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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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aus dem schönen Lande von Stadt zu Stadt bis in die Hölle, von wo es der
alte Neid heraufgesendet, scheuchen wird."

Daß die am Is. September zwischen Frankreich und Italien abgeschlossene
Convention einen Schritt auf dem Wege nach Rom bedeutet, wird heute nie¬
mand mehr im Ernst bestreiten. Selbst wenn die Absicht des Vertrags eine
andere wäre, seine Wirkung könnte keine andere sein. Frankreich mußte zum
mindesten sich sagen, daß der Vertrag das Ende des weltlichen Papstthums her¬
beiführen könne, daß von Seiten Italiens eben dieser Gedanke das Mono
zum Abschluß war, ist so offen eingestanden worden, als es unter den Umstan¬
den anging. Wie hätten auch die italienischen Staatsmänner L. Napoleon
so lange um den Vertrag sollicitiren sollen, wenn er nicht in das System ver
italienischen Politik paßte? Wie hätten sie so eifrig auf die Räumung Roms
dringen sollen, die ihnen ja gleichgiltig sein mußte, wenn ihnen doch auch
nach der Räumung die Thore der Stadt für immer verschlossen blieben? Wie
konnten sie auf das ernste Opfer der Verlegung der Hauptstadt sich einlassen,
wenn ihnen nicht wichtige Vvrheile dafür in Aussicht standen? Indem Ftcutt-
rcich mit Italien über das Schicksal Roms einen Vertrag abschließt, räumt es
Italien zum mindesten einen Antheil an dem Dispositionsrecht über Rom ein>
das es bisher allein gehabt. Frankreich steht -- dies ist das eine Ergebniß des
Scptcmocrvertrags -- künftig in Rom nicht mehr kraft seiner einseitigen Interven¬
tion, nicht mehr kraft des päpstlichen Hilferufs, sondern kraft eines Vertrags,
dessen einer Paciscent das Königreich Italien ist. Schon dies verändert die
Lage total. Italien hatte bisher nur die Nationalitätsansprüche auf Rom; künftig
hat es ein vertragsmäßiges Recht, in den römischen Dingen mitzusprechen. Seine
Absichten auf Rom waren eine bloße Velleität; künftig stützen sie sich auf eine
Rechtsbasis. Allerdings das Recht legt ihm Pflichten auf, welche genau for-
mulirt worden sind. Aber das Bezeichnende ist nun eben dies, daß Italien
auch bei strictester Beobachtung der übernommenen Verbindlichkeiten seiner Sache
sicher zu fein glaubt.

Was ist der Inhalt des Vertrags? Binnen zwei Jahren (von der Pro-
mulgirung des königl. Decrets über die Verlegung der Hauptstadt an ge¬
rechnet, wie nachträglich die Erklärung vom 3. October besagt) räumen die
Franzosen Rom. Victor Emanuel respectirt das päpstliche Gebiet, ja er wird
sogar dessen Schuhpatron, indem er es auch gegen die Invasion von Freischaa-
ren schützt. Also gegen jeden aus.wärtigen Angriff ist der Papst durch das Wort
Italiens, durch die Bürgschaft Frankreichs gedeckt. Von dieser Seite kann er
ruhig schlafen. Aber wie, wenn die von ihm etwa zu, erwartenden Reformen
nicht im Stande wären, die ungewohnte Tugend der Loyalität wieder in die
Herzen seiner Unterthanen zu pflanzen? Wenn die zu schaffende kosmopolitische
Leibgarde nicht im Stande wäre, das Votum zurückzuhalten, das schon im


aus dem schönen Lande von Stadt zu Stadt bis in die Hölle, von wo es der
alte Neid heraufgesendet, scheuchen wird."

Daß die am Is. September zwischen Frankreich und Italien abgeschlossene
Convention einen Schritt auf dem Wege nach Rom bedeutet, wird heute nie¬
mand mehr im Ernst bestreiten. Selbst wenn die Absicht des Vertrags eine
andere wäre, seine Wirkung könnte keine andere sein. Frankreich mußte zum
mindesten sich sagen, daß der Vertrag das Ende des weltlichen Papstthums her¬
beiführen könne, daß von Seiten Italiens eben dieser Gedanke das Mono
zum Abschluß war, ist so offen eingestanden worden, als es unter den Umstan¬
den anging. Wie hätten auch die italienischen Staatsmänner L. Napoleon
so lange um den Vertrag sollicitiren sollen, wenn er nicht in das System ver
italienischen Politik paßte? Wie hätten sie so eifrig auf die Räumung Roms
dringen sollen, die ihnen ja gleichgiltig sein mußte, wenn ihnen doch auch
nach der Räumung die Thore der Stadt für immer verschlossen blieben? Wie
konnten sie auf das ernste Opfer der Verlegung der Hauptstadt sich einlassen,
wenn ihnen nicht wichtige Vvrheile dafür in Aussicht standen? Indem Ftcutt-
rcich mit Italien über das Schicksal Roms einen Vertrag abschließt, räumt es
Italien zum mindesten einen Antheil an dem Dispositionsrecht über Rom ein>
das es bisher allein gehabt. Frankreich steht — dies ist das eine Ergebniß des
Scptcmocrvertrags — künftig in Rom nicht mehr kraft seiner einseitigen Interven¬
tion, nicht mehr kraft des päpstlichen Hilferufs, sondern kraft eines Vertrags,
dessen einer Paciscent das Königreich Italien ist. Schon dies verändert die
Lage total. Italien hatte bisher nur die Nationalitätsansprüche auf Rom; künftig
hat es ein vertragsmäßiges Recht, in den römischen Dingen mitzusprechen. Seine
Absichten auf Rom waren eine bloße Velleität; künftig stützen sie sich auf eine
Rechtsbasis. Allerdings das Recht legt ihm Pflichten auf, welche genau for-
mulirt worden sind. Aber das Bezeichnende ist nun eben dies, daß Italien
auch bei strictester Beobachtung der übernommenen Verbindlichkeiten seiner Sache
sicher zu fein glaubt.

Was ist der Inhalt des Vertrags? Binnen zwei Jahren (von der Pro-
mulgirung des königl. Decrets über die Verlegung der Hauptstadt an ge¬
rechnet, wie nachträglich die Erklärung vom 3. October besagt) räumen die
Franzosen Rom. Victor Emanuel respectirt das päpstliche Gebiet, ja er wird
sogar dessen Schuhpatron, indem er es auch gegen die Invasion von Freischaa-
ren schützt. Also gegen jeden aus.wärtigen Angriff ist der Papst durch das Wort
Italiens, durch die Bürgschaft Frankreichs gedeckt. Von dieser Seite kann er
ruhig schlafen. Aber wie, wenn die von ihm etwa zu, erwartenden Reformen
nicht im Stande wären, die ungewohnte Tugend der Loyalität wieder in die
Herzen seiner Unterthanen zu pflanzen? Wenn die zu schaffende kosmopolitische
Leibgarde nicht im Stande wäre, das Votum zurückzuhalten, das schon im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/145>, abgerufen am 03.07.2024.