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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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"Gegen Napoleons unüberwindliche Macht können wir nicht Krieg führen.
Ein Höherer leitet seine Schritte. Siege und Staatsumwälzungen gehen aus
den unabänderlichen Planen der göttlichen Vorsicht hervor. Wir dürfen uns
nicht länger dawider sträuben. Kein Vernünftiger wird gegen den Strom
schwimmen. Wir wollen uns nun durch Ergebung in den göttlichen Willen
des Himmels ferneren Schutzes und durch brüderliche Liebe und geforderte Unter¬
werfung Napoleons Großmuth und seiner Allerhöchsten Gnade würdig machen."
Um seine Getreuen vollends zu überzeugen, daß nun die Niederlegung der
Waffen ihre heilige Pflicht sei, berief er sich zuletzt auf "Seine Hochfürstlich
Gnaden, den Fürstbischof von Brixen", der ihn dazu aufgefordert. Man darf
dies um so eher glauben, als gerade dieser Prälat nie ein rechtes Vertrauen
zum tirolischen Waffenglück fassen konnte.

Mit dieser Kundmachung begaben sich Donei nach Meran und sicherer
nach Innsbruck, Hofer ließ seine Geldkistchen auf Saumpferde laden und zog
noch in derselben Nacht nach Hause. Seine Umkehr dauerte freilich nicht lange.
Ein paar Studenten, Rupert Markenstein und Cajetan Schweth, mehre tief
verschuldete Wirthe, Bauern und Hausknechte, Ausreißer und Abenteurer aus
allen Gegenden umschwärmten ihn Tag und Nacht und drängten zu einem
neuen Sturmaufgcbot. Auch Speckbacher ließ durch geheime Eilboten ansagen,
er werde die Bayern in ganz Jnnthal aufheben, Kolb berichtete den Anzug
der Oestreicher aus Kärnthen, zugleich eilte der Kapuziner herbei, um den
Wartenden aufzurichten. Andrä Hauser, ein junger Passeirer, wird versichert,
hätte ihm den Stutzen auf die Brust gesetzt, und während er hierauf am ganzen
Leibe zitterte, sei der Kapuziner an ihn herangetreten, habe Donei einen Be¬
trüger gescholten, auf Erzherzog Johanns Hilfe gepocht und ihm zugerufen,
es gelte das Vaterland und den wahren Glauben. Dies wirkte. Nun wurden
neue Commandanten ernannt, Leute, die nichts zu verlieren hatten, einer der¬
selben, Franz Thalguter, Donei mit einem Verhaftungsbefehl nachgesandt und
ein Kriegesmanifcst erlassen, das am 13. November in allen Kirchen von Pas¬
seier verlesen wurde. Boten eilten damit nach Meran und Vintschgau, wo man
sogleich predigte, jeder sei excommunicirt, der jetzt nicht zum Gewehre greife.
Wie Hofer die Lage der Dinge ansah, zeigt die von ihm nach Vintschgau und
Oberinnthal erlassene Ordre, worin er sagt, die Verwirrung sei nur durch
Geistliche entstanden, in denen er sich getäuscht habe. Wenn seine lieben
Brüder sich den Feinden ergäben, würden sie sehen, "daß binnen vierzehn Tagen
ganz Tirol von jungen Leuten beraubt, und zuletzt unsre Gotteshäuser, Altäre
und Klöster, wie auch die Religion vernichtet und sammt den Feinden die
ewige Verdammnis) uns zubereitet würde."

Hofer schlug auch jetzt wieder ziemlich fern vom Kampfplatze in seinem
eigenen Wirthshause zu Sand das Hauptquartier aus und erließ von dort,


Grenzboten III. 18K4. 9

„Gegen Napoleons unüberwindliche Macht können wir nicht Krieg führen.
Ein Höherer leitet seine Schritte. Siege und Staatsumwälzungen gehen aus
den unabänderlichen Planen der göttlichen Vorsicht hervor. Wir dürfen uns
nicht länger dawider sträuben. Kein Vernünftiger wird gegen den Strom
schwimmen. Wir wollen uns nun durch Ergebung in den göttlichen Willen
des Himmels ferneren Schutzes und durch brüderliche Liebe und geforderte Unter¬
werfung Napoleons Großmuth und seiner Allerhöchsten Gnade würdig machen."
Um seine Getreuen vollends zu überzeugen, daß nun die Niederlegung der
Waffen ihre heilige Pflicht sei, berief er sich zuletzt auf „Seine Hochfürstlich
Gnaden, den Fürstbischof von Brixen", der ihn dazu aufgefordert. Man darf
dies um so eher glauben, als gerade dieser Prälat nie ein rechtes Vertrauen
zum tirolischen Waffenglück fassen konnte.

