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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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befahl er ihm bereits im October 1842, sich auf Urlaub nach Se. Petersburg
zu begeben. Die eigentliche Ursache war natürlich weder der Diplomatie noch
dem Hofe ein Geheimniß. In Folge dieser Abberufung erhält der jüngere
Casimir Perier, der als Geschäftsträgerden auf Urlaub abwesenden französischen
Gesandten Barante in Se. Petersburg vertrat, Befehl, unter dem Vorwande
einer Unpäßlichkeit sich von der Gratulationscour am Namenstage des Kaisers
fernzuhalten. Der Kaiser war über sein Nichterscheinen sehr aufgeregt, und die
persönlichen Folgen des kaiserlichen Zornes ließen nickt lange auf sich warten.
Einige Gesellschaften, zu denen Perier geladen war, wurden abbestellt, und
bald zeigte sich, daß dies das erste Symptom des Bannes war, der auf Befehl
des Kaisers von der Petersburger Gesellschaft über ihn verhängt war. Der
Verkehr des russischen Adels mit der französischen Gesandtschaft war vollständig
abgebrochen. Casimir Perier blieb auf den Verkehr mit der fremden Diplomatie
und dem Hofe beschränkt; denn zu Hoffesten, auf denen die Diplomatie erschien,
wurde auch er nach wie vor geladen. Sehr ergötzlich ist die im Anhang mit¬
getheilte ausführliche Korrespondenz zwischen Guizot und Perier über diese
moderne g,yua se igni interZietio, der Perier ungefähr dreiviertel Jahre unter¬
worfen blieb, bis er wegen des Befindens seiner Gemahlin die dringend er¬
betene Abberufung erhielt. Die Offenheit und Entschiedenheit, mit der Guizot
gelegentlich das sonderbare Verhalten des Kaisers nicht blos bei dieser Gelegen¬
heit in einer merkwürdigen Unterhaltung mit dem russischen Geschäftsträger
Kisseleff zur Sprache brachte, machte einen günstigen Eindruck auf den Kaiser,
ohne jedoch die einmal von ihm eingenommene Haltung wesentlich zu verändern.
Nach dem Tode des Herzogs von Orleans begnügte er sich, seine Theilnahme
dem Könige durch den russischen Geschäftsträger allerdings in sehr herzlicher
und würdiger Weise auszudrücken; selbst an den König zu schreiben, dazu war
er nicht zu bewegen. Auch wünschte er offenbar die Wiederanknüpfung des
regelmäßigen diplomatischen Verkehrs durch die wirklichen Gesandten; da er
indessen die Rückkehr Pahlens nach Paris von der vorhergehenden Rückkehr de
Barantes nach Se. Petersburg abhängig machte, so blieb alles beim Alten,
nur daß der Nachfolger Parlers, der Baron d'Andre von dem über die franzö¬
sische Gesandtschaft verhängten Banne befreit wurde.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Möris Busch.
Verlag von F. L. Herd i g. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

befahl er ihm bereits im October 1842, sich auf Urlaub nach Se. Petersburg
zu begeben. Die eigentliche Ursache war natürlich weder der Diplomatie noch
dem Hofe ein Geheimniß. In Folge dieser Abberufung erhält der jüngere
Casimir Perier, der als Geschäftsträgerden auf Urlaub abwesenden französischen
Gesandten Barante in Se. Petersburg vertrat, Befehl, unter dem Vorwande
einer Unpäßlichkeit sich von der Gratulationscour am Namenstage des Kaisers
fernzuhalten. Der Kaiser war über sein Nichterscheinen sehr aufgeregt, und die
persönlichen Folgen des kaiserlichen Zornes ließen nickt lange auf sich warten.
Einige Gesellschaften, zu denen Perier geladen war, wurden abbestellt, und
bald zeigte sich, daß dies das erste Symptom des Bannes war, der auf Befehl
des Kaisers von der Petersburger Gesellschaft über ihn verhängt war. Der
Verkehr des russischen Adels mit der französischen Gesandtschaft war vollständig
abgebrochen. Casimir Perier blieb auf den Verkehr mit der fremden Diplomatie
und dem Hofe beschränkt; denn zu Hoffesten, auf denen die Diplomatie erschien,
wurde auch er nach wie vor geladen. Sehr ergötzlich ist die im Anhang mit¬
getheilte ausführliche Korrespondenz zwischen Guizot und Perier über diese
moderne g,yua se igni interZietio, der Perier ungefähr dreiviertel Jahre unter¬
worfen blieb, bis er wegen des Befindens seiner Gemahlin die dringend er¬
betene Abberufung erhielt. Die Offenheit und Entschiedenheit, mit der Guizot
gelegentlich das sonderbare Verhalten des Kaisers nicht blos bei dieser Gelegen¬
heit in einer merkwürdigen Unterhaltung mit dem russischen Geschäftsträger
Kisseleff zur Sprache brachte, machte einen günstigen Eindruck auf den Kaiser,
ohne jedoch die einmal von ihm eingenommene Haltung wesentlich zu verändern.
Nach dem Tode des Herzogs von Orleans begnügte er sich, seine Theilnahme
dem Könige durch den russischen Geschäftsträger allerdings in sehr herzlicher
und würdiger Weise auszudrücken; selbst an den König zu schreiben, dazu war
er nicht zu bewegen. Auch wünschte er offenbar die Wiederanknüpfung des
regelmäßigen diplomatischen Verkehrs durch die wirklichen Gesandten; da er
indessen die Rückkehr Pahlens nach Paris von der vorhergehenden Rückkehr de
Barantes nach Se. Petersburg abhängig machte, so blieb alles beim Alten,
nur daß der Nachfolger Parlers, der Baron d'Andre von dem über die franzö¬
sische Gesandtschaft verhängten Banne befreit wurde.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Möris Busch.
Verlag von F. L. Herd i g. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/88>, abgerufen am 28.09.2024.