Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.er muß dafür sein Heil in der Malerei der beiden lieblichen nackten Knaben¬ Wahrhaft greulich aber ist die Richmng der modernen kirchlichen Malerei er muß dafür sein Heil in der Malerei der beiden lieblichen nackten Knaben¬ Wahrhaft greulich aber ist die Richmng der modernen kirchlichen Malerei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189539"/> <p xml:id="ID_1721" prev="#ID_1720"> er muß dafür sein Heil in der Malerei der beiden lieblichen nackten Knaben¬<lb/> gestalten suchen, und wahrlich nicht vergebens: sie sind ihm herrlich gelungen<lb/> und blühendes Kindcrfleisch ist selten vollendeter und in schönerer Wahrheit<lb/> gemalt wie hier. Glückliche Nachahmungen der ganzen Anschauungs-, Compo-<lb/> sitivns- und Malweise großer Meister der Vergangenheit in ihren kirchlichen<lb/> Werken sind nicht selten und niemand kann es in dieser dreifachen Hinsicht<lb/> z. B. dem Paolo Veronese besser abgesehn haben als Sieurac.</p><lb/> <p xml:id="ID_1722"> Wahrhaft greulich aber ist die Richmng der modernen kirchlichen Malerei<lb/> der Franzosen, welche eben jener oben angedeuteten allerneusten, von oben her<lb/> protcgirten specifisch katholischen Christlichkeit^mit ihrem neu aufgeputzten Heiligen-<lb/> und Märtyrcrdienst entspringt. Wenn man in den großen Ausstellungen die<lb/> zahlreichen entweder vom „Nmistöre et'IAg,t" bestellten oder von ihm angekauften,<lb/> jedenfalls also wohl zur Versorgung von Kirchen und Kapellen bestimmten<lb/> meist riesengroßen Gemälde von allen denkbaren scheußlichen und widerwärtigen<lb/> Martertoden aller bekannten und unbekannten Heiligen sieht, so konnte man<lb/> sich in die Zeiten der schlimmsten jesuitischen Reaction im siebzehnten Jahr¬<lb/> hundert, in die Epoche der damaligen Extascn und Märtyrermaler zurückversetzt<lb/> glauben. Wenn man nicht wüßte, daß die Grausamkeit ebenso tief wie ihre<lb/> Schwester die Wollust im französischen Blut steckt, so würde man schwer be¬<lb/> greifen, wie sich ein moderner Mensch die robusten Nerven erhalten konnte, die<lb/> doch nöthig sind, um bei solchen Gemälden die Monate auszudauern, deren<lb/> er zu ihrer Vollendung bedarf. In „dem Tode des heiligen Hippolyte" von<lb/> Arsey, wird der Märtyrer eben von vier wilden Pferden zerrissen, an deren<lb/> Schweife seine Henker ihn mit Händen und Füßen gebunden haben. Einige<lb/> seiner gläubigen Bekenner haben bereits dasselbe Schicksal erlitten, und die<lb/> Haufen ihrer verstümmelten, zum Theil glicderloscn Leichname liegen in kolossaler<lb/> Größe im Vorgrund umher, während sich oben die Himmel öffnen und die<lb/> Palmen tragenden Engel niedersteigen. Auf einem Vilde von Bonnae wird<lb/> der heilige Andreas in bekannter Stellung gekreuzigt. Auf einer ungeheuern<lb/> Tafel von Charlat. vom Ministerium für die Kathedrale von Rochelle bestimmt,<lb/> sah ich gar den heiligen Bartholomäus schinden und seine an der Brust aus-<lb/> geschnittne Haut durch die Zangen der Henker in blutigen Streifen von seinem<lb/> nackten Leibe abziehn! Das ist auch eine -religiöse kaiserlich-privilegirte Kunst!!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0444]
er muß dafür sein Heil in der Malerei der beiden lieblichen nackten Knaben¬
gestalten suchen, und wahrlich nicht vergebens: sie sind ihm herrlich gelungen
und blühendes Kindcrfleisch ist selten vollendeter und in schönerer Wahrheit
gemalt wie hier. Glückliche Nachahmungen der ganzen Anschauungs-, Compo-
sitivns- und Malweise großer Meister der Vergangenheit in ihren kirchlichen
Werken sind nicht selten und niemand kann es in dieser dreifachen Hinsicht
z. B. dem Paolo Veronese besser abgesehn haben als Sieurac.
Wahrhaft greulich aber ist die Richmng der modernen kirchlichen Malerei
der Franzosen, welche eben jener oben angedeuteten allerneusten, von oben her
protcgirten specifisch katholischen Christlichkeit^mit ihrem neu aufgeputzten Heiligen-
und Märtyrcrdienst entspringt. Wenn man in den großen Ausstellungen die
zahlreichen entweder vom „Nmistöre et'IAg,t" bestellten oder von ihm angekauften,
jedenfalls also wohl zur Versorgung von Kirchen und Kapellen bestimmten
meist riesengroßen Gemälde von allen denkbaren scheußlichen und widerwärtigen
Martertoden aller bekannten und unbekannten Heiligen sieht, so konnte man
sich in die Zeiten der schlimmsten jesuitischen Reaction im siebzehnten Jahr¬
hundert, in die Epoche der damaligen Extascn und Märtyrermaler zurückversetzt
glauben. Wenn man nicht wüßte, daß die Grausamkeit ebenso tief wie ihre
Schwester die Wollust im französischen Blut steckt, so würde man schwer be¬
greifen, wie sich ein moderner Mensch die robusten Nerven erhalten konnte, die
doch nöthig sind, um bei solchen Gemälden die Monate auszudauern, deren
er zu ihrer Vollendung bedarf. In „dem Tode des heiligen Hippolyte" von
Arsey, wird der Märtyrer eben von vier wilden Pferden zerrissen, an deren
Schweife seine Henker ihn mit Händen und Füßen gebunden haben. Einige
seiner gläubigen Bekenner haben bereits dasselbe Schicksal erlitten, und die
Haufen ihrer verstümmelten, zum Theil glicderloscn Leichname liegen in kolossaler
Größe im Vorgrund umher, während sich oben die Himmel öffnen und die
Palmen tragenden Engel niedersteigen. Auf einem Vilde von Bonnae wird
der heilige Andreas in bekannter Stellung gekreuzigt. Auf einer ungeheuern
Tafel von Charlat. vom Ministerium für die Kathedrale von Rochelle bestimmt,
sah ich gar den heiligen Bartholomäus schinden und seine an der Brust aus-
geschnittne Haut durch die Zangen der Henker in blutigen Streifen von seinem
nackten Leibe abziehn! Das ist auch eine -religiöse kaiserlich-privilegirte Kunst!!
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