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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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"gegen vier Proc. Zinsen und ein Proc. Tilgung jährlich mit Leichtigkeit Capitale
bekommt", sind nicht unwandelbar, und wir haben schon andere gesehen. Wie
leicht kann ein allgemeiner Krieg -- dem wir gerade jetzt so nahe gestanden
haben und möglicherweise noch stehen -- diese Leichtigkeit in die größte
Schwierigkeit, ja in Unmöglichkeit verwandeln -- und was würden dann die
Folgen sein, wenn in solcher Zeit der Staat mit den schwersten finanziellen
Verwickelungen sich belastet sähe. Man darf es geradezu Unbesonnenheit nennen,
sich freiwillig in eine solche Gefahr stürzen zu wollen.

Weit am meisten überrascht es uns aber, wenn -- wie gesagt wird --
gerade Mitglieder der liberalsten, fortgeschrittensten Richtung sich für den Eisen¬
bahnbau als Staatssache aussprechen sollten. Wir können kaum irgendeine
Erklärung dafür finden; aber deß sind wir gewiß, daß die Gewalt, die dadurch
dem Staate in die Hand gegeben wäre, schwerlich in ihrem Sinne angewendet
werden würde. Erinnern wir selbst uns doch, daß ein hochgestellter, jetzt ver¬
storbener Staatsbeamter, als wir ihm unsere Zweifel über die Zweckmäßigkeit
der Erwerbung von Eisenbahnen für den Staat aussprachen, mit Nachdruck
auf den Einfluß und die Macht hinwies, die aus der Anstellung einer so be¬
deutenden Zahl von Beamten, und aus den Einwirkungen auf alle Verhältnisse
des Verkehrs sich erzielen ließen. Ein solcher Fingerzeig bedarf keiner
weiteren Erklärung.


Vicleant, consules no <mia äLtriirreuti reLxrMieg. carMt!


Eine neue Schrift in Sachen des norddeutschen Kanals.

Unter dem Titel "Der große norddeutsche Kanal zwischen Ostsee
und Nordsee" ist soeben (Kiel, Schwerssche Buchhandlung) eine Zusammen¬
stellung und Prüfung der verschiedenen Projecte in Betreff der Richtung des
Kanals erschienen, welche das von uns in Ur. 26 nach der sturzschen Broschüre
Gesagte ergänzt und theilweise berichtigt, und die wir um so mehr allgemeiner
Beachtung empfehlen, als sie offenbar von einem gründlichen Kenner der Ver¬
hältnisse, ohne Voreingenommenheit und in klarer Sprache geschrieben ist,
so daß auch der nicht technisch Gebildete daraus ein deutliches Bild der Sach¬
lage zu gewinnen vermag*).



") Was durch verschiedene Beilagen, eine Karte der cimbrischen Halbinsel, eine Uebersichts-
kartc der Ost- und Nordsee, zwei Kcmalprofilc und einen Plan des ricler Hafens erleich'
tert wird.
Grenzboten III. 1864. 7

„gegen vier Proc. Zinsen und ein Proc. Tilgung jährlich mit Leichtigkeit Capitale
bekommt", sind nicht unwandelbar, und wir haben schon andere gesehen. Wie
leicht kann ein allgemeiner Krieg — dem wir gerade jetzt so nahe gestanden
haben und möglicherweise noch stehen — diese Leichtigkeit in die größte
Schwierigkeit, ja in Unmöglichkeit verwandeln — und was würden dann die
Folgen sein, wenn in solcher Zeit der Staat mit den schwersten finanziellen
Verwickelungen sich belastet sähe. Man darf es geradezu Unbesonnenheit nennen,
sich freiwillig in eine solche Gefahr stürzen zu wollen.

Weit am meisten überrascht es uns aber, wenn — wie gesagt wird —
gerade Mitglieder der liberalsten, fortgeschrittensten Richtung sich für den Eisen¬
bahnbau als Staatssache aussprechen sollten. Wir können kaum irgendeine
Erklärung dafür finden; aber deß sind wir gewiß, daß die Gewalt, die dadurch
dem Staate in die Hand gegeben wäre, schwerlich in ihrem Sinne angewendet
werden würde. Erinnern wir selbst uns doch, daß ein hochgestellter, jetzt ver¬
storbener Staatsbeamter, als wir ihm unsere Zweifel über die Zweckmäßigkeit
der Erwerbung von Eisenbahnen für den Staat aussprachen, mit Nachdruck
auf den Einfluß und die Macht hinwies, die aus der Anstellung einer so be¬
deutenden Zahl von Beamten, und aus den Einwirkungen auf alle Verhältnisse
des Verkehrs sich erzielen ließen. Ein solcher Fingerzeig bedarf keiner
weiteren Erklärung.


Vicleant, consules no <mia äLtriirreuti reLxrMieg. carMt!


Eine neue Schrift in Sachen des norddeutschen Kanals.

Unter dem Titel „Der große norddeutsche Kanal zwischen Ostsee
und Nordsee" ist soeben (Kiel, Schwerssche Buchhandlung) eine Zusammen¬
stellung und Prüfung der verschiedenen Projecte in Betreff der Richtung des
Kanals erschienen, welche das von uns in Ur. 26 nach der sturzschen Broschüre
Gesagte ergänzt und theilweise berichtigt, und die wir um so mehr allgemeiner
Beachtung empfehlen, als sie offenbar von einem gründlichen Kenner der Ver¬
hältnisse, ohne Voreingenommenheit und in klarer Sprache geschrieben ist,
so daß auch der nicht technisch Gebildete daraus ein deutliches Bild der Sach¬
lage zu gewinnen vermag*).



") Was durch verschiedene Beilagen, eine Karte der cimbrischen Halbinsel, eine Uebersichts-
kartc der Ost- und Nordsee, zwei Kcmalprofilc und einen Plan des ricler Hafens erleich'
tert wird.
Grenzboten III. 1864. 7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/57>, abgerufen am 28.09.2024.