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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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setzen, zeigen sie sich in den meisten mir bekannten Fällen ziemlich dürftig und
armselig. Ein schönes Modell findet sich wohl -- die berühmtesten Courtisa¬
nen vom Quartier Breda und der Rue Notre Dame de Lorette suchen ihren
Stolz ebenso in der Pflege und Erhaltung eines wirklich schönen Körpers,
wie darin, vor einem gefeierten Maler des Tages in solcher Gestalt zu Posiren;
-- in einer mehr oder weniger reizenden Stellung wird es mit studirter Sorg¬
falt und elegantem Geschmack gezeichnet und (das ist die herrschende Mode) so
kühl und grautönig im Fleisch wie möglich colvnrt, wobei jede zu nahe Be¬
rührung oder gar Bedeckung durch Gewand, (sei es auch die eingeschränktes!
locale) sorgfältig vermieden wird; dann ein Paar Amoretten, ein Schwan oder
eine Faun, etwas Meer, Luft oder Landschaft hinzugefügt, ein mythologischer
oder poetischer Titel (oder auch schlechtweg der der "d-ugiwuLv") gegeben und
das neue Götterbild ist fertig. Aber es sieht nicht nackt geboren aus, sondern
jedes gesunde Auge erkennt die "ausgezogene", moderne Schöne, und !Vlg,äem"i-
seile teile et teile rst damit durchaus acht unzufrieden, denn das Werk des
Meisters ist ihre eigne beste Empfehlungskarte, und sein steigender iltuhm treibt
auch ihre Actien in die Höhe.

Unter den Malern dieser Richtung ist vor allen Paul Baudry, (geb. 1828)
zu großen Ehren gelangt. Er ist einer der feinfühligster darunter, von oft er¬
lesenen Geschmack in der Behandlung der weiblichen Formen, wie in dem bei
aller Mäßigkeit des Tons immer noch zart warmen und leuchtenden Eolorit;
in Stellungen und Ausdruck meist graziös und lieblich, wenn er auch eine Er¬
innerung moderner Eleganz nicht los wird; selten eigentlich lüstern. Seine
"Fortuna und das Kind" (im Luxembourg), seine "Toilette der Venus", "Leda"
hatten ihm bereits einen großen Namen gemacht, als er im Salon des vorige"
Jahres mit dem lebensgroßen Bilde "die Perle und die Woge", einer Art Ge¬
burt der Venus, seine frühern Leistungen noch überbot. Bei dieser reizenden,
üppige" nackten Gestalt, die auf glänzenden Muscheln zugleich von der meer¬
grünen schaumgekröntcn Woge an den Strand gerollt wird, während ihr
blondes Haar ihr zurückgebogenes lachendes Gesicht umfluthet hat, war dem
Maler übrigens wunderlicher Weise ein schwer begreiflicher Mißgriff passirt.
Ueber den Hüften markirte sich auf der zarten Haut in breitem Streifen um
die Taille laufend jener bekannte tiefere Farbenton, mit dem auch der schönste
moderne Frauenleib gezeichnet ist, die unverwisehte Erinnerung an unsichtbare
Costümrequisiten, welche die "schaumgeborene" -- nicht bei ihrem Modell zu¬
rückgelassen hatte. Mit dieser Venus rang die andre von Cabanel (geb. 1823,
bis zum vorigen Jahr mehr als ./Fantaisist", nicht minder als Maler heiliger
und idealistisch aufgefaßter Profanhistoric geschätzt) um den Preis. In
der graziösesten verlockendsten Wendung, dem Beschauer die Vorderseite
des schönsten und -- elegantesten Körpers zukehrend ruhte sie hingestreckt auf


setzen, zeigen sie sich in den meisten mir bekannten Fällen ziemlich dürftig und
armselig. Ein schönes Modell findet sich wohl — die berühmtesten Courtisa¬
nen vom Quartier Breda und der Rue Notre Dame de Lorette suchen ihren
Stolz ebenso in der Pflege und Erhaltung eines wirklich schönen Körpers,
wie darin, vor einem gefeierten Maler des Tages in solcher Gestalt zu Posiren;
— in einer mehr oder weniger reizenden Stellung wird es mit studirter Sorg¬
falt und elegantem Geschmack gezeichnet und (das ist die herrschende Mode) so
kühl und grautönig im Fleisch wie möglich colvnrt, wobei jede zu nahe Be¬
rührung oder gar Bedeckung durch Gewand, (sei es auch die eingeschränktes!
locale) sorgfältig vermieden wird; dann ein Paar Amoretten, ein Schwan oder
eine Faun, etwas Meer, Luft oder Landschaft hinzugefügt, ein mythologischer
oder poetischer Titel (oder auch schlechtweg der der „d-ugiwuLv") gegeben und
das neue Götterbild ist fertig. Aber es sieht nicht nackt geboren aus, sondern
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seile teile et teile rst damit durchaus acht unzufrieden, denn das Werk des
Meisters ist ihre eigne beste Empfehlungskarte, und sein steigender iltuhm treibt
auch ihre Actien in die Höhe.

Unter den Malern dieser Richtung ist vor allen Paul Baudry, (geb. 1828)
zu großen Ehren gelangt. Er ist einer der feinfühligster darunter, von oft er¬
lesenen Geschmack in der Behandlung der weiblichen Formen, wie in dem bei
aller Mäßigkeit des Tons immer noch zart warmen und leuchtenden Eolorit;
in Stellungen und Ausdruck meist graziös und lieblich, wenn er auch eine Er¬
innerung moderner Eleganz nicht los wird; selten eigentlich lüstern. Seine
„Fortuna und das Kind" (im Luxembourg), seine „Toilette der Venus", „Leda"
hatten ihm bereits einen großen Namen gemacht, als er im Salon des vorige»
Jahres mit dem lebensgroßen Bilde „die Perle und die Woge", einer Art Ge¬
burt der Venus, seine frühern Leistungen noch überbot. Bei dieser reizenden,
üppige» nackten Gestalt, die auf glänzenden Muscheln zugleich von der meer¬
grünen schaumgekröntcn Woge an den Strand gerollt wird, während ihr
blondes Haar ihr zurückgebogenes lachendes Gesicht umfluthet hat, war dem
Maler übrigens wunderlicher Weise ein schwer begreiflicher Mißgriff passirt.
Ueber den Hüften markirte sich auf der zarten Haut in breitem Streifen um
die Taille laufend jener bekannte tiefere Farbenton, mit dem auch der schönste
moderne Frauenleib gezeichnet ist, die unverwisehte Erinnerung an unsichtbare
Costümrequisiten, welche die „schaumgeborene" — nicht bei ihrem Modell zu¬
rückgelassen hatte. Mit dieser Venus rang die andre von Cabanel (geb. 1823,
bis zum vorigen Jahr mehr als ./Fantaisist", nicht minder als Maler heiliger
und idealistisch aufgefaßter Profanhistoric geschätzt) um den Preis. In
der graziösesten verlockendsten Wendung, dem Beschauer die Vorderseite
des schönsten und — elegantesten Körpers zukehrend ruhte sie hingestreckt auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/477>, abgerufen am 28.09.2024.