Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.öffentliche Meinung sich unterzuordnen; wer ein Reich der Freiheit in Frankreich Werfen wir nach dieser Betrachtung der inneren Zustände noch einen Blick öffentliche Meinung sich unterzuordnen; wer ein Reich der Freiheit in Frankreich Werfen wir nach dieser Betrachtung der inneren Zustände noch einen Blick <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189181"/> <p xml:id="ID_251" prev="#ID_250"> öffentliche Meinung sich unterzuordnen; wer ein Reich der Freiheit in Frankreich<lb/> begründen will, muß das Leben der Theile von dem Absolutismus der bewun¬<lb/> derten Beamtenhierarchie befreien. Gegenwärtig bewegt sich Frankreich in einer<lb/> falschen Alternative: absolute Unterwerfung der Staatsgewalt unter den<lb/> Willen der öffentlichen Meinung, wie sie sich in Paris concentrirt, oder abso¬<lb/> lute Beherrschung des letztem durch die Staatsgewalt. Bis man aus dieser<lb/> Alternative hinaus den Weg zu dem richtigen Princip gefunden hat, ist ein<lb/> aufgeklärter Despotismus der einzige Schutz wider die Anarchie, während oder<lb/> gerade weil andrerseits jede freiere Regung mit oder ohne Bewußtsein auf einen<lb/> völligen Umsturz des Bestehenden lossteuert.</p><lb/> <p xml:id="ID_252" next="#ID_253"> Werfen wir nach dieser Betrachtung der inneren Zustände noch einen Blick<lb/> auf die äußern Verhältnisse, wie sie sich unmittelbar nach Ablauf der orien¬<lb/> talischen Krise gestalteten. Sehr ungünstig für Guizots Wünsche, die frühere<lb/> Intimität mit England wiederherzustellen, war es, daß unmittelbar nach dem<lb/> Abschluß der ägyptischen Frage die Eifersucht der beiden Nationen neue Nahrung<lb/> erhielt durch Wiederaufnahme eines Streites, in dem die allgemeinen humanen<lb/> Sympathien durchaus aus Seiten Englands standen. Es war dies die Diffe¬<lb/> renz über das gegenseitige Untersuchungsrecht zur Unterdrückung des Sklaven-<lb/> Handeis. Durch die Verträge zwischen Frankreich und England vom Jahre 1831<lb/> und 1833 war das gegenseitige Visitationsrecht eingeführt worden. Einige<lb/> Jahre später war, da Nußland, Preußen und Oestreich ihre Bereitwilligkeit<lb/> erklärten, sich den Maßregeln zur Unterdrückung des Negerhandels anzuschließen,<lb/> ein neuer Vertrag entworfen worden, der die Bestimmungen der früheren Ver¬<lb/> träge wiederholte und namentlich das Durchsuchungsrecht bestehen ließ. Nu߬<lb/> land, welches Anfangs einige Ausstellungen gemacht hatte, hatte seine Bedenken<lb/> bereits fallen lassen, als die drohende Gestaltung der orientalischen Krise die<lb/> Verhandlungen völlig ins Stocken brachte und die Sache, die bereits zum Ab¬<lb/> schluß reif schien, in der Schwebe ließ. Aber unmittelbar nach dem Abschluß<lb/> der Convention vom 13. Juli 1844 fordert Palmerston die französische Regie¬<lb/> rung zur Unterzeichnung auf. Guizot wollte Palmerston den Gefallen nicht<lb/> thun, sich zu beeilen; als aber nach Palmerstons Rücktritt Aberdeen die<lb/> Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernommen hatte, war jeder Grund<lb/> zu einer ferneren Zögerung weggefallen, so daß Guizot kein Bedenken trug,<lb/> dem Grasen Se. Aulaire, der den Gesandtschaftsposten in London übernommen<lb/> hatte, zur Unterzeichnung zu autorisiren (die Unterzeichnung fand am 2. October<lb/> 1841 statt), und daß bereits der Tag zur Auswechselung der Ratifikationen,<lb/> 19. Februar 1842, bestimmt wurde. Kaum aber hatte Guizot die betreffenden<lb/> Jnstructionen erlassen, als sich in den Kammern gegen das Untersuchungsrecht<lb/> ein heftiger Sturm erhob, dem gegenüber Guizot allerdings den Vertrag in<lb/> der Debatte aufrecht erhielt, sich aber doch dazu bestimmen ließ, die Ratifikation</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
