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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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fang macht, in der untern Kirche von Se. Francesco ti Assise zuschreibt, ist
nicht giottesk, sondern siennesisch und wehrt sich schon dadurch gegen Vasaris
eigene richtige Prämissen.

Da wir hier bereits aus der Ferne die belebenden Strahlen der neuen Ge¬
stirne wahrnehmen, welche bestimmt waren, eine neue Aera der Kunst herauf¬
zuführen, so wird es Entschuldigung finden, wenn wir, von der Oekonomie
unseres Werkes abweichend, die lehrreichen und inhaltstrotzenden Capitel über¬
springen, welche die Entfaltung der Künste in Siena, Pisa und Neapel,
sowie den Ausschwung der Plastik in Florenz behandeln, und uns gleich den¬
jenigen Namen zuwenden, deren Abglanz im Vorigen skizzirt wurde.

Es will scheinen, als hätte der gute Vasari zur Unzeit über dem Maler
den Geschichtschreiber vergessen, wenn er uns bei der Einführung Eimabues
erzählt, daß Griechen von damals seine Lehrmeister gewesen seien. Als er
diese Thatsachen erfand, kann ihn fast nur die Meinung geleitet haben, daß
die Zusammenstellung von Contrasten ebenso in der geschichtlichen Schilderung
Wie in der bildlichen als Gesetz zu gelten habe, gleichviel, woher die materiellen
Anhaltepunkte zu nehmen seien. Etwelche Griechen nämlich sollen, wie er be¬
hauptet, von der florentinischen Regierung verschrieben worden sein, um
in Santa Maria Novell" eine Kapelle auszumalen. Die eine Behauptung
jedoch fällt mit der andern. Maria Novella wurde erst vierzig Jahre nach
Cimabues Geburt in Angriff genommen. Spätere Historiker haben, u>n Va¬
saris Autorität wenigstens in der Hauptsache zu retten, die Arbeit dieser Grie¬
chen an einen andern benachbarten Platz verlegt und d'Agincourt zeigt uns einige
ihrer vermeintlichen Producte in der Nachbildung. Mer unglücklicherweise steht
von diesen wie von denjenigen andern Gemachtem, welche della Valle und Lauzi
als Hilfstruppen in die Bresche der Glaubwürdigkeit Vasaris stellen, unabweis-
lich fest, daß sie anderen Zeiten und anderen Urhebern angehören. Die Kritik
legt also gegen diese fabelhaften Griechen, seien sie nun als Lehrmeister oder
als Folie Cimabues erfunden, Verwahrung ein. Sie sind zwar nicht die ersten
solcher Götter aus der Maschine, die wir in der Geschichte der italienischen Kunst
ohne alle Legitimation antreffen, aber es ist hier vielleicht nicht am unrechten
Orte, jenen Protest auf das in Darstellungen der Erneuerung des gesammten
Culturlebens in Italien so oft wiederkehrende Axiom auszudehnen, vermöge
dessen der großen weltbewegenden Thatsache ihr schönster Werth, der einer spon¬
tanen Geistesthat, durch die übermäßige Hervorhebung des äußerlichen Vehikels
verkürzt wird, das man mit dem Import von jenseits der Adria bezeichnet.
Damals war überdies von dorther schlechterdings keine lebendige Waare zu
holen, die solchen Einfluß hätte ausüben können, wie dies ja auch die Vasari-
ker in dieser Frage einsehen. Wir haben hier vielmehr wohl oder übel das
lare-äa-hö Italiens anzuerkennen.


fang macht, in der untern Kirche von Se. Francesco ti Assise zuschreibt, ist
nicht giottesk, sondern siennesisch und wehrt sich schon dadurch gegen Vasaris
eigene richtige Prämissen.

Da wir hier bereits aus der Ferne die belebenden Strahlen der neuen Ge¬
stirne wahrnehmen, welche bestimmt waren, eine neue Aera der Kunst herauf¬
zuführen, so wird es Entschuldigung finden, wenn wir, von der Oekonomie
unseres Werkes abweichend, die lehrreichen und inhaltstrotzenden Capitel über¬
springen, welche die Entfaltung der Künste in Siena, Pisa und Neapel,
sowie den Ausschwung der Plastik in Florenz behandeln, und uns gleich den¬
jenigen Namen zuwenden, deren Abglanz im Vorigen skizzirt wurde.

Es will scheinen, als hätte der gute Vasari zur Unzeit über dem Maler
den Geschichtschreiber vergessen, wenn er uns bei der Einführung Eimabues
erzählt, daß Griechen von damals seine Lehrmeister gewesen seien. Als er
diese Thatsachen erfand, kann ihn fast nur die Meinung geleitet haben, daß
die Zusammenstellung von Contrasten ebenso in der geschichtlichen Schilderung
Wie in der bildlichen als Gesetz zu gelten habe, gleichviel, woher die materiellen
Anhaltepunkte zu nehmen seien. Etwelche Griechen nämlich sollen, wie er be¬
hauptet, von der florentinischen Regierung verschrieben worden sein, um
in Santa Maria Novell« eine Kapelle auszumalen. Die eine Behauptung
jedoch fällt mit der andern. Maria Novella wurde erst vierzig Jahre nach
Cimabues Geburt in Angriff genommen. Spätere Historiker haben, u>n Va¬
saris Autorität wenigstens in der Hauptsache zu retten, die Arbeit dieser Grie¬
chen an einen andern benachbarten Platz verlegt und d'Agincourt zeigt uns einige
ihrer vermeintlichen Producte in der Nachbildung. Mer unglücklicherweise steht
von diesen wie von denjenigen andern Gemachtem, welche della Valle und Lauzi
als Hilfstruppen in die Bresche der Glaubwürdigkeit Vasaris stellen, unabweis-
lich fest, daß sie anderen Zeiten und anderen Urhebern angehören. Die Kritik
legt also gegen diese fabelhaften Griechen, seien sie nun als Lehrmeister oder
als Folie Cimabues erfunden, Verwahrung ein. Sie sind zwar nicht die ersten
solcher Götter aus der Maschine, die wir in der Geschichte der italienischen Kunst
ohne alle Legitimation antreffen, aber es ist hier vielleicht nicht am unrechten
Orte, jenen Protest auf das in Darstellungen der Erneuerung des gesammten
Culturlebens in Italien so oft wiederkehrende Axiom auszudehnen, vermöge
dessen der großen weltbewegenden Thatsache ihr schönster Werth, der einer spon¬
tanen Geistesthat, durch die übermäßige Hervorhebung des äußerlichen Vehikels
verkürzt wird, das man mit dem Import von jenseits der Adria bezeichnet.
Damals war überdies von dorther schlechterdings keine lebendige Waare zu
holen, die solchen Einfluß hätte ausüben können, wie dies ja auch die Vasari-
ker in dieser Frage einsehen. Wir haben hier vielmehr wohl oder übel das
lare-äa-hö Italiens anzuerkennen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/501>, abgerufen am 21.10.2024.