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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Das vom preußischen Geheimrath Lentze dem berliner Handelsministerium
erstattete und jetzt in die Oeffentlichkeit gelangte Gutachten mindert den Werth
der hier angestellten Untersuchung keineswegs. Zwar soll sich das berliner
Comits überzeugt haben, daß nur die von Lentze vorgeschlagene Linie Elbe-
Eckernförde die großen Ziele des Kanals zu verwirklichen geeignet sei, und die
preußische Regierung soll derselben Ansicht sein. Allein wir bezweifeln mit der
neuen "Kieler Zeitung", daß der genannte Techniker selbst, so groß auch sein
Wissen und so geschärft sein Auge sein mag, nach einer Prüfung der örtlichen
Verhältnisse, die kaum acht Tage währte, geneigt sein wird, jene absolute
Unübertrefflichkeit und Unwiderlegbarkeit seines Vorschlags zu behaupten. Wir
bezweifeln dies um so mehr, als ihm. wie sein Gutachten beweist, zur
Orientirung über die sehr zahlreichen und sorgfältigen Arbeiten seiner Vor¬
gänger auf diesem Gebiet nur ein unvollständiges Material zu Gebote ge¬
standen hat.

Die beste Linie wird -- so beginnt unsre neue Schrift ihre Erörterung
der Angelegenheit -- offenbar diejenige sein, welche 1) den allgemeinen Handels¬
interessen am vollständigsten entspricht, 2) die günstigsten Bedingungen für die
Herstellung von Kriegshafen und andern Marineetablissements darbietet und
3) der Ausführung und Unterhaltung des Kanals die wenigsten Hindernisse in
technischer Beziehung entgegenstellt, also die wohlfeilste ist.

Die Handelsinteressen verlangen zunächst sichere Zugänglichkeit für die End¬
punkte des Kanals, mithin Lage derselben an möglichst freiem und möglich
lange im Jahre offnem Fahrwasser, sowie sichere Häfen und Rheden an diesen
Endpunkten. Ferner ausreichende Tiefe des Kanals auch für die größten Kauf¬
fahrer. Dann genügende Speisung desselben auch' für den höchst gesteigerten
Schiffsverkehr sowie Gelegenheit zur bequemen Anlage von Werften. Docks,
Waarendepots u. d. Sodann angemessene Richtung des Kanals, so daß er
einerseits die Länge des Seewegs nach Möglichkeit kürzt, andrerseits die ge¬
fährlichen Stellen dieses Wegs thunlichst zu vermeiden gestattet. Weiter dann
möglichst wohlfeile Herstellung, damit die zu erhebenden Durchgangsabgaben
nicht zu hoch angesetzt werden müssen. Endlich Sicherung des Unternehmens
durch Stellung desselben unter Staatsaufsicht.

Die militärischen Interessen lassen etwa gleiche Forderungen wie die in den
ersten vier von obigen Sätzen gestellten erheben, nur muß nach ihnen die Tiefe
des Kanals größer sein als nach jenen. Dann kommt hinzu: eine solche Beschaffen¬
heit der Enden desselben, daß an ihnen militärisch vollkommen zu sichernde,
hinreichend geräumige Kriegshafen sammt den dazu gehörigen Werkstätten und
Magazinen angelegt werden können, und Sicherung des Kanals mit seinen
Marineanlagen durch Staatsverträge, welche das gesammte Werk mit allem
seinem Zubehör der Beaufsichtigung einer einheitlichen deutschen oder, wie wir


Das vom preußischen Geheimrath Lentze dem berliner Handelsministerium
erstattete und jetzt in die Oeffentlichkeit gelangte Gutachten mindert den Werth
der hier angestellten Untersuchung keineswegs. Zwar soll sich das berliner
Comits überzeugt haben, daß nur die von Lentze vorgeschlagene Linie Elbe-
Eckernförde die großen Ziele des Kanals zu verwirklichen geeignet sei, und die
preußische Regierung soll derselben Ansicht sein. Allein wir bezweifeln mit der
neuen „Kieler Zeitung", daß der genannte Techniker selbst, so groß auch sein
Wissen und so geschärft sein Auge sein mag, nach einer Prüfung der örtlichen
Verhältnisse, die kaum acht Tage währte, geneigt sein wird, jene absolute
Unübertrefflichkeit und Unwiderlegbarkeit seines Vorschlags zu behaupten. Wir
bezweifeln dies um so mehr, als ihm. wie sein Gutachten beweist, zur
Orientirung über die sehr zahlreichen und sorgfältigen Arbeiten seiner Vor¬
gänger auf diesem Gebiet nur ein unvollständiges Material zu Gebote ge¬
standen hat.

Die beste Linie wird — so beginnt unsre neue Schrift ihre Erörterung
der Angelegenheit — offenbar diejenige sein, welche 1) den allgemeinen Handels¬
interessen am vollständigsten entspricht, 2) die günstigsten Bedingungen für die
Herstellung von Kriegshafen und andern Marineetablissements darbietet und
3) der Ausführung und Unterhaltung des Kanals die wenigsten Hindernisse in
technischer Beziehung entgegenstellt, also die wohlfeilste ist.

