Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm sein Gut ab und schleppte ihn als Geisel gegen Sachsen mit sich fort,
erst in die böhmischen Wälder, dann nach dem Werber Wellatze bei Mernsdorf
in der Herrschaft Storkow. Sofort sandte Sachsen wieder streifende Rotten
wider ihn aus, auch andere kleine Staaten boten die Hand zur Verfolgung des
kühnen Fedders; nur Brandenburg weigerte sich auch ferner, gegen denselben
einzuschreiten, doch ließ der Kurfürst es jetzt wenigstens geschehen, daß Kohl¬
hase auch auf seinem Gebiete von den Sachsen verfolgt wurde.

Diese Jagd hatte keinen Erfolg. Dagegen machten die Unterthanen der
Gebrüder v. Birtholz das Versteck Kvhlhases auf jenem Werber ausfindig, und
am 11. August 1538 setzte eine überlegne Schaar auf einem Kahn dahin über
und bemächtigte sich nach heftigem Kampfe des gefangenen Reiche sowie eines
Knechts des Fedders. Letzterer selbst entsprang nach dem Kahne, erreichte glück¬
lich das andere Ufer und tauchte erst wieder in Helmstädt auf, wo er an Anton
v. Sandersleben, dem gleichzeitigen Bcfchdcr Braunschweigs, einen Freund
hatte. Auch die Gefangennehmung des Knechts und Reiches hatte zunächst
keine günstige Folge für Sachsen. Ersterer wurde an die dem Bischof von Lebus
zuständigen Gerichte von Storkow abgeliefert, und letzteren behielten die Ge¬
brüder v. Birkholz noch geraume Zeit im Gewahrsam. Vergeblich bat der
wittenberger Landvogt den Bischof, den Knecht mit Anwendung der Tortur
verhören.zu dürfen, umsonst schickte man zu diesem Zweck einen Gesandten an
ihn ab, ohne Erfolg wandte man sich an den Landvogt des Bischofs in Lübben.
Der geistliche Herr war schon als Katholik den Sachsen nicht geneigt, er hielt
es serner als Kleriker für seinem Rufe nachtheilig, peinliche Befragung zu ge¬
statten, und er stand übrigens mit seiner rechtlichen Ueberzeugung auf Seiten
Kohlhases, der ihm nach seiner Flucht einen Besuch abgestattet und ihm Bericht
über seinen Streit gemacht hatte. Erst durch die heftigsten Drohungen erreichte
man, daß der Bischof nachgab, aber die Geständnisse, die der Gefangne jetzt
unter den Marterwerkzeugen des sächsischen Henkers ablegte, waren nicht von
Bedeutung, und da er zu weiterer peinlicher Befragung zu schwach war, be¬
gnügte man sich, ihn kurzweg hinzurichten.

Durch die Thätigkeit der sächsischen Behörden auf brandenburgischen Gebiet,
die Einziehung hier wohnhafter Leute, die Abwägung von Schuld oder Unschuld
derselben durch die wittenberger Juristenfacultät war das Verhältniß der betreffenden
Staaten zu einander nicht besser geworden. In der Mark glaubten Viele an
Kohlhases Recht, und noch mehre verdroß die Einmischung der Fremden, auch
hatte Kohlhasc an seiner Verwandtschaft und manchen hochstehenden Freunden
eine Stütze, und er war jetzt nicht mehr der Mann, zu schonen. Mit großer
Gewandtheit entzog er sich allen Nachstellungen, bald tauchte er hier, bald dort
auf, heute fiel hier einer seiner Schläge, morgen dort. Was er ausführte, that
er gewöhnlich mit drei, bisweilen fünf, selten mehr Genossen. Die Gesellen,


ihm sein Gut ab und schleppte ihn als Geisel gegen Sachsen mit sich fort,
erst in die böhmischen Wälder, dann nach dem Werber Wellatze bei Mernsdorf
in der Herrschaft Storkow. Sofort sandte Sachsen wieder streifende Rotten
wider ihn aus, auch andere kleine Staaten boten die Hand zur Verfolgung des
kühnen Fedders; nur Brandenburg weigerte sich auch ferner, gegen denselben
einzuschreiten, doch ließ der Kurfürst es jetzt wenigstens geschehen, daß Kohl¬
hase auch auf seinem Gebiete von den Sachsen verfolgt wurde.

