Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Großherzog von Oldenburg als Prätendent für
Schleswig-Holstein.

Während die letzten unerfreulichen Nachrichten von dem Verlauf der Con-
ferenz nicht überraschten und das allgemeine Interesse bereits auf den Wieder¬
beginn der Feindseligkeiten gerichtet war, wurden beim Bunde die Ansprüche
angemeldet, welche der Großherzog von Oldenburg auf Schleswig-Holstein
erhebt.

Es war wohl nicht möglich, eine gefährlichere Zeit dafür zu finden. Grade
jetzt, wo die größte Einigkeit der Deutschen noththut, droht in Deutschland
selbst ein zwieträchtiger Kampf der Erbansprüche auszubrechen.

Zwar die Stellung, welche der Großherzog von Oldenburg zur Sache der
Herzogtümer einnimmt, war längst kein Geheimniß. Lange vor Veröffentlichung
der Antwort, welche er im Herbst vorigen Jahres dem Herzog von Schleswig-
Holstein auf dessen Anzeige seines Regierungsantritts zugehen ließ, war bekannt,
und gelegentlich durch das Verhalten Oldenburgs am Bunde bestätigt, daß der
Großherzog sich selbst für deu näher berechtigten Erben der Herzogthümer hielt.
Aber bei der günstigen Meinung, welche die Nation grade von diesem Bundes-
fürsten hatte, nahm man a", daß er in dieser großen nationalen Angelegenheit
sich mit einer einfachen Nechtsverwahrung begnügen und der Entwickelung der
Thatsachen kein Hinderniß in den Weg legen würde. Es war allerdings Grund
zu dieser Annahme; denn auch für die vermeintlichen Ansprüche des gottorpschen
Hauses war der Großherzog als Chef der jüngeren Linie nicht der nächste Erb¬
berechtigte, die älteste, Nußland, ging ihm vor, und sel,r füglich konnte Nu߬
land und der dritten Linie Was" (Holstein-Eutin) überlassen bleiben, ihre An¬
sprüche geltend zu machen.

Das ist anders gekommen, wir Deutsche sind um eine Enttäuschung reicher.
Was man nur für den Kampf eines wackern Herzens zwischen eingebildeten
Recht und zwischen patriotischem Interesse an der großen Angelegenheit, unserer
Nation hielt, war auch kluge Berechnung. Der Großherzog bat sich und seinem
Hause die Ansprüche der beiden andern Linien vorher cediren lassen, um
jetzt für sich selbst als Bewerber um den Herzogshut Schleswig-Holsteins auf¬
zutreten.

In den Unwillen, womit die Deutschen dies Verfahren betrachten, mischt sich
gewiß bei sehr vielen ein Gefühl von Trauer. Wir sind nicht reich an solchen
Regenten, welche verstanden haben mit ihrem Volke im Frieden zu leben und
ihre Regentenpflichten im Einklange mit den Bedürfnissen der Zeit zu erfüllen.


Der Großherzog von Oldenburg als Prätendent für
Schleswig-Holstein.

Während die letzten unerfreulichen Nachrichten von dem Verlauf der Con-
ferenz nicht überraschten und das allgemeine Interesse bereits auf den Wieder¬
beginn der Feindseligkeiten gerichtet war, wurden beim Bunde die Ansprüche
angemeldet, welche der Großherzog von Oldenburg auf Schleswig-Holstein
erhebt.

Es war wohl nicht möglich, eine gefährlichere Zeit dafür zu finden. Grade
jetzt, wo die größte Einigkeit der Deutschen noththut, droht in Deutschland
selbst ein zwieträchtiger Kampf der Erbansprüche auszubrechen.

