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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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der Vergessenheit entrissen, was bei minder leidenschaftlichem Interesse verloren
gegangen Ware. Erklärlich ist es dabei allerdings, daß namentlich der leidige
Stolz, die Neugeburt der italienischen Kunst per tas se nstas der particulären
Heimath zu vindiciren, wiederum gar viel verdirbt.

Während Florenz, Siena und Visa in dieser Beziehung übereifrig nach
dem Rechten sehn, macht Rom hier merkwürdigerweise eine Ausnahme. Seine
Schriftsteller haben wenig dazu gethan, Namen zu beleuchten, welche der Zeit-
und Rangordnung nach eine so vornehme Stelle beanspruchen wie die Cos-
mati. Vasari kennt sie nicht, obwohl sie fast von gleichbedeutenden Einflüsse
für die Architektur wie für die Bildnerei und Malerei der aufwachenden Epoche
gewesen sind. In den landläufigen Kunstgeschichten wird ihrer nur sehr ober¬
flächlich gedacht; aber schon Agincourt, Cicognara und della Valle wissen
von ihnen, Rumohr hat nur geringe Notiz von dieser Künstlergruppe genom¬
men; namentlich mit Karl Witte*), der treffliche Untersuchungen über sie an¬
gestellt hat, theilt unser Buch das Verdienst, ihnen gerecht geworden zu sein.
Civita Mstellana bei Rom, Se. scholastica bei Subiaco, Anagni bewahren
das Gedächtniß des Lorenz Cosmas und seiner Söhne Lucas und Jakob in
Denksteinen, die ihren Arbeiten beigefügt sind; auch ein Giovanni, vermuth¬
lich ein Enkel, ist genannt. In Villa Mattei zu Rom werden mit Wahrschein¬
lichkeit nicht blos die Mosaiken, sondern auch die schöne reine Architektur, sowie
treffliche Grabskulpturen in Araceli zu Rom auf zwei Künstler aus dieser Fa¬
milie zurückgeführt.

Giovanni verewigte seinen Namen durch das Grabdenkmal des Guillaume
Durand in Sta Maria sopra Minerva, einem Werke, dessen gediegene Schön¬
heit sehr merklich von allen früheren Kunstleistungen Roms absticht und nicht
blos in der Tendenz, sondern in ganz speciellen Formmomenten den Einfluß
Giottos beurkundet. Als Meisterwerk der Cosmati aber zeichnen sich die Bil¬
der aus dem Leben der heiligen Jungfrau in Sta. Maria in Trastevere aus.
Was Assise für Giotto -- so sagen unsere Autoren -- war Maria in Traste¬
vere für die Cosmati. Hier schwindet der byzantinische Stil, ein neues Schön¬
heitsideal kündet sich an.

In Pietro Cavallini vollzieht sich auch äußerlich die Verbindung der rö¬
mischen mit der florentiner Schule dieser Zeit. In örtlicher Berührung mit
den Werten der Cosmati in Trastevere beginnen nach Vasaris Zeugniß die
Spuren seiner Thätigkeit; später scheint er sich, wie z. B. in den musivischen
Bildern von Se. Paolo fuori, gänzlich dem Einflüsse Giottos unterzuordnen,
der an ihm einen tüchtigen und empfänglichen Gehilfen fand. Was ihm aber
Vasari, der hier überhaupt schon mit seiner unglücklichen Vielwisserei den An-



') S. Kunstblatt, (Stuttgart und Tübingen) Jahrgang 1825.

der Vergessenheit entrissen, was bei minder leidenschaftlichem Interesse verloren
gegangen Ware. Erklärlich ist es dabei allerdings, daß namentlich der leidige
Stolz, die Neugeburt der italienischen Kunst per tas se nstas der particulären
Heimath zu vindiciren, wiederum gar viel verdirbt.

Während Florenz, Siena und Visa in dieser Beziehung übereifrig nach
dem Rechten sehn, macht Rom hier merkwürdigerweise eine Ausnahme. Seine
Schriftsteller haben wenig dazu gethan, Namen zu beleuchten, welche der Zeit-
und Rangordnung nach eine so vornehme Stelle beanspruchen wie die Cos-
mati. Vasari kennt sie nicht, obwohl sie fast von gleichbedeutenden Einflüsse
für die Architektur wie für die Bildnerei und Malerei der aufwachenden Epoche
gewesen sind. In den landläufigen Kunstgeschichten wird ihrer nur sehr ober¬
flächlich gedacht; aber schon Agincourt, Cicognara und della Valle wissen
von ihnen, Rumohr hat nur geringe Notiz von dieser Künstlergruppe genom¬
men; namentlich mit Karl Witte*), der treffliche Untersuchungen über sie an¬
gestellt hat, theilt unser Buch das Verdienst, ihnen gerecht geworden zu sein.
Civita Mstellana bei Rom, Se. scholastica bei Subiaco, Anagni bewahren
das Gedächtniß des Lorenz Cosmas und seiner Söhne Lucas und Jakob in
Denksteinen, die ihren Arbeiten beigefügt sind; auch ein Giovanni, vermuth¬
lich ein Enkel, ist genannt. In Villa Mattei zu Rom werden mit Wahrschein¬
lichkeit nicht blos die Mosaiken, sondern auch die schöne reine Architektur, sowie
treffliche Grabskulpturen in Araceli zu Rom auf zwei Künstler aus dieser Fa¬
milie zurückgeführt.