Die Handelsinteressen verlangen zunächst sichere Zugänglichkeit für die End¬
punkte des Kanals, mithin Lage derselben an möglichst freiem und möglich
lange im Jahre offnem Fahrwasser, sowie sichere Häfen und Rheden an diesen
Endpunkten. Ferner ausreichende Tiefe des Kanals auch für die größten Kauf¬
fahrer. Dann genügende Speisung desselben auch' für den höchst gesteigerten
Schiffsverkehr sowie Gelegenheit zur bequemen Anlage von Werften. Docks,
Waarendepots u. d. Sodann angemessene Richtung des Kanals, so daß er
einerseits die Länge des Seewegs nach Möglichkeit kürzt, andrerseits die ge¬
fährlichen Stellen dieses Wegs thunlichst zu vermeiden gestattet. Weiter dann
möglichst wohlfeile Herstellung, damit die zu erhebenden Durchgangsabgaben
nicht zu hoch angesetzt werden müssen. Endlich Sicherung des Unternehmens
durch Stellung desselben unter Staatsaufsicht.

Die militärischen Interessen lassen etwa gleiche Forderungen wie die in den
ersten vier von obigen Sätzen gestellten erheben, nur muß nach ihnen die Tiefe
des Kanals größer sein als nach jenen. Dann kommt hinzu: eine solche Beschaffen¬
heit der Enden desselben, daß an ihnen militärisch vollkommen zu sichernde,
hinreichend geräumige Kriegshafen sammt den dazu gehörigen Werkstätten und
Magazinen angelegt werden können, und Sicherung des Kanals mit seinen
Marineanlagen durch Staatsverträge, welche das gesammte Werk mit allem
seinem Zubehör der Beaufsichtigung einer einheitlichen deutschen oder, wie wir


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[0058] Das vom preußischen Geheimrath Lentze dem berliner Handelsministerium erstattete und jetzt in die Oeffentlichkeit gelangte Gutachten mindert den Werth der hier angestellten Untersuchung keineswegs. Zwar soll sich das berliner Comits überzeugt haben, daß nur die von Lentze vorgeschlagene Linie Elbe- Eckernförde die großen Ziele des Kanals zu verwirklichen geeignet sei, und die preußische Regierung soll derselben Ansicht sein. Allein wir bezweifeln mit der neuen „Kieler Zeitung", daß der genannte Techniker selbst, so groß auch sein Wissen und so geschärft sein Auge sein mag, nach einer Prüfung der örtlichen Verhältnisse, die kaum acht Tage währte, geneigt sein wird, jene absolute Unübertrefflichkeit und Unwiderlegbarkeit seines Vorschlags zu behaupten. Wir bezweifeln dies um so mehr, als ihm. wie sein Gutachten beweist, zur Orientirung über die sehr zahlreichen und sorgfältigen Arbeiten seiner Vor¬ gänger auf diesem Gebiet nur ein unvollständiges Material zu Gebote ge¬ standen hat. Die beste Linie wird — so beginnt unsre neue Schrift ihre Erörterung der Angelegenheit — offenbar diejenige sein, welche 1) den allgemeinen Handels¬ interessen am vollständigsten entspricht, 2) die günstigsten Bedingungen für die Herstellung von Kriegshafen und andern Marineetablissements darbietet und 3) der Ausführung und Unterhaltung des Kanals die wenigsten Hindernisse in technischer Beziehung entgegenstellt, also die wohlfeilste ist. Die Handelsinteressen verlangen zunächst sichere Zugänglichkeit für die End¬ punkte des Kanals, mithin Lage derselben an möglichst freiem und möglich lange im Jahre offnem Fahrwasser, sowie sichere Häfen und Rheden an diesen Endpunkten. Ferner ausreichende Tiefe des Kanals auch für die größten Kauf¬ fahrer. Dann genügende Speisung desselben auch' für den höchst gesteigerten Schiffsverkehr sowie Gelegenheit zur bequemen Anlage von Werften. Docks, Waarendepots u. d. Sodann angemessene Richtung des Kanals, so daß er einerseits die Länge des Seewegs nach Möglichkeit kürzt, andrerseits die ge¬ fährlichen Stellen dieses Wegs thunlichst zu vermeiden gestattet. Weiter dann möglichst wohlfeile Herstellung, damit die zu erhebenden Durchgangsabgaben nicht zu hoch angesetzt werden müssen. Endlich Sicherung des Unternehmens durch Stellung desselben unter Staatsaufsicht. Die militärischen Interessen lassen etwa gleiche Forderungen wie die in den ersten vier von obigen Sätzen gestellten erheben, nur muß nach ihnen die Tiefe des Kanals größer sein als nach jenen. Dann kommt hinzu: eine solche Beschaffen¬ heit der Enden desselben, daß an ihnen militärisch vollkommen zu sichernde, hinreichend geräumige Kriegshafen sammt den dazu gehörigen Werkstätten und Magazinen angelegt werden können, und Sicherung des Kanals mit seinen Marineanlagen durch Staatsverträge, welche das gesammte Werk mit allem seinem Zubehör der Beaufsichtigung einer einheitlichen deutschen oder, wie wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/58>, abgerufen am 28.09.2024.