Zwar die Stellung, welche der Großherzog von Oldenburg zur Sache der
Herzogtümer einnimmt, war längst kein Geheimniß. Lange vor Veröffentlichung
der Antwort, welche er im Herbst vorigen Jahres dem Herzog von Schleswig-
Holstein auf dessen Anzeige seines Regierungsantritts zugehen ließ, war bekannt,
und gelegentlich durch das Verhalten Oldenburgs am Bunde bestätigt, daß der
Großherzog sich selbst für deu näher berechtigten Erben der Herzogthümer hielt.
Aber bei der günstigen Meinung, welche die Nation grade von diesem Bundes-
fürsten hatte, nahm man a», daß er in dieser großen nationalen Angelegenheit
sich mit einer einfachen Nechtsverwahrung begnügen und der Entwickelung der
Thatsachen kein Hinderniß in den Weg legen würde. Es war allerdings Grund
zu dieser Annahme; denn auch für die vermeintlichen Ansprüche des gottorpschen
Hauses war der Großherzog als Chef der jüngeren Linie nicht der nächste Erb¬
berechtigte, die älteste, Nußland, ging ihm vor, und sel,r füglich konnte Nu߬
land und der dritten Linie Was« (Holstein-Eutin) überlassen bleiben, ihre An¬
sprüche geltend zu machen.

Das ist anders gekommen, wir Deutsche sind um eine Enttäuschung reicher.
Was man nur für den Kampf eines wackern Herzens zwischen eingebildeten
Recht und zwischen patriotischem Interesse an der großen Angelegenheit, unserer
Nation hielt, war auch kluge Berechnung. Der Großherzog bat sich und seinem
Hause die Ansprüche der beiden andern Linien vorher cediren lassen, um
jetzt für sich selbst als Bewerber um den Herzogshut Schleswig-Holsteins auf¬
zutreten.

