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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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fleus Feuer aus. nicht ein Kind vor der Taufe, so wird es klug, schreit es
während derselben, so steht ihm ein unglückliches Loos bevor, was auch Braut"
leuten droht, die während der Trauung niesen; schreit dagegen das Kind, wäh¬
rend es der Pfarrer auf dem Arme hält, so wird es reich werden.

In Bezug auf Träume gelten unter Anderm nachstehende Regeln: Man
erzähle sie nicht nüchtern; denn gute gehen dann nicht in Erfüllung, während
schlechte ihre Kraft behalten. Träumt man von Kuchenessen, so widerfährt einem
bald Widerwärtiges, von Hellem Feuer, so bekommt man Tags darauf etwas
geschenkt oder einen Gevatterbrief, sieht man blos Rauch, so bedeutet das Krank¬
heit; träumt man von Fischen, so erhält man Geld, von Geld, Schläge u. s. w.

Die Zauberei, die Einwirkung auf das eigne oder fremde Geschick mit
übernatürlichen Mitteln, hat im Gebirge noch viele Verehrer. Orte, wo sie
prakticirt wird, sind vorzüglich Kirchhöfe und Kreuzwege. Zaubcrbücher. wie
Fousts Höllenzwang und der feurige Drache, welcher letztere 1860 zu Ilmenau
in vierter Auflage erschien, sind unter dem Volke hier verbreiteter als man glau¬
ben sollte, und man sucht mit ihrer Hilfe vorzüglich zu unterirdischen Schätzen
zu gelangen. Leichtgläubige lassen sich bisweilen Bücher, die nichts mit Zau¬
berei zu schaffen haben, als magische aufschwatzen. Spieß erzählt, daß ihm einst
ein Buch gebracht wurde, welches sich arme Leute als das berühmte sechste und
siebente Buch Mosis für dreizehn Gulden erschwungen hatten, während es eine Aus¬
gabe des Cäsar von Sincerus war, und ein andermal zeigte ihm ein Mann
mit geheimnisvoller Miene angebliche Zaubcrtafeln, die sich bei näherer Betrach¬
tung als Blätter des homannschen Himmelsatlas erwiesen.

Der schützende Zauber gegen mögliche Uebel besteht theils im Unterlassen,
theils im Thun gewisser Dinge. In Bezug auf jenes gelten unter Anderm
folgende Sätze: Man darf keine Schwalbe umbringen, sonst brennt das Haus
ab; denn die Schwestern des Vogels speien Feuer auf dasselbe. Man lasse sich
nicht malen, sonst muß man sterben. Man lasse die Wäsche nicht über Nacht
draußen hängen, sonst kommt der "Nachtschatten" hinein, und wer sie trägt,
wird mondsüchtig. Bei einem Gewitter darf man nicht sagen: "Der Himmel,
ist schwarz"; denn darüber wird der liebe Gott zornig. Ein Fuhrmann soll
kein Brot anschreiben, sonst wirft er nächstens um. Den Auschnitt aus dem
Hause geben, heißt den Segen verschenken. Wenn man das Vieh beim Schlach¬
ten bedauert, so kann es nicht sterben. Wenn man im Walde während des
Sommers Butter auf dem Brote hat, so ziehen einem die Schlangen nach. Man
werfe die beim Kämmen ausgehenden Haare nicht zum Fenster hinaus; denn
kommen die Spinnen darüber, so verliert man noch mehr Haare.

Vor Zauber schützendes Thun wird in sehr verschiedener Art empfohlen.
Gegen Beschrienwerden sichert das Tragen von etwas Rothen, gegen Hexen
das Anschreiben der Buchstaben 15, L und N (Kaspar, Balthasar und Melchior


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fleus Feuer aus. nicht ein Kind vor der Taufe, so wird es klug, schreit es
während derselben, so steht ihm ein unglückliches Loos bevor, was auch Braut«
leuten droht, die während der Trauung niesen; schreit dagegen das Kind, wäh¬
rend es der Pfarrer auf dem Arme hält, so wird es reich werden.

In Bezug auf Träume gelten unter Anderm nachstehende Regeln: Man
erzähle sie nicht nüchtern; denn gute gehen dann nicht in Erfüllung, während
schlechte ihre Kraft behalten. Träumt man von Kuchenessen, so widerfährt einem
bald Widerwärtiges, von Hellem Feuer, so bekommt man Tags darauf etwas
geschenkt oder einen Gevatterbrief, sieht man blos Rauch, so bedeutet das Krank¬
heit; träumt man von Fischen, so erhält man Geld, von Geld, Schläge u. s. w.

Die Zauberei, die Einwirkung auf das eigne oder fremde Geschick mit
übernatürlichen Mitteln, hat im Gebirge noch viele Verehrer. Orte, wo sie
prakticirt wird, sind vorzüglich Kirchhöfe und Kreuzwege. Zaubcrbücher. wie
Fousts Höllenzwang und der feurige Drache, welcher letztere 1860 zu Ilmenau
in vierter Auflage erschien, sind unter dem Volke hier verbreiteter als man glau¬
ben sollte, und man sucht mit ihrer Hilfe vorzüglich zu unterirdischen Schätzen
zu gelangen. Leichtgläubige lassen sich bisweilen Bücher, die nichts mit Zau¬
berei zu schaffen haben, als magische aufschwatzen. Spieß erzählt, daß ihm einst
ein Buch gebracht wurde, welches sich arme Leute als das berühmte sechste und
siebente Buch Mosis für dreizehn Gulden erschwungen hatten, während es eine Aus¬
gabe des Cäsar von Sincerus war, und ein andermal zeigte ihm ein Mann
mit geheimnisvoller Miene angebliche Zaubcrtafeln, die sich bei näherer Betrach¬
tung als Blätter des homannschen Himmelsatlas erwiesen.

Der schützende Zauber gegen mögliche Uebel besteht theils im Unterlassen,
theils im Thun gewisser Dinge. In Bezug auf jenes gelten unter Anderm
folgende Sätze: Man darf keine Schwalbe umbringen, sonst brennt das Haus
ab; denn die Schwestern des Vogels speien Feuer auf dasselbe. Man lasse sich
nicht malen, sonst muß man sterben. Man lasse die Wäsche nicht über Nacht
draußen hängen, sonst kommt der „Nachtschatten" hinein, und wer sie trägt,
wird mondsüchtig. Bei einem Gewitter darf man nicht sagen: „Der Himmel,
ist schwarz"; denn darüber wird der liebe Gott zornig. Ein Fuhrmann soll
kein Brot anschreiben, sonst wirft er nächstens um. Den Auschnitt aus dem
Hause geben, heißt den Segen verschenken. Wenn man das Vieh beim Schlach¬
ten bedauert, so kann es nicht sterben. Wenn man im Walde während des
Sommers Butter auf dem Brote hat, so ziehen einem die Schlangen nach. Man
werfe die beim Kämmen ausgehenden Haare nicht zum Fenster hinaus; denn
kommen die Spinnen darüber, so verliert man noch mehr Haare.

Vor Zauber schützendes Thun wird in sehr verschiedener Art empfohlen.
Gegen Beschrienwerden sichert das Tragen von etwas Rothen, gegen Hexen
das Anschreiben der Buchstaben 15, L und N (Kaspar, Balthasar und Melchior


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[0403] fleus Feuer aus. nicht ein Kind vor der Taufe, so wird es klug, schreit es während derselben, so steht ihm ein unglückliches Loos bevor, was auch Braut« leuten droht, die während der Trauung niesen; schreit dagegen das Kind, wäh¬ rend es der Pfarrer auf dem Arme hält, so wird es reich werden. In Bezug auf Träume gelten unter Anderm nachstehende Regeln: Man erzähle sie nicht nüchtern; denn gute gehen dann nicht in Erfüllung, während schlechte ihre Kraft behalten. Träumt man von Kuchenessen, so widerfährt einem bald Widerwärtiges, von Hellem Feuer, so bekommt man Tags darauf etwas geschenkt oder einen Gevatterbrief, sieht man blos Rauch, so bedeutet das Krank¬ heit; träumt man von Fischen, so erhält man Geld, von Geld, Schläge u. s. w. Die Zauberei, die Einwirkung auf das eigne oder fremde Geschick mit übernatürlichen Mitteln, hat im Gebirge noch viele Verehrer. Orte, wo sie prakticirt wird, sