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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Louvrebaus, so viele gründliche Wiederherstellungen und Schmückungcn alter,
und Schöpfung neuer Monumente gaben der ganzen künstlerischen Thätigkeit
des Volkes einen neuen starken Impuls und einen lebendigeren Schwung. Es
wurde gebaut, gemeißelt und gemalt mit einer Hast und in einer Ausdehnung,
wie kaum je zuvor. Und mit der von der kaiserlichen Negierung direct aus¬
gehenden Förderung und Anregung des Kunstschaffens ging diejenige Hand
in Hand, welche sich in Zeiten der politischen Reaction, der Unterbindung und Ab-
tödtung eines freiheitlichen öffentlichen Lebens stets seitens der Gesellschaft äußern
wird. Hat ihr eine gewaltthätige Faust diesen Schauplatz der Bethätigung
ihrer tüchtigen Kräfte und ihrer gesunden Interessen verschlossen, so sucht sie
Vergessen und Entschädigung in der Welt der Phantasie und des Vergnügens
-- und findet in der Kunst stets eine große Bereitwilligkeit sich zur Dienerin
desselben zu machen. In solchen Zeiten findet die hohe und ideale Richtung
derselben freilich nur geringe Vertretung; von den großen und erhabnen Ideen
zeigen sich ihre Schöpfungen bald genug verlassen; halb unbewußt, halb mit
Absicht stimmt sie sich herab zu dem geistigen Niveau derer, welche ihren
Genuß bei ihr suchen, und verfällt mehr und mehr der Gefahr, über solchem
Anbequemen ihr bestes Theil zu verlieren.

In der ersten Zeit des zweiten Kaiserreichs stand die Meinung ziemlich fest,
welche in diesem eine verkleinerte Nachahmungvom ersten, von dem des großen
Napoleon finden wollte. Man erwartete sicher, den Neffen in allen Stücken
nach dem Muster des Oheims handeln zu sehen. Nicht nur in der Politik,
auch in allen Dingen des Geschmacks und der Sitte. Die Folge hat nichts
von diesen Voraussagungen bestätigt. Er ist in alle dem seinen eignen selb¬
ständigen Weg gegangen und so wenig er die kriegerische Eroberung Europas
zum zweiten Mal aufgeführt hat, so wenig brachte uns das neue Empire die
Kleidermode und den Kunststil des früheren. Bereits die ersten größeren öffent¬
lichen Arbeiten, zu denen es die französische Baukunst und Malerei aufrief,
empfingen nicht die geringste Einwirkung, die sie auf jene Wege des alten
ncipolconischen Klassicismus zu lenken beabsichtigt hätte. Jene Arbeiten im
Palast des Senats, im Louvre und im Hotel de Ville zeigen vielmehr eine
Neigung, sich in Stil und Geschmacksrichtung an die Epoche Ludwigs des Vier¬
zehnten anzulehnen und dabei der Kunst doch hinreichend freie Hand und Spielraum
zur selbständigen Fortentwicklung in neuen Richtungen zu lassen. Die Stoffe,
welche der Malerei bei diesen Decorationsarbeiten geboten wurden, waren alle¬
gorischer und tagcsgcschichtlichcr Natur in unmittelbarer Nachbarschaft bei einander.
In beiden Fällen war ihr eigentlicher Kern, (wo es sich nicht um ganz freie
mythologische Farbendichtung handelte, wie bei dem in der ganzen französischen
Malerei ohne Gleichen dastehenden Meister- und coloristischcn Wunderwerk
Eugene Delacroixs, dem Plafond der Apollogalerie im Louvre) die VerHerr-


Louvrebaus, so viele gründliche Wiederherstellungen und Schmückungcn alter,
und Schöpfung neuer Monumente gaben der ganzen künstlerischen Thätigkeit
des Volkes einen neuen starken Impuls und einen lebendigeren Schwung. Es
wurde gebaut, gemeißelt und gemalt mit einer Hast und in einer Ausdehnung,
wie kaum je zuvor. Und mit der von der kaiserlichen Negierung direct aus¬
gehenden Förderung und Anregung des Kunstschaffens ging diejenige Hand
in Hand, welche sich in Zeiten der politischen Reaction, der Unterbindung und Ab-
tödtung eines freiheitlichen öffentlichen Lebens stets seitens der Gesellschaft äußern
wird. Hat ihr eine gewaltthätige Faust diesen Schauplatz der Bethätigung
ihrer tüchtigen Kräfte und ihrer gesunden Interessen verschlossen, so sucht sie
Vergessen und Entschädigung in der Welt der Phantasie und des Vergnügens
— und findet in der Kunst stets eine große Bereitwilligkeit sich zur Dienerin
desselben zu machen. In solchen Zeiten findet die hohe und ideale Richtung
derselben freilich nur geringe Vertretung; von den großen und erhabnen Ideen
zeigen sich ihre Schöpfungen bald genug verlassen; halb unbewußt, halb mit
Absicht stimmt sie sich herab zu dem geistigen Niveau derer, welche ihren
Genuß bei ihr suchen, und verfällt mehr und mehr der Gefahr, über solchem
Anbequemen ihr bestes Theil zu verlieren.

In der ersten Zeit des zweiten Kaiserreichs stand die Meinung ziemlich fest,
welche in diesem eine verkleinerte Nachahmungvom ersten, von dem des großen
Napoleon finden wollte. Man erwartete sicher, den Neffen in allen Stücken
nach dem Muster des Oheims handeln zu sehen. Nicht nur in der Politik,
auch in allen Dingen des Geschmacks und der Sitte. Die Folge hat nichts
von diesen Voraussagungen bestätigt. Er ist in alle dem seinen eignen selb¬
ständigen Weg gegangen und so wenig er die kriegerische Eroberung Europas
zum zweiten Mal aufgeführt hat, so wenig brachte uns das neue Empire die
Kleidermode und den Kunststil des früheren. Bereits die ersten größeren öffent¬
lichen Arbeiten, zu denen es die französische Baukunst und Malerei aufrief,
empfingen nicht die geringste Einwirkung, die sie auf jene Wege des alten
ncipolconischen Klassicismus zu lenken beabsichtigt hätte. Jene Arbeiten im
Palast des Senats, im Louvre und im Hotel de Ville zeigen vielmehr eine
Neigung, sich in Stil und Geschmacksrichtung an die Epoche Ludwigs des Vier¬
zehnten anzulehnen und dabei der Kunst doch hinreichend freie Hand und Spielraum
zur selbständigen Fortentwicklung in neuen Richtungen zu lassen. Die Stoffe,
welche der Malerei bei diesen Decorationsarbeiten geboten wurden, waren alle¬
gorischer und tagcsgcschichtlichcr Natur in unmittelbarer Nachbarschaft bei einander.
In beiden Fällen war ihr eigentlicher Kern, (wo es sich nicht um ganz freie
mythologische Farbendichtung handelte, wie bei dem in der ganzen französischen
Malerei ohne Gleichen dastehenden Meister- und coloristischcn Wunderwerk
Eugene Delacroixs, dem Plafond der Apollogalerie im Louvre) die VerHerr-


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[0437] Louvrebaus, so viele gründliche Wiederherstellungen und Schmückungcn alter, und Schöpfung neuer Monumente gaben der ganzen künstlerischen Thätigkeit des Volkes einen neuen starken Impuls und einen lebendigeren Schwung. Es wurde gebaut, gemeißelt und gemalt mit einer Hast und in einer Ausdehnung, wie kaum je zuvor. Und mit der von der kaiserlichen Negierung direct aus¬ gehenden Förderung und Anregung des Kunstschaffens ging diejenige Hand in Hand, welche sich in Zeiten der politischen Reaction, der Unterbindung und Ab- tödtung eines freiheitlichen öffentlichen Lebens stets seitens der Gesellschaft äußern wird. Hat ihr eine gewaltthätige Faust diesen Schauplatz der Bethätigung ihrer tüchtigen Kräfte und ihrer gesunden Interessen verschlossen, so sucht sie Vergessen und Entschädigung in der Welt der Phantasie und des Vergnügens — und findet in der Kunst stets eine große Bereitwilligkeit sich zur Dienerin desselben zu machen. In solchen Zeiten findet die hohe und ideale Richtung derselben freilich nur geringe Vertretung; von den großen und erhabnen Ideen zeigen sich ihre Schöpfungen bald genug verlassen; halb unbewußt, halb mit Absicht stimmt sie sich herab zu dem geistigen Niveau derer, welche ihren Genuß bei ihr suchen, und verfällt mehr und mehr der Gefahr, über solchem Anbequemen ihr bestes Theil zu verlieren. In der ersten Zeit des zweiten Kaiserreichs stand die Meinung ziemlich fest, welche in diesem eine verkleinerte Nachahmungvom ersten, von dem des großen Napoleon finden wollte. Man erwartete sicher, den Neffen in allen Stücken nach dem Muster des Oheims handeln zu sehen. Nicht nur in der Politik, auch in allen Dingen des Geschmacks und der Sitte. Die Folge hat nichts von diesen Voraussagungen bestätigt. Er ist in alle dem seinen eignen selb¬ ständigen Weg gegangen und so wenig er die kriegerische Eroberung Europas zum zweiten Mal aufgeführt hat, so wenig brachte uns das neue Empire die Kleidermode und den Kunststil des früheren. Bereits die ersten größeren öffent¬ lichen Arbeiten, zu denen es die französische Baukunst und Malerei aufrief, empfingen nicht die geringste Einwirkung, die sie auf jene Wege des alten ncipolconischen Klassicismus zu lenken beabsichtigt hätte. Jene Arbeiten im Palast des Senats, im Louvre und im Hotel de Ville zeigen vielmehr eine Neigung, sich in Stil und Geschmacksrichtung an die Epoche Ludwigs des Vier¬ zehnten anzulehnen und dabei der Kunst doch hinreichend freie Hand und Spielraum zur selbständigen Fortentwicklung in neuen Richtungen zu lassen. Die Stoffe, welche der Malerei bei diesen Decorationsarbeiten geboten wurden, waren alle¬ gorischer und tagcsgcschichtlichcr Natur in unmittelbarer Nachbarschaft bei einander. In beiden Fällen war ihr eigentlicher Kern, (wo es sich nicht um ganz freie mythologische Farbendichtung handelte, wie bei dem in der ganzen französischen Malerei ohne Gleichen dastehenden Meister- und coloristischcn Wunderwerk Eugene Delacroixs, dem Plafond der Apollogalerie im Louvre) die VerHerr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/437>, abgerufen am 28.09.2024.