werden. Nur England war wohlwollend und die Mittelstaaten sympathisirten im Widerwillen gegen Preußen. In dieser Lage suchte der Kaiser sich die kleineren deutschen Staaten fest zu verbinden. Die Tage von Frankfurt erwiesen sich als ein unglücklicher Versuch. Da es nicht gelang den König von Preußen heranzuziehen, da die deutschen Könige die Hoffnung verloren, den alten Dualismus zwischen Preußen und Oestreich, die letzte Grundlage ihrer Existenz, in der neuen Verfassung conservirt zu sehen, so versagten dem Kaiser die Mittelstaatcn; an der Widerspenstigkeit der deut¬ schen Verbündeten scheiterte der Versuch. Er gab dem Kaiser die Ueberzeugung, daß aus diese Regierungen nicht zu rechnen, bei ihnen für Oestreich keine Stütze zu finden sei. Die Lehre war nicht verloren; wie bitter die Aufgabe war, von diesem Tage begann die Annäherung an Preußen. Mit guter Haltung ging Graf Nechberg Schritt für Schritt in dem Wege vorwärts. den er für das Heil seines Staates unvermeidlich hielt. Er zögerte und lavirte, so lange er der Ansicht war auf England vertrauen zu können. Als er erfuhr, daß man in England selbst das londoner Protokoll und damit die Herzogthümer preisgab, entschloß er sich wieder kurz und erklärte seine Bereitwilligkeit, die Candidatur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/154
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/154>, abgerufen am 01.10.2024.