Diese Jagd hatte keinen Erfolg. Dagegen machten die Unterthanen der
Gebrüder v. Birtholz das Versteck Kvhlhases auf jenem Werber ausfindig, und
am 11. August 1538 setzte eine überlegne Schaar auf einem Kahn dahin über
und bemächtigte sich nach heftigem Kampfe des gefangenen Reiche sowie eines
Knechts des Fedders. Letzterer selbst entsprang nach dem Kahne, erreichte glück¬
lich das andere Ufer und tauchte erst wieder in Helmstädt auf, wo er an Anton
v. Sandersleben, dem gleichzeitigen Bcfchdcr Braunschweigs, einen Freund
hatte. Auch die Gefangennehmung des Knechts und Reiches hatte zunächst
keine günstige Folge für Sachsen. Ersterer wurde an die dem Bischof von Lebus
zuständigen Gerichte von Storkow abgeliefert, und letzteren behielten die Ge¬
brüder v. Birkholz noch geraume Zeit im Gewahrsam. Vergeblich bat der
wittenberger Landvogt den Bischof, den Knecht mit Anwendung der Tortur
verhören.zu dürfen, umsonst schickte man zu diesem Zweck einen Gesandten an
ihn ab, ohne Erfolg wandte man sich an den Landvogt des Bischofs in Lübben.
Der geistliche Herr war schon als Katholik den Sachsen nicht geneigt, er hielt
es serner als Kleriker für seinem Rufe nachtheilig, peinliche Befragung zu ge¬
statten, und er stand übrigens mit seiner rechtlichen Ueberzeugung auf Seiten
Kohlhases, der ihm nach seiner Flucht einen Besuch abgestattet und ihm Bericht
über seinen Streit gemacht hatte. Erst durch die heftigsten Drohungen erreichte
man, daß der Bischof nachgab, aber die Geständnisse, die der Gefangne jetzt
unter den Marterwerkzeugen des sächsischen Henkers ablegte, waren nicht von
Bedeutung, und da er zu weiterer peinlicher Befragung zu schwach war, be¬
gnügte man sich, ihn kurzweg hinzurichten.