In den Unwillen, womit die Deutschen dies Verfahren betrachten, mischt sich
gewiß bei sehr vielen ein Gefühl von Trauer. Wir sind nicht reich an solchen
Regenten, welche verstanden haben mit ihrem Volke im Frieden zu leben und
ihre Regentenpflichten im Einklange mit den Bedürfnissen der Zeit zu erfüllen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189139"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Großherzog von Oldenburg als Prätendent für<lb/>
Schleswig-Holstein.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_106"> Während die letzten unerfreulichen Nachrichten von dem Verlauf der Con-<lb/>
ferenz nicht überraschten und das allgemeine Interesse bereits auf den Wieder¬<lb/>
beginn der Feindseligkeiten gerichtet war, wurden beim Bunde die Ansprüche<lb/>
angemeldet, welche der Großherzog von Oldenburg auf Schleswig-Holstein<lb/>
erhebt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_107"> Es war wohl nicht möglich, eine gefährlichere Zeit dafür zu finden. Grade<lb/>
jetzt, wo die größte Einigkeit der Deutschen noththut, droht in Deutschland<lb/>
selbst ein zwieträchtiger Kampf der Erbansprüche auszubrechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_108"> Zwar die Stellung, welche der Großherzog von Oldenburg zur Sache der<lb/>
Herzogtümer einnimmt, war längst kein Geheimniß. Lange vor Veröffentlichung<lb/>
der Antwort, welche er im Herbst vorigen Jahres dem Herzog von Schleswig-<lb/>
Holstein auf dessen Anzeige seines Regierungsantritts zugehen ließ, war bekannt,<lb/>
und gelegentlich durch das Verhalten Oldenburgs am Bunde bestätigt, daß der<lb/>
Großherzog sich selbst für deu näher berechtigten Erben der Herzogthümer hielt.<lb/>
Aber bei der günstigen Meinung, welche die Nation grade von diesem Bundes-<lb/>
fürsten hatte, nahm man a», daß er in dieser großen nationalen Angelegenheit<lb/>
sich mit einer einfachen Nechtsverwahrung begnügen und der Entwickelung der<lb/>
Thatsachen kein Hinderniß in den Weg legen würde. Es war allerdings Grund<lb/>
zu dieser Annahme; denn auch für die vermeintlichen Ansprüche des gottorpschen<lb/>
Hauses war der Großherzog als Chef der jüngeren Linie nicht der nächste Erb¬<lb/>
berechtigte, die älteste, Nußland, ging ihm vor, und sel,r füglich konnte Nu߬<lb/>
land und der dritten Linie Was« (Holstein-Eutin) überlassen bleiben, ihre An¬<lb/>
sprüche geltend zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_109"> Das ist anders gekommen, wir Deutsche sind um eine Enttäuschung reicher.<lb/>
Was man nur für den Kampf eines wackern Herzens zwischen eingebildeten<lb/>
Recht und zwischen patriotischem Interesse an der großen Angelegenheit, unserer<lb/>
Nation hielt, war auch kluge Berechnung. Der Großherzog bat sich und seinem<lb/>
Hause die Ansprüche der beiden andern Linien vorher cediren lassen, um<lb/>
jetzt für sich selbst als Bewerber um den Herzogshut Schleswig-Holsteins auf¬<lb/>
zutreten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_110" next="#ID_111"> In den Unwillen, womit die Deutschen dies Verfahren betrachten, mischt sich<lb/>
gewiß bei sehr vielen ein Gefühl von Trauer. Wir sind nicht reich an solchen<lb/>
Regenten, welche verstanden haben mit ihrem Volke im Frieden zu leben und<lb/>
ihre Regentenpflichten im Einklange mit den Bedürfnissen der Zeit zu erfüllen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] Der Großherzog von Oldenburg als Prätendent für Schleswig-Holstein. Während die letzten unerfreulichen Nachrichten von dem Verlauf der Con- ferenz nicht überraschten und das allgemeine Interesse bereits auf den Wieder¬ beginn der Feindseligkeiten gerichtet war, wurden beim Bunde die Ansprüche angemeldet, welche der Großherzog von Oldenburg auf Schleswig-Holstein erhebt. Es war wohl nicht möglich, eine gefährlichere Zeit dafür zu finden. Grade jetzt, wo die größte Einigkeit der Deutschen noththut, droht in Deutschland selbst ein zwieträchtiger Kampf der Erbansprüche auszubrechen. Zwar die Stellung, welche der Großherzog von Oldenburg zur Sache der Herzogtümer einnimmt, war längst kein Geheimniß. Lange vor Veröffentlichung der Antwort, welche er im Herbst vorigen Jahres dem Herzog von Schleswig- Holstein auf dessen Anzeige seines Regierungsantritts zugehen ließ, war bekannt, und gelegentlich durch das Verhalten Oldenburgs am Bunde bestätigt, daß der Großherzog sich selbst für deu näher berechtigten Erben der Herzogthümer hielt. Aber bei der günstigen Meinung, welche die Nation grade von diesem Bundes- fürsten hatte, nahm man a», daß er in dieser großen nationalen Angelegenheit sich mit einer einfachen Nechtsverwahrung begnügen und der Entwickelung der Thatsachen kein Hinderniß in den Weg legen würde. Es war allerdings Grund zu dieser Annahme; denn auch für die vermeintlichen Ansprüche des gottorpschen Hauses war der Großherzog als Chef der jüngeren Linie nicht der nächste Erb¬ berechtigte, die älteste, Nußland, ging ihm vor, und sel,r füglich konnte Nu߬ land und der dritten Linie Was« (Holstein-Eutin) überlassen bleiben, ihre An¬ sprüche geltend zu machen. Das ist anders gekommen, wir Deutsche sind um eine Enttäuschung reicher. Was man nur für den Kampf eines wackern Herzens zwischen eingebildeten Recht und zwischen patriotischem Interesse an der großen Angelegenheit, unserer Nation hielt, war auch kluge Berechnung. Der Großherzog bat sich und seinem Hause die Ansprüche der beiden andern Linien vorher cediren lassen, um jetzt für sich selbst als Bewerber um den Herzogshut Schleswig-Holsteins auf¬ zutreten. In den Unwillen, womit die Deutschen dies Verfahren betrachten, mischt sich gewiß bei sehr vielen ein Gefühl von Trauer. Wir sind nicht reich an solchen Regenten, welche verstanden haben mit ihrem Volke im Frieden zu leben und ihre Regentenpflichten im Einklange mit den Bedürfnissen der Zeit zu erfüllen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/44
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/44>, abgerufen am 28.09.2024.