Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.nur Beschnittene zu Bischöfen gehabt haben. Die Judenchristen Palästinas nur Beschnittene zu Bischöfen gehabt haben. Die Judenchristen Palästinas <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189612"/> <p xml:id="ID_1890" prev="#ID_1889" next="#ID_1891"> nur Beschnittene zu Bischöfen gehabt haben. Die Judenchristen Palästinas<lb/> blieben noch lange im Zusammenhang mit der sudischen Synagoge und für die<lb/> außerhalb des Judenthums Stehenden mußte der Unterschied zwischen Juden<lb/> und Christen kaum bemerkbar sein. Eben deswegen ist bei heidnischen Schrift¬<lb/> stellern so wenig von den Christen die Rede; in ihre Schilderung der Juden<lb/> mischen sich zuweilen Züge ein. die offenbar den Christen entlehnt sind, so bei<lb/> Tacitus. wenn er von den Juden sagt, daß sie „die Seelen Hingerichteter für<lb/> ewig halten und eine besondere Todesverachtung an den Tag legen." — End¬<lb/> lich lag es in der Natur der Sache, daß die Abzweckung des Christenthums<lb/> zunächst nur dem auserwählten Volk Gottes gelten sollte. Seine Bestimmung<lb/> schien erfüllt, wenn das ganze Volk der Verheißung im Angesicht der nahen<lb/> Wiederkunft des Messias zum Glauben an ihn eingegangen wäre. Feste Grund¬<lb/> sätze über die Berufung der Heiden hatte man noch nicht. Aber es galt als<lb/> selbstverständlich, daß die große Masse der Heidenwelt während des Messias¬<lb/> reichs zu den unterworfenen Völkern, beim Gericht zu den Verdammten gehören<lb/> werde. Jedenfalls sollte der besondere Vorzug des Volkes Israel aus keine<lb/> Weise verkürzt werden. Die Urgemeinde folgte, nachdem sie von der freieren<lb/> hellenistischen Richtung selbst gereinigt war, nur mit Mißtrauen der Wirksam¬<lb/> keit des Apostels Paulus, und es ist bezeichnend, daß die judenchnsttichen Geg¬<lb/> ner, welche sich überall in die von Paulus gestifteten Gemeinden eindrängten<lb/> und vom Apostel mit solcher Energie bekämpft wurden, sich stets auf die Auto¬<lb/> rität der „Säulenapostel" beriefen. Wie Petrus in dieser Beziehung dachte,<lb/> darüber lassen namentlich die im 2. Capitel des Galaterbriefs erzählten Vorgänge<lb/> keinen Zweifel. Einzig die Judenwelt im Auge haltend, hatte er noch gar nicht<lb/> Veranlassung gehabt, sich über das Verhältniß des Christenthums zum Juden-<lb/> thum Rechenschaft zu geben. Es war ihm etwas Neues, als er nach Antiochia<lb/> kam und dort das Heidenchristenthum kennen lernte, und wenn er im ersten<lb/> Augenblick, vielleicht hingerissen durch die überlegene Persönlickkeit des Paulus,<lb/> eine freisinnige Anwandlung hatte, so genügte die Ankunft der Abgeordneten<lb/> des Jakobus, ihn aus Furcht, wie es ausdrücklich heißt, wieder zum Rückfall<lb/> in den alten particularischcn Standpunkt zu veranlassen, ein deutlicher Beweis,<lb/> was die Anschauung des Jakobus und die ganze Praxis der Urgemeinde. und<lb/> noch überdies, was der Charakter des Petrus war. Daß endlich auch der<lb/> dritte Säulenapostel, Johannes, der Verfasser der Offenbarung, ganz dieselbe<lb/> Anschauung vom Christenthum als dem orthodoxen Judenthum theilte, davon<lb/> war wiederholt die Rede. Wäre das Christenthum auf derselben Stufe ge¬<lb/> blieben, auf der wir es in der jerusalemischen Urgemeinde finden, so wäre es<lb/> nie aus den Banden des Judenthums frei geworden. es wäre nie zu der welt¬<lb/> geschichtlichen, weltumgestaltcnden Macht geworden, es wäre eine jüdische Sekte<lb/> geblieben, die sich vielleicht mit dem Glauben an die messianische Wiederkunft,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0517]
nur Beschnittene zu Bischöfen gehabt haben. Die Judenchristen Palästinas
blieben noch lange im Zusammenhang mit der sudischen Synagoge und für die
außerhalb des Judenthums Stehenden mußte der Unterschied zwischen Juden
und Christen kaum bemerkbar sein. Eben deswegen ist bei heidnischen Schrift¬
stellern so wenig von den Christen die Rede; in ihre Schilderung der Juden
mischen sich zuweilen Züge ein. die offenbar den Christen entlehnt sind, so bei
Tacitus. wenn er von den Juden sagt, daß sie „die Seelen Hingerichteter für
ewig halten und eine besondere Todesverachtung an den Tag legen." — End¬
lich lag es in der Natur der Sache, daß die Abzweckung des Christenthums
zunächst nur dem auserwählten Volk Gottes gelten sollte. Seine Bestimmung
schien erfüllt, wenn das ganze Volk der Verheißung im Angesicht der nahen
Wiederkunft des Messias zum Glauben an ihn eingegangen wäre. Feste Grund¬
sätze über die Berufung der Heiden hatte man noch nicht. Aber es galt als
selbstverständlich, daß die große Masse der Heidenwelt während des Messias¬
reichs zu den unterworfenen Völkern, beim Gericht zu den Verdammten gehören
werde. Jedenfalls sollte der besondere Vorzug des Volkes Israel aus keine
Weise verkürzt werden. Die Urgemeinde folgte, nachdem sie von der freieren
hellenistischen Richtung selbst gereinigt war, nur mit Mißtrauen der Wirksam¬
keit des Apostels Paulus, und es ist bezeichnend, daß die judenchnsttichen Geg¬
ner, welche sich überall in die von Paulus gestifteten Gemeinden eindrängten
und vom Apostel mit solcher Energie bekämpft wurden, sich stets auf die Auto¬
rität der „Säulenapostel" beriefen. Wie Petrus in dieser Beziehung dachte,
darüber lassen namentlich die im 2. Capitel des Galaterbriefs erzählten Vorgänge
keinen Zweifel. Einzig die Judenwelt im Auge haltend, hatte er noch gar nicht
Veranlassung gehabt, sich über das Verhältniß des Christenthums zum Juden-
thum Rechenschaft zu geben. Es war ihm etwas Neues, als er nach Antiochia
kam und dort das Heidenchristenthum kennen lernte, und wenn er im ersten
Augenblick, vielleicht hingerissen durch die überlegene Persönlickkeit des Paulus,
eine freisinnige Anwandlung hatte, so genügte die Ankunft der Abgeordneten
des Jakobus, ihn aus Furcht, wie es ausdrücklich heißt, wieder zum Rückfall
in den alten particularischcn Standpunkt zu veranlassen, ein deutlicher Beweis,
was die Anschauung des Jakobus und die ganze Praxis der Urgemeinde. und
noch überdies, was der Charakter des Petrus war. Daß endlich auch der
dritte Säulenapostel, Johannes, der Verfasser der Offenbarung, ganz dieselbe
Anschauung vom Christenthum als dem orthodoxen Judenthum theilte, davon
war wiederholt die Rede. Wäre das Christenthum auf derselben Stufe ge¬
blieben, auf der wir es in der jerusalemischen Urgemeinde finden, so wäre es
nie aus den Banden des Judenthums frei geworden. es wäre nie zu der welt¬
geschichtlichen, weltumgestaltcnden Macht geworden, es wäre eine jüdische Sekte
geblieben, die sich vielleicht mit dem Glauben an die messianische Wiederkunft,
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