Mit dieser Kundmachung begaben sich Donei nach Meran und sicherer
nach Innsbruck, Hofer ließ seine Geldkistchen auf Saumpferde laden und zog
noch in derselben Nacht nach Hause. Seine Umkehr dauerte freilich nicht lange.
Ein paar Studenten, Rupert Markenstein und Cajetan Schweth, mehre tief
verschuldete Wirthe, Bauern und Hausknechte, Ausreißer und Abenteurer aus
allen Gegenden umschwärmten ihn Tag und Nacht und drängten zu einem
neuen Sturmaufgcbot. Auch Speckbacher ließ durch geheime Eilboten ansagen,
er werde die Bayern in ganz Jnnthal aufheben, Kolb berichtete den Anzug
der Oestreicher aus Kärnthen, zugleich eilte der Kapuziner herbei, um den
Wartenden aufzurichten. Andrä Hauser, ein junger Passeirer, wird versichert,
hätte ihm den Stutzen auf die Brust gesetzt, und während er hierauf am ganzen
Leibe zitterte, sei der Kapuziner an ihn herangetreten, habe Donei einen Be¬
trüger gescholten, auf Erzherzog Johanns Hilfe gepocht und ihm zugerufen,
es gelte das Vaterland und den wahren Glauben. Dies wirkte. Nun wurden
neue Commandanten ernannt, Leute, die nichts zu verlieren hatten, einer der¬
selben, Franz Thalguter, Donei mit einem Verhaftungsbefehl nachgesandt und
ein Kriegesmanifcst erlassen, das am 13. November in allen Kirchen von Pas¬
seier verlesen wurde. Boten eilten damit nach Meran und Vintschgau, wo man
sogleich predigte, jeder sei excommunicirt, der jetzt nicht zum Gewehre greife.
Wie Hofer die Lage der Dinge ansah, zeigt die von ihm nach Vintschgau und
Oberinnthal erlassene Ordre, worin er sagt, die Verwirrung sei nur durch
Geistliche entstanden, in denen er sich getäuscht habe. Wenn seine lieben
Brüder sich den Feinden ergäben, würden sie sehen, „daß binnen vierzehn Tagen
ganz Tirol von jungen Leuten beraubt, und zuletzt unsre Gotteshäuser, Altäre
und Klöster, wie auch die Religion vernichtet und sammt den Feinden die
ewige Verdammnis) uns zubereitet würde."

Hofer schlug auch jetzt wieder ziemlich fern vom Kampfplatze in seinem
eigenen Wirthshause zu Sand das Hauptquartier aus und erließ von dort,


Grenzboten III. 18K4. 9
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[0073] „Gegen Napoleons unüberwindliche Macht können wir nicht Krieg führen. Ein Höherer leitet seine Schritte. Siege und Staatsumwälzungen gehen aus den unabänderlichen Planen der göttlichen Vorsicht hervor. Wir dürfen uns nicht länger dawider sträuben. Kein Vernünftiger wird gegen den Strom schwimmen. Wir wollen uns nun durch Ergebung in den göttlichen Willen des Himmels ferneren Schutzes und durch brüderliche Liebe und geforderte Unter¬ werfung Napoleons Großmuth und seiner Allerhöchsten Gnade würdig machen." Um seine Getreuen vollends zu überzeugen, daß nun die Niederlegung der Waffen ihre heilige Pflicht sei, berief er sich zuletzt auf „Seine Hochfürstlich Gnaden, den Fürstbischof von Brixen", der ihn dazu aufgefordert. Man darf dies um so eher glauben, als gerade dieser Prälat nie ein rechtes Vertrauen zum tirolischen Waffenglück fassen konnte. Mit dieser Kundmachung begaben sich Donei nach Meran und sicherer nach Innsbruck, Hofer ließ seine Geldkistchen auf Saumpferde laden und zog noch in derselben Nacht nach Hause. Seine Umkehr dauerte freilich nicht lange. Ein paar Studenten, Rupert Markenstein und Cajetan Schweth, mehre tief verschuldete Wirthe, Bauern und Hausknechte, Ausreißer und Abenteurer aus allen Gegenden umschwärmten ihn Tag und Nacht und drängten zu einem neuen Sturmaufgcbot. Auch Speckbacher ließ durch geheime Eilboten ansagen, er werde die Bayern in ganz Jnnthal aufheben, Kolb berichtete den Anzug der Oestreicher aus Kärnthen, zugleich eilte der Kapuziner herbei, um den Wartenden aufzurichten. Andrä Hauser, ein junger Passeirer, wird versichert, hätte ihm den Stutzen auf die Brust gesetzt, und während er hierauf am ganzen Leibe zitterte, sei der Kapuziner an ihn herangetreten, habe Donei einen Be¬ trüger gescholten, auf Erzherzog Johanns Hilfe gepocht und ihm zugerufen, es gelte das Vaterland und den wahren Glauben. Dies wirkte. Nun wurden neue Commandanten ernannt, Leute, die nichts zu verlieren hatten, einer der¬ selben, Franz Thalguter, Donei mit einem Verhaftungsbefehl nachgesandt und ein Kriegesmanifcst erlassen, das am 13. November in allen Kirchen von Pas¬ seier verlesen wurde. Boten eilten damit nach Meran und Vintschgau, wo man sogleich predigte, jeder sei excommunicirt, der jetzt nicht zum Gewehre greife. Wie Hofer die Lage der Dinge ansah, zeigt die von ihm nach Vintschgau und Oberinnthal erlassene Ordre, worin er sagt, die Verwirrung sei nur durch Geistliche entstanden, in denen er sich getäuscht habe. Wenn seine lieben Brüder sich den Feinden ergäben, würden sie sehen, „daß binnen vierzehn Tagen ganz Tirol von jungen Leuten beraubt, und zuletzt unsre Gotteshäuser, Altäre und Klöster, wie auch die Religion vernichtet und sammt den Feinden die ewige Verdammnis) uns zubereitet würde." Hofer schlug auch jetzt wieder ziemlich fern vom Kampfplatze in seinem eigenen Wirthshause zu Sand das Hauptquartier aus und erließ von dort, Grenzboten III. 18K4. 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/73>, abgerufen am 28.09.2024.