Giovanni verewigte seinen Namen durch das Grabdenkmal des Guillaume
Durand in Sta Maria sopra Minerva, einem Werke, dessen gediegene Schön¬
heit sehr merklich von allen früheren Kunstleistungen Roms absticht und nicht
blos in der Tendenz, sondern in ganz speciellen Formmomenten den Einfluß
Giottos beurkundet. Als Meisterwerk der Cosmati aber zeichnen sich die Bil¬
der aus dem Leben der heiligen Jungfrau in Sta. Maria in Trastevere aus.
Was Assise für Giotto — so sagen unsere Autoren — war Maria in Traste¬
vere für die Cosmati. Hier schwindet der byzantinische Stil, ein neues Schön¬
heitsideal kündet sich an.

In Pietro Cavallini vollzieht sich auch äußerlich die Verbindung der rö¬
mischen mit der florentiner Schule dieser Zeit. In örtlicher Berührung mit
den Werten der Cosmati in Trastevere beginnen nach Vasaris Zeugniß die
Spuren seiner Thätigkeit; später scheint er sich, wie z. B. in den musivischen
Bildern von Se. Paolo fuori, gänzlich dem Einflüsse Giottos unterzuordnen,
der an ihm einen tüchtigen und empfänglichen Gehilfen fand. Was ihm aber
Vasari, der hier überhaupt schon mit seiner unglücklichen Vielwisserei den An-



') S. Kunstblatt, (Stuttgart und Tübingen) Jahrgang 1825.
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[0500] der Vergessenheit entrissen, was bei minder leidenschaftlichem Interesse verloren gegangen Ware. Erklärlich ist es dabei allerdings, daß namentlich der leidige Stolz, die Neugeburt der italienischen Kunst per tas se nstas der particulären Heimath zu vindiciren, wiederum gar viel verdirbt. Während Florenz, Siena und Visa in dieser Beziehung übereifrig nach dem Rechten sehn, macht Rom hier merkwürdigerweise eine Ausnahme. Seine Schriftsteller haben wenig dazu gethan, Namen zu beleuchten, welche der Zeit- und Rangordnung nach eine so vornehme Stelle beanspruchen wie die Cos- mati. Vasari kennt sie nicht, obwohl sie fast von gleichbedeutenden Einflüsse für die Architektur wie für die Bildnerei und Malerei der aufwachenden Epoche gewesen sind. In den landläufigen Kunstgeschichten wird ihrer nur sehr ober¬ flächlich gedacht; aber schon Agincourt, Cicognara und della Valle wissen von ihnen, Rumohr hat nur geringe Notiz von dieser Künstlergruppe genom¬ men; namentlich mit Karl Witte*), der treffliche Untersuchungen über sie an¬ gestellt hat, theilt unser Buch das Verdienst, ihnen gerecht geworden zu sein. Civita Mstellana bei Rom, Se. scholastica bei Subiaco, Anagni bewahren das Gedächtniß des Lorenz Cosmas und seiner Söhne Lucas und Jakob in Denksteinen, die ihren Arbeiten beigefügt sind; auch ein Giovanni, vermuth¬ lich ein Enkel, ist genannt. In Villa Mattei zu Rom werden mit Wahrschein¬ lichkeit nicht blos die Mosaiken, sondern auch die schöne reine Architektur, sowie treffliche Grabskulpturen in Araceli zu Rom auf zwei Künstler aus dieser Fa¬ milie zurückgeführt. Giovanni verewigte seinen Namen durch das Grabdenkmal des Guillaume Durand in Sta Maria sopra Minerva, einem Werke, dessen gediegene Schön¬ heit sehr merklich von allen früheren Kunstleistungen Roms absticht und nicht blos in der Tendenz, sondern in ganz speciellen Formmomenten den Einfluß Giottos beurkundet. Als Meisterwerk der Cosmati aber zeichnen sich die Bil¬ der aus dem Leben der heiligen Jungfrau in Sta. Maria in Trastevere aus. Was Assise für Giotto — so sagen unsere Autoren — war Maria in Traste¬ vere für die Cosmati. Hier schwindet der byzantinische Stil, ein neues Schön¬ heitsideal kündet sich an. In Pietro Cavallini vollzieht sich auch äußerlich die Verbindung der rö¬ mischen mit der florentiner Schule dieser Zeit. In örtlicher Berührung mit den Werten der Cosmati in Trastevere beginnen nach Vasaris Zeugniß die Spuren seiner Thätigkeit; später scheint er sich, wie z. B. in den musivischen Bildern von Se. Paolo fuori, gänzlich dem Einflüsse Giottos unterzuordnen, der an ihm einen tüchtigen und empfänglichen Gehilfen fand. Was ihm aber Vasari, der hier überhaupt schon mit seiner unglücklichen Vielwisserei den An- ') S. Kunstblatt, (Stuttgart und Tübingen) Jahrgang 1825.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/500>, abgerufen am 28.09.2024.