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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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vollen Rechtfertigung braucht blos gesagt zu werden, daß -- wenn nicht ihr
unmittelbarer, so doch sicherlich ihr mittelbarer Einfluß es gewesen ist, dem
wir die großartigen Denkmäler altchristlicher Kunst in Sicilien verdanken.

Die sicilische Kunst, dem so eigenthümlich vicibefruchtcten Boden entlockt
durch die Munificenz der normannischen Herrscher, hat eine kurze Blüthe ge¬
habt, aber sie vereinigt in ihren Erzeugnissen die Großheit und Schöne des
Besten, was christliche Bildnerei bis dahin hervorgebracht hatte und dies zu
einer Zeit, wo die übrigen Stätten der neue" Kunstthätigkeit schon fast völlig
brach lagen. Den Schilderungen der Wandgemälde und Mosaiken von Cefalu,
Palermo, Mourcale folgen nur nicht ins Einzelne. Auch die in Cefalu sind
von verschiedenen Händen und von verschiedenem Werth. Was ihnen aber
insgesammt den hohen Ncuig sichert, der ihnen zugetheilt wird, ist die Strenge
der Zeichnung. Feinheit und Würde der Darstellung, wie sie nur aus leben¬
diger Erinnerung an die antiken Muster hervorgehn konnte. Tüchtiger Farben¬
sinn, gestützt auf verständige Naturbetrachtung, Geschmack in der Vertheilung
der Massen, hohe technische Correctheit gehen Hand in Hand. Ja wir begeg¬
nen in Palermo schon einzelnen Versuchen der Verkürzung, freilich im Zusam¬
menhang mit einer gewissen Neigung des künstlerischen Materialismus, durch
Drastik und Verzerrung zu wirken. Die Mosaiken von Messina freilich, die
nur hundert Jahre jünger sind als jene ersten, stehen schon gleich niedrig wie
die capuanischen.

Mit dem Ende des zwölften Jahrhunderts verbreitet sich diese neuere by¬
zantinische Kunst in der Verflachung, welche sie bereits in den späteren Denk¬
mälern Siciliens zeigt, nördlich, östlich und westlich über Italien. Es ist we¬
nig erquicklich, die ebenso mittelmäßigen wie massenhaften Productionen dieser
Zeit zu mustern. Ueber das Niveau erheben sich außer den venezianischen nur
wenige; doch bleibt es verhältnißmäßig noch am interessantesten, den Einfluß
dieser Richtung auf die einheimischen Erzeugnisse Roms zu beobachten. Was
die Feuersbrunst von 1823 in Se. Paolo fuori le Mura in Rom an Mosai¬
ken übrig gelassen hat, zeigt noch sehr respectable Arbeit und macht es wahr¬
scheinlich, daß dort Griechen thätig gewesen sind. Schon minder bemerkens¬
wert!) sind die Gemälde in der Sylvesterkapcllc bei Se. Quattro Cvronati und
die am Grabe des Kardinals Fieschi (geht. 1256) in Se. Lorenzo fuori. Auch
die Schildereien in Se. Benedetto ti Subiaco bedürfen des ahnungsvollen
Schauers, den das Local einflößt, um vor strengerer Kritik zu bestehen. Auf
die Zeiten des heiligen Mannes, dem sie geweiht ist, weist in der altehrwür-
digen Abtei kein Bildwerk zurück. In einer der Grotten begegnet wohl ein
Ueberbleibsel der römischen Kunst des achten oder neunten Jahrhunderts, das
Uebrige rangirt mit den rohen Leistungen des zwölften; selbst die tieferen Par¬
tien des Sacro spaco nicht ausgenommen, die zum Theil noch jünger sind.


vollen Rechtfertigung braucht blos gesagt zu werden, daß — wenn nicht ihr
unmittelbarer, so doch sicherlich ihr mittelbarer Einfluß es gewesen ist, dem
wir die großartigen Denkmäler altchristlicher Kunst in Sicilien verdanken.

Die sicilische Kunst, dem so eigenthümlich vicibefruchtcten Boden entlockt
durch die Munificenz der normannischen Herrscher, hat eine kurze Blüthe ge¬
habt, aber sie vereinigt in ihren Erzeugnissen die Großheit und Schöne des
Besten, was christliche Bildnerei bis dahin hervorgebracht hatte und dies zu
einer Zeit, wo die übrigen Stätten der neue» Kunstthätigkeit schon fast völlig
brach lagen. Den Schilderungen der Wandgemälde und Mosaiken von Cefalu,
Palermo, Mourcale folgen nur nicht ins Einzelne. Auch die in Cefalu sind
von verschiedenen Händen und von verschiedenem Werth. Was ihnen aber
insgesammt den hohen Ncuig sichert, der ihnen zugetheilt wird, ist die Strenge
der Zeichnung. Feinheit und Würde der Darstellung, wie sie nur aus leben¬
diger Erinnerung an die antiken Muster hervorgehn konnte. Tüchtiger Farben¬
sinn, gestützt auf verständige Naturbetrachtung, Geschmack in der Vertheilung
der Massen, hohe technische Correctheit gehen Hand in Hand. Ja wir begeg¬
nen in Palermo schon einzelnen Versuchen der Verkürzung, freilich im Zusam¬
menhang mit einer gewissen Neigung des künstlerischen Materialismus, durch
Drastik und Verzerrung zu wirken. Die Mosaiken von Messina freilich, die
nur hundert Jahre jünger sind als jene ersten, stehen schon gleich niedrig wie
die capuanischen.

Mit dem Ende des zwölften Jahrhunderts verbreitet sich diese neuere by¬
zantinische Kunst in der Verflachung, welche sie bereits in den späteren Denk¬
mälern Siciliens zeigt, nördlich, östlich und westlich über Italien. Es ist we¬
nig erquicklich, die ebenso mittelmäßigen wie massenhaften Productionen dieser
Zeit zu mustern. Ueber das Niveau erheben sich außer den venezianischen nur
wenige; doch bleibt es verhältnißmäßig noch am interessantesten, den Einfluß
dieser Richtung auf die einheimischen Erzeugnisse Roms zu beobachten. Was
die Feuersbrunst von 1823 in Se. Paolo fuori le Mura in Rom an Mosai¬
ken übrig gelassen hat, zeigt noch sehr respectable Arbeit und macht es wahr¬
scheinlich, daß dort Griechen thätig gewesen sind. Schon minder bemerkens¬
wert!) sind die Gemälde in der Sylvesterkapcllc bei Se. Quattro Cvronati und
die am Grabe des Kardinals Fieschi (geht. 1256) in Se. Lorenzo fuori. Auch
die Schildereien in Se. Benedetto ti Subiaco bedürfen des ahnungsvollen
Schauers, den das Local einflößt, um vor strengerer Kritik zu bestehen. Auf
die Zeiten des heiligen Mannes, dem sie geweiht ist, weist in der altehrwür-
digen Abtei kein Bildwerk zurück. In einer der Grotten begegnet wohl ein
Ueberbleibsel der römischen Kunst des achten oder neunten Jahrhunderts, das
Uebrige rangirt mit den rohen Leistungen des zwölften; selbst die tieferen Par¬
tien des Sacro spaco nicht ausgenommen, die zum Theil noch jünger sind.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/498>, abgerufen am 28.09.2024.