öffentliche Meinung sich unterzuordnen; wer ein Reich der Freiheit in Frankreich
begründen will, muß das Leben der Theile von dem Absolutismus der bewun¬
derten Beamtenhierarchie befreien. Gegenwärtig bewegt sich Frankreich in einer
falschen Alternative: absolute Unterwerfung der Staatsgewalt unter den
Willen der öffentlichen Meinung, wie sie sich in Paris concentrirt, oder abso¬
lute Beherrschung des letztem durch die Staatsgewalt. Bis man aus dieser
Alternative hinaus den Weg zu dem richtigen Princip gefunden hat, ist ein
aufgeklärter Despotismus der einzige Schutz wider die Anarchie, während oder
gerade weil andrerseits jede freiere Regung mit oder ohne Bewußtsein auf einen
völligen Umsturz des Bestehenden lossteuert.
Werfen wir nach dieser Betrachtung der inneren Zustände noch einen Blick
auf die äußern Verhältnisse, wie sie sich unmittelbar nach Ablauf der orien¬
talischen Krise gestalteten. Sehr ungünstig für Guizots Wünsche, die frühere
Intimität mit England wiederherzustellen, war es, daß unmittelbar nach dem
Abschluß der ägyptischen Frage die Eifersucht der beiden Nationen neue Nahrung
erhielt durch Wiederaufnahme eines Streites, in dem die allgemeinen humanen
Sympathien durchaus aus Seiten Englands standen. Es war dies die Diffe¬
renz über das gegenseitige Untersuchungsrecht zur Unterdrückung des Sklaven-
Handeis. Durch die Verträge zwischen Frankreich und England vom Jahre 1831
und 1833 war das gegenseitige Visitationsrecht eingeführt worden. Einige
Jahre später war, da Nußland, Preußen und Oestreich ihre Bereitwilligkeit
erklärten, sich den Maßregeln zur Unterdrückung des Negerhandels anzuschließen,
ein neuer Vertrag entworfen worden, der die Bestimmungen der früheren Ver¬
träge wiederholte und namentlich das Durchsuchungsrecht bestehen ließ. Nu߬
land, welches Anfangs einige Ausstellungen gemacht hatte, hatte seine Bedenken
bereits fallen lassen, als die drohende Gestaltung der orientalischen Krise die
Verhandlungen völlig ins Stocken brachte und die Sache, die bereits zum Ab¬
schluß reif schien, in der Schwebe ließ. Aber unmittelbar nach dem Abschluß
der Convention vom 13. Juli 1844 fordert Palmerston die französische Regie¬
rung zur Unterzeichnung auf. Guizot wollte Palmerston den Gefallen nicht
thun, sich zu beeilen; als aber nach Palmerstons Rücktritt Aberdeen die
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernommen hatte, war jeder Grund
zu einer ferneren Zögerung weggefallen, so daß Guizot kein Bedenken trug,
dem Grasen Se. Aulaire, der den Gesandtschaftsposten in London übernommen
hatte, zur Unterzeichnung zu autorisiren (die Unterzeichnung fand am 2. October
1841 statt), und daß bereits der Tag zur Auswechselung der Ratifikationen,
19. Februar 1842, bestimmt wurde. Kaum aber hatte Guizot die betreffenden
Jnstructionen erlassen, als sich in den Kammern gegen das Untersuchungsrecht
ein heftiger Sturm erhob, dem gegenüber Guizot allerdings den Vertrag in
der Debatte aufrecht erhielt, sich aber doch dazu bestimmen ließ, die Ratifikation
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |