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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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ebenso eifrige Unterstützung fand er bei vielen Männern der Wissenschaft, nament¬
lich nachdem im Herbst 1810 die Universität zu Berlin eröffnet worden war,
und so gefördert und gestützt konnte er hoffen, allem Widerstand allmcilig ein
Ende zu machen.

Inzwischen arbeiteten die Feudalen nach Kräften an der Beseitigung des
verhaßten Reformers. Sie glaubten zu wissen, daß das neue System nur Aus¬
druck der Ansichten des 'Ministers, nicht des Königs sei. Sie erinnerten sich,
welchen lebhaften Widerspruch Friedlich Wilhelm stets gegen die Grundsätze von
Stein und Hardenberg erhoben, und daß sich erst nach der. Katastrophe von
Jena diese Principien Bahn bei Hofe gebrochen hatten. Sie durften die Hoff¬
nung nähren, daß derselbe die Neuerungen Hcudenbergs mit schwerem Herzen
als nothwendiges Uebel gutgeheißen, und die Aengstlichkeit und Unentschlossen-
heit des Königs schien die Möglichkeit nicht auszuschließen, ihn davon zurück¬
zubringen. Zu diesem Zweck entwarfen sie erschreckende Bilder von der Zukunft,
welche die Reformen des Staatskanzlers dem König in dem Lande drohten.
Außerdem verfolgten sie Hardenberg persönlich mit den gehässigsten Ausfällen.
Einer der Ritter schrieb ihm unter Anderm: "Die Urheber solcher Ideen, wie
der erwähnten Freizügigkeit zum Grunde liegen, sind Catilinas, die den König
und den Adel ermorden werden. Der König muß die Bürger und Bauern,
welche den Staat umstürzen wollen, durch den hohen Adel in Ordnung bringen
und zu dem Zwecke dessen sämmtliche Real- und Personal-Privilegien sowie das
ausschließliche Recht auf Staatsgüter bestätigen und erhalten."

Hardenberg blieb unbeirrt bei seiner Richtung. Er berief im Frühjahr
1811 eine Versammlung von Notabeln nach Berlin, um derselben die neuen
Verordnungen vorzulegen. Am 23. Februar wurde dieselbe eröffnet. "Der
König," sagte er in der bei dieser Gelegenheit von ihm gehaltenen Rede, "for¬
dert nicht blos Gehorsam; er wünscht die Ueberzeugung bei Ihnen hervor¬
zubringen, daß die Opfer, welche er höchst ungern von Ihnen fordert, zur Ret¬
tung und Erhaltung des Ganzen höchst nothwendig sind, des Ganzen, von
dem das Heil des Einzelnen abhängt." Sodann besprach er die Finanzen, die
neuen Abgaben und die verheißene Repräsentation. In Betreff der letzteren
bedauerte er, daß sie wegen der Kürze der Zeit noch nicht habe zu Stande ge¬
bracht werden können, obwohl dringend Abhilfe nöthig sei. Da durch Be¬
rathung mit den Provinzialständen die wahre Meinung des Volkes nicht zu
Tage gekommen wäre, so habe man verständige und mit den örtlichen Ver¬
hältnissen wohlbekannte Männer versammelt, um ihnen die neuen Verordnungen
zur Prüfung vorzulegen. Dann folgte die Persicherung, daß das neue System
auf sorgfältiger Untersuchung der Verhältnisse beruhe. Eine Abänderung des¬
selben werde hier nicht beabsichtigt, vielmehr bezwecke man nur Mißverständnisse
zu heben und die Berufenen in den Stand zu setzen, nach ihrer Rückkunft in


ebenso eifrige Unterstützung fand er bei vielen Männern der Wissenschaft, nament¬
lich nachdem im Herbst 1810 die Universität zu Berlin eröffnet worden war,
und so gefördert und gestützt konnte er hoffen, allem Widerstand allmcilig ein
Ende zu machen.

Inzwischen arbeiteten die Feudalen nach Kräften an der Beseitigung des
verhaßten Reformers. Sie glaubten zu wissen, daß das neue System nur Aus¬
druck der Ansichten des 'Ministers, nicht des Königs sei. Sie erinnerten sich,
welchen lebhaften Widerspruch Friedlich Wilhelm stets gegen die Grundsätze von
Stein und Hardenberg erhoben, und daß sich erst nach der. Katastrophe von
Jena diese Principien Bahn bei Hofe gebrochen hatten. Sie durften die Hoff¬
nung nähren, daß derselbe die Neuerungen Hcudenbergs mit schwerem Herzen
als nothwendiges Uebel gutgeheißen, und die Aengstlichkeit und Unentschlossen-
heit des Königs schien die Möglichkeit nicht auszuschließen, ihn davon zurück¬
zubringen. Zu diesem Zweck entwarfen sie erschreckende Bilder von der Zukunft,
welche die Reformen des Staatskanzlers dem König in dem Lande drohten.
Außerdem verfolgten sie Hardenberg persönlich mit den gehässigsten Ausfällen.
Einer der Ritter schrieb ihm unter Anderm: „Die Urheber solcher Ideen, wie
der erwähnten Freizügigkeit zum Grunde liegen, sind Catilinas, die den König
und den Adel ermorden werden. Der König muß die Bürger und Bauern,
welche den Staat umstürzen wollen, durch den hohen Adel in Ordnung bringen
und zu dem Zwecke dessen sämmtliche Real- und Personal-Privilegien sowie das
ausschließliche Recht auf Staatsgüter bestätigen und erhalten."

Hardenberg blieb unbeirrt bei seiner Richtung. Er berief im Frühjahr
1811 eine Versammlung von Notabeln nach Berlin, um derselben die neuen
Verordnungen vorzulegen. Am 23. Februar wurde dieselbe eröffnet. „Der
König," sagte er in der bei dieser Gelegenheit von ihm gehaltenen Rede, „for¬
dert nicht blos Gehorsam; er wünscht die Ueberzeugung bei Ihnen hervor¬
zubringen, daß die Opfer, welche er höchst ungern von Ihnen fordert, zur Ret¬
tung und Erhaltung des Ganzen höchst nothwendig sind, des Ganzen, von
dem das Heil des Einzelnen abhängt." Sodann besprach er die Finanzen, die
neuen Abgaben und die verheißene Repräsentation. In Betreff der letzteren
bedauerte er, daß sie wegen der Kürze der Zeit noch nicht habe zu Stande ge¬
bracht werden können, obwohl dringend Abhilfe nöthig sei. Da durch Be¬
rathung mit den Provinzialständen die wahre Meinung des Volkes nicht zu
Tage gekommen wäre, so habe man verständige und mit den örtlichen Ver¬
hältnissen wohlbekannte Männer versammelt, um ihnen die neuen Verordnungen
zur Prüfung vorzulegen. Dann folgte die Persicherung, daß das neue System
auf sorgfältiger Untersuchung der Verhältnisse beruhe. Eine Abänderung des¬
selben werde hier nicht beabsichtigt, vielmehr bezwecke man nur Mißverständnisse
zu heben und die Berufenen in den Stand zu setzen, nach ihrer Rückkunft in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/414>, abgerufen am 28.09.2024.