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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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in der That für das durch ihn vergossene Märtyrerblut. Denn sobald das neue
Babylon durch ihn gestürzt ist, öffnet sich der Himmel, der Messias erscheint
auf einem weißen Pferd, umgeben von den himmlischen Heerschaaren, angethan
mit einem scharfen Schwert und einer eisernen Ruthe; denn er ist gekommen,
den Wein des grimmigen Zorns Gottes zu keltern. Nero rückt mit den
Seinigen an. aber der Messias vernichtet ihn, daß er und seine Heere eine
Beute der Vögel werden. Nun richtet der Messias sein Reich auf inmitten der
unterworfenen Völker, die Hauptstadt ist Jerusalem, und um ihn herum filzen
die Gläubigen, die während der Verfolgung nicht abgefallen sind, während die
Leiber der Märtyrer zur Theilnahme am Reich ausdrücklich auferweckt werden.
Dieses Reich dauert 1000 Jahre. Alsdann erheben sich die Völker der Erde
gegen das priesterliche Volk und belagern die heilige Stadt, aber das Feuer
des Himmels verzehrt sie. Am Ende erscheint der Ewige auf seinem Thron.
Himmel und Erde vergehen, die Todten stehen auf und vernehmen im An¬
gesicht des Höchsten den Richterspruch, jeder nach seinen Werken. Der Tod
und die Hölle werden ins Feuer geworfen, ein neuer Himmel und eine neue
Erde werden geschaffen; eine heilige Stadt, das neue Jerusalem, steigt vom
Himmel herab, eine Stadt, welche Gott mit dem Lamme bewohnt.

Die einzelnen Züge zu diesem großartigen Gedicht sind durchaus der alt-
testamentlichen Apotalyptik, besonders dem Buch Daniel entlehnt. Aber auch
der Inhalt schließt sich so eng als möglich an die Bücher der späteren jüdischen
Prophetie an. Noch ist der Messias nicht der Weltrichter, und die einzige
Differenz besteht darin, daß der Messias vom Himmel herabkommt, eine
Modification, die damit von selbst gegeben war, daß der Messias, der erwartet
wurde, bereits euunal auf der Erde gelebt hatte, und die überdies bald auch
von den Juden in ihre Messiaserwartungen aufgenommen wurde. Allerdings
war damit in die Lehre von Christus ein phantastisches Element gekommen, das
später bis zur Vergöttlichung desselben ausgebildet wurde. Allein die Häufung
ehrender Prädicate wird hier noch nicht zu einer wirklichen Alterirung der
menschlichen Natur des Messias. So wird auch die tausendjährige Herrschaft
des Messias durchaus als ein weltliches theokratisches Reich geschildert, es wird
durch Schlachten gegen Nero gegründet und hat Jerusalem zur Hauptstadt, es
erstreckt sich über die Völker der Erde, die unterjocht werden und eines Tages
sich wieder auflehnen. Der echt jüdische nationale Geist verläugnet sich in
keiner Zeile. Die Offenbarung ist durchaus vom Haß gegen das Heidenthum
getränkt. Die Juden sind zum Voraus die Berechtigte", die Heiden die Ver¬
dammten. Die zwölf Stämme sind der Rechtstitel der Ansprüche, welche die
Juden auf das messianische Reich haben, während alle Plagen, welche über
die Heiden ergehen, nur dazu dienen, sie im Unglauben zu verhärten. Von
den sittlichen Bedingungen , welche Jesus für den Eintritt in sein Reich gestellt,


in der That für das durch ihn vergossene Märtyrerblut. Denn sobald das neue
Babylon durch ihn gestürzt ist, öffnet sich der Himmel, der Messias erscheint
auf einem weißen Pferd, umgeben von den himmlischen Heerschaaren, angethan
mit einem scharfen Schwert und einer eisernen Ruthe; denn er ist gekommen,
den Wein des grimmigen Zorns Gottes zu keltern. Nero rückt mit den
Seinigen an. aber der Messias vernichtet ihn, daß er und seine Heere eine
Beute der Vögel werden. Nun richtet der Messias sein Reich auf inmitten der
unterworfenen Völker, die Hauptstadt ist Jerusalem, und um ihn herum filzen
die Gläubigen, die während der Verfolgung nicht abgefallen sind, während die
Leiber der Märtyrer zur Theilnahme am Reich ausdrücklich auferweckt werden.
Dieses Reich dauert 1000 Jahre. Alsdann erheben sich die Völker der Erde
gegen das priesterliche Volk und belagern die heilige Stadt, aber das Feuer
des Himmels verzehrt sie. Am Ende erscheint der Ewige auf seinem Thron.
Himmel und Erde vergehen, die Todten stehen auf und vernehmen im An¬
gesicht des Höchsten den Richterspruch, jeder nach seinen Werken. Der Tod
und die Hölle werden ins Feuer geworfen, ein neuer Himmel und eine neue
Erde werden geschaffen; eine heilige Stadt, das neue Jerusalem, steigt vom
Himmel herab, eine Stadt, welche Gott mit dem Lamme bewohnt.

Die einzelnen Züge zu diesem großartigen Gedicht sind durchaus der alt-
testamentlichen Apotalyptik, besonders dem Buch Daniel entlehnt. Aber auch
der Inhalt schließt sich so eng als möglich an die Bücher der späteren jüdischen
Prophetie an. Noch ist der Messias nicht der Weltrichter, und die einzige
Differenz besteht darin, daß der Messias vom Himmel herabkommt, eine
Modification, die damit von selbst gegeben war, daß der Messias, der erwartet
wurde, bereits euunal auf der Erde gelebt hatte, und die überdies bald auch
von den Juden in ihre Messiaserwartungen aufgenommen wurde. Allerdings
war damit in die Lehre von Christus ein phantastisches Element gekommen, das
später bis zur Vergöttlichung desselben ausgebildet wurde. Allein die Häufung
ehrender Prädicate wird hier noch nicht zu einer wirklichen Alterirung der
menschlichen Natur des Messias. So wird auch die tausendjährige Herrschaft
des Messias durchaus als ein weltliches theokratisches Reich geschildert, es wird
durch Schlachten gegen Nero gegründet und hat Jerusalem zur Hauptstadt, es
erstreckt sich über die Völker der Erde, die unterjocht werden und eines Tages
sich wieder auflehnen. Der echt jüdische nationale Geist verläugnet sich in
keiner Zeile. Die Offenbarung ist durchaus vom Haß gegen das Heidenthum
getränkt. Die Juden sind zum Voraus die Berechtigte», die Heiden die Ver¬
dammten. Die zwölf Stämme sind der Rechtstitel der Ansprüche, welche die
Juden auf das messianische Reich haben, während alle Plagen, welche über
die Heiden ergehen, nur dazu dienen, sie im Unglauben zu verhärten. Von
den sittlichen Bedingungen , welche Jesus für den Eintritt in sein Reich gestellt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/514>, abgerufen am 28.09.2024.