Durch die Thätigkeit der sächsischen Behörden auf brandenburgischen Gebiet,
die Einziehung hier wohnhafter Leute, die Abwägung von Schuld oder Unschuld
derselben durch die wittenberger Juristenfacultät war das Verhältniß der betreffenden
Staaten zu einander nicht besser geworden. In der Mark glaubten Viele an
Kohlhases Recht, und noch mehre verdroß die Einmischung der Fremden, auch
hatte Kohlhasc an seiner Verwandtschaft und manchen hochstehenden Freunden
eine Stütze, und er war jetzt nicht mehr der Mann, zu schonen. Mit großer
Gewandtheit entzog er sich allen Nachstellungen, bald tauchte er hier, bald dort
auf, heute fiel hier einer seiner Schläge, morgen dort. Was er ausführte, that
er gewöhnlich mit drei, bisweilen fünf, selten mehr Genossen. Die Gesellen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189191"/>
          <p xml:id="ID_284" prev="#ID_283"> ihm sein Gut ab und schleppte ihn als Geisel gegen Sachsen mit sich fort,<lb/>
erst in die böhmischen Wälder, dann nach dem Werber Wellatze bei Mernsdorf<lb/>
in der Herrschaft Storkow. Sofort sandte Sachsen wieder streifende Rotten<lb/>
wider ihn aus, auch andere kleine Staaten boten die Hand zur Verfolgung des<lb/>
kühnen Fedders; nur Brandenburg weigerte sich auch ferner, gegen denselben<lb/>
einzuschreiten, doch ließ der Kurfürst es jetzt wenigstens geschehen, daß Kohl¬<lb/>
hase auch auf seinem Gebiete von den Sachsen verfolgt wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_285"> Diese Jagd hatte keinen Erfolg. Dagegen machten die Unterthanen der<lb/>
Gebrüder v. Birtholz das Versteck Kvhlhases auf jenem Werber ausfindig, und<lb/>
am 11. August 1538 setzte eine überlegne Schaar auf einem Kahn dahin über<lb/>
und bemächtigte sich nach heftigem Kampfe des gefangenen Reiche sowie eines<lb/>
Knechts des Fedders. Letzterer selbst entsprang nach dem Kahne, erreichte glück¬<lb/>
lich das andere Ufer und tauchte erst wieder in Helmstädt auf, wo er an Anton<lb/>
v. Sandersleben, dem gleichzeitigen Bcfchdcr Braunschweigs, einen Freund<lb/>
hatte. Auch die Gefangennehmung des Knechts und Reiches hatte zunächst<lb/>
keine günstige Folge für Sachsen. Ersterer wurde an die dem Bischof von Lebus<lb/>
zuständigen Gerichte von Storkow abgeliefert, und letzteren behielten die Ge¬<lb/>
brüder v. Birkholz noch geraume Zeit im Gewahrsam. Vergeblich bat der<lb/>
wittenberger Landvogt den Bischof, den Knecht mit Anwendung der Tortur<lb/>
verhören.zu dürfen, umsonst schickte man zu diesem Zweck einen Gesandten an<lb/>
ihn ab, ohne Erfolg wandte man sich an den Landvogt des Bischofs in Lübben.<lb/>
Der geistliche Herr war schon als Katholik den Sachsen nicht geneigt, er hielt<lb/>
es serner als Kleriker für seinem Rufe nachtheilig, peinliche Befragung zu ge¬<lb/>
statten, und er stand übrigens mit seiner rechtlichen Ueberzeugung auf Seiten<lb/>
Kohlhases, der ihm nach seiner Flucht einen Besuch abgestattet und ihm Bericht<lb/>
über seinen Streit gemacht hatte. Erst durch die heftigsten Drohungen erreichte<lb/>
man, daß der Bischof nachgab, aber die Geständnisse, die der Gefangne jetzt<lb/>
unter den Marterwerkzeugen des sächsischen Henkers ablegte, waren nicht von<lb/>
Bedeutung, und da er zu weiterer peinlicher Befragung zu schwach war, be¬<lb/>
gnügte man sich, ihn kurzweg hinzurichten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_286" next="#ID_287"> Durch die Thätigkeit der sächsischen Behörden auf brandenburgischen Gebiet,<lb/>
die Einziehung hier wohnhafter Leute, die Abwägung von Schuld oder Unschuld<lb/>
derselben durch die wittenberger Juristenfacultät war das Verhältniß der betreffenden<lb/>
Staaten zu einander nicht besser geworden. In der Mark glaubten Viele an<lb/>
Kohlhases Recht, und noch mehre verdroß die Einmischung der Fremden, auch<lb/>
hatte Kohlhasc an seiner Verwandtschaft und manchen hochstehenden Freunden<lb/>
eine Stütze, und er war jetzt nicht mehr der Mann, zu schonen. Mit großer<lb/>
Gewandtheit entzog er sich allen Nachstellungen, bald tauchte er hier, bald dort<lb/>
auf, heute fiel hier einer seiner Schläge, morgen dort. Was er ausführte, that<lb/>
er gewöhnlich mit drei, bisweilen fünf, selten mehr Genossen. Die Gesellen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0096] ihm sein Gut ab und schleppte ihn als Geisel gegen Sachsen mit sich fort, erst in die böhmischen Wälder, dann nach dem Werber Wellatze bei Mernsdorf in der Herrschaft Storkow. Sofort sandte Sachsen wieder streifende Rotten wider ihn aus, auch andere kleine Staaten boten die Hand zur Verfolgung des kühnen Fedders; nur Brandenburg weigerte sich auch ferner, gegen denselben einzuschreiten, doch ließ der Kurfürst es jetzt wenigstens geschehen, daß Kohl¬ hase auch auf seinem Gebiete von den Sachsen verfolgt wurde. Diese Jagd hatte keinen Erfolg. Dagegen machten die Unterthanen der Gebrüder v. Birtholz das Versteck Kvhlhases auf jenem Werber ausfindig, und am 11. August 1538 setzte eine überlegne Schaar auf einem Kahn dahin über und bemächtigte sich nach heftigem Kampfe des gefangenen Reiche sowie eines Knechts des Fedders. Letzterer selbst entsprang nach dem Kahne, erreichte glück¬ lich das andere Ufer und tauchte erst wieder in Helmstädt auf, wo er an Anton v. Sandersleben, dem gleichzeitigen Bcfchdcr Braunschweigs, einen Freund hatte. Auch die Gefangennehmung des Knechts und Reiches hatte zunächst keine günstige Folge für Sachsen. Ersterer wurde an die dem Bischof von Lebus zuständigen Gerichte von Storkow abgeliefert, und letzteren behielten die Ge¬ brüder v. Birkholz noch geraume Zeit im Gewahrsam. Vergeblich bat der wittenberger Landvogt den Bischof, den Knecht mit Anwendung der Tortur verhören.zu dürfen, umsonst schickte man zu diesem Zweck einen Gesandten an ihn ab, ohne Erfolg wandte man sich an den Landvogt des Bischofs in Lübben. Der geistliche Herr war schon als Katholik den Sachsen nicht geneigt, er hielt es serner als Kleriker für seinem Rufe nachtheilig, peinliche Befragung zu ge¬ statten, und er stand übrigens mit seiner rechtlichen Ueberzeugung auf Seiten Kohlhases, der ihm nach seiner Flucht einen Besuch abgestattet und ihm Bericht über seinen Streit gemacht hatte. Erst durch die heftigsten Drohungen erreichte man, daß der Bischof nachgab, aber die Geständnisse, die der Gefangne jetzt unter den Marterwerkzeugen des sächsischen Henkers ablegte, waren nicht von Bedeutung, und da er zu weiterer peinlicher Befragung zu schwach war, be¬ gnügte man sich, ihn kurzweg hinzurichten. Durch die Thätigkeit der sächsischen Behörden auf brandenburgischen Gebiet, die Einziehung hier wohnhafter Leute, die Abwägung von Schuld oder Unschuld derselben durch die wittenberger Juristenfacultät war das Verhältniß der betreffenden Staaten zu einander nicht besser geworden. In der Mark glaubten Viele an Kohlhases Recht, und noch mehre verdroß die Einmischung der Fremden, auch hatte Kohlhasc an seiner Verwandtschaft und manchen hochstehenden Freunden eine Stütze, und er war jetzt nicht mehr der Mann, zu schonen. Mit großer Gewandtheit entzog er sich allen Nachstellungen, bald tauchte er hier, bald dort auf, heute fiel hier einer seiner Schläge, morgen dort. Was er ausführte, that er gewöhnlich mit drei, bisweilen fünf, selten mehr Genossen. Die Gesellen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/96
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/96>, abgerufen am 28.09.2024.