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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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lichung des neuen Cäsar. Viel Rühmens ist von diesen frostigen und äußer¬
lichen Gelegenheitswerl'en, unter deren Urhebern auch Ingres figurirt (Triumph
N'apvleons des Ersten im Etadtbause in>! der Inschrift: "in nüiiot" i^äivivus")
nicht zu niachen. Sie bewegen sich langweilig ni den hergebrachten hohl und
leer gewordenen Formen und erfüllen im günstigsten Fall die Aufgabe einer
nicht störenden farbenreichen Decoration. Bei den Bildern tagesgeschichtlicher
Ereignisse darunter wirkt die Verlegenheit der armen Maler wahrhaft komisch,
die sie der Aufgabe gegenüber befällt, aus den nichtigsten, malerisch indifferen¬
testen Stoffen von modernster Nüchternheit große Bilder machen zu müssen.
Doch sollte diese für die Malerei ziemlich unerquickliche Situation nicht lange
bauen. Die Dinge gingen ihren Gang, "die Geschicke erfüllten sich", der
orientalische Krieg brach aus, das Kaiserreich kehrte seine kriegerische Natur
heraus und appellirte nicht vergebens an den soldatischen, auch mit dem tonen-
deren Namen "ritterlich" bezeichneten, Geist der Nation. Der alte Ehrgeiz,
die alte Sucht, sich in der Gloire zu berauschen, der alte Blutdurst war wieder
lebendig und feurig erwacht. Und mit den ersten militärischen Triumphen
kamen auch der nationalen Kunst ihre neuen Stoffe, bei welchen sie der be¬
geisterten Theilnahme und des Verständnisses des ganzen Volkes gewiß sein
mochte. Doch gleichzeitig mit dieser kriegerischen Geistesrichtung entfaltete sich
in der günstigsten Temparatur des Kaiserreichs stärker und stärker eine andere
in der französischen Natur ebenso tief begründete, die sich mit jener trefflich
zu vertragen Pflegt. "^Vini as ta L^no vt ä"8 dvllv"" ruft Laboulaye höh¬
nend seinen Landsleuten zu, "u,mu"otvi, 1'ro.neu.is, nu" 1a guvrrv et 1'amour!"
Ares und Aphrodite haben sich immer gut gestanden und die französische Ritter¬
schaft vor allen hat zu allen Zeiten ihren Stolz ebenso in der Kunst und den
Triumphen der Galanterie, wie in denen der Waffen gesucht. Das in hohem
Grade sittlich reine, bürgerlich honette Familienleben des französischen Königs-
Hauses der Orleans hatte ehemals nicht verfehlt, dem ganzen Hof und den den
Herrschenden nahestehenden Kreisen etwas von seiner liebenswürdigen Eigen¬
thümlichkeit mitzutheilen, und wenn sich Frankreich und Paris insbesondere des¬
halb nicht weniger "amüsirte", so konnte sich das Gegentheil der "guten Sitten"
doch damals nicht in ähnlicher Weise als herrschende Macht in der Gesellschaft
geriren, wie etwa unter dem lustigen Ahnherr" Louis Philipps, dem Regen¬
ten. Nun aber war darin eine wesentliche Aenderung eingetreten. Der "Parvenu",
der jene die Zügel des >ranzösischcu Reichs ergriffen und mit starker und ge¬
schickter Hand lenkte, hatte in den Zeiten seiner stürmischen und an Abenteuern
und Schicksalen jeder Art so überreichen Jugend wohl kaum Gelegenheit und
Muße gehabt, den stillen und bescheidenen Genüssen eines moralisch muster¬
haften Familienglücks großen Geschmack abzugewinnen, lind als er, zum Thron
gelangt, es für passend hielt, sein Leben auch mit etwas dem ähnlich Aus-


lichung des neuen Cäsar. Viel Rühmens ist von diesen frostigen und äußer¬
lichen Gelegenheitswerl'en, unter deren Urhebern auch Ingres figurirt (Triumph
N'apvleons des Ersten im Etadtbause in>! der Inschrift: „in nüiiot« i^äivivus")
nicht zu niachen. Sie bewegen sich langweilig ni den hergebrachten hohl und
leer gewordenen Formen und erfüllen im günstigsten Fall die Aufgabe einer
nicht störenden farbenreichen Decoration. Bei den Bildern tagesgeschichtlicher
Ereignisse darunter wirkt die Verlegenheit der armen Maler wahrhaft komisch,
die sie der Aufgabe gegenüber befällt, aus den nichtigsten, malerisch indifferen¬
testen Stoffen von modernster Nüchternheit große Bilder machen zu müssen.
Doch sollte diese für die Malerei ziemlich unerquickliche Situation nicht lange
bauen. Die Dinge gingen ihren Gang, „die Geschicke erfüllten sich", der
orientalische Krieg brach aus, das Kaiserreich kehrte seine kriegerische Natur
heraus und appellirte nicht vergebens an den soldatischen, auch mit dem tonen-
deren Namen „ritterlich" bezeichneten, Geist der Nation. Der alte Ehrgeiz,
die alte Sucht, sich in der Gloire zu berauschen, der alte Blutdurst war wieder
lebendig und feurig erwacht. Und mit den ersten militärischen Triumphen
kamen auch der nationalen Kunst ihre neuen Stoffe, bei welchen sie der be¬
geisterten Theilnahme und des Verständnisses des ganzen Volkes gewiß sein
mochte. Doch gleichzeitig mit dieser kriegerischen Geistesrichtung entfaltete sich
in der günstigsten Temparatur des Kaiserreichs stärker und stärker eine andere
in der französischen Natur ebenso tief begründete, die sich mit jener trefflich
zu vertragen Pflegt. „^Vini as ta L^no vt ä«8 dvllv»" ruft Laboulaye höh¬
nend seinen Landsleuten zu, „u,mu»otvi, 1'ro.neu.is, nu» 1a guvrrv et 1'amour!"
Ares und Aphrodite haben sich immer gut gestanden und die französische Ritter¬
schaft vor allen hat zu allen Zeiten ihren Stolz ebenso in der Kunst und den
Triumphen der Galanterie, wie in denen der Waffen gesucht. Das in hohem
Grade sittlich reine, bürgerlich honette Familienleben des französischen Königs-
Hauses der Orleans hatte ehemals nicht verfehlt, dem ganzen Hof und den den
Herrschenden nahestehenden Kreisen etwas von seiner liebenswürdigen Eigen¬
thümlichkeit mitzutheilen, und wenn sich Frankreich und Paris insbesondere des¬
halb nicht weniger „amüsirte", so konnte sich das Gegentheil der „guten Sitten"
doch damals nicht in ähnlicher Weise als herrschende Macht in der Gesellschaft
geriren, wie etwa unter dem lustigen Ahnherr» Louis Philipps, dem Regen¬
ten. Nun aber war darin eine wesentliche Aenderung eingetreten. Der „Parvenu",
der jene die Zügel des >ranzösischcu Reichs ergriffen und mit starker und ge¬
schickter Hand lenkte, hatte in den Zeiten seiner stürmischen und an Abenteuern
und Schicksalen jeder Art so überreichen Jugend wohl kaum Gelegenheit und
Muße gehabt, den stillen und bescheidenen Genüssen eines moralisch muster¬
haften Familienglücks großen Geschmack abzugewinnen, lind als er, zum Thron
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/438>, abgerufen am 28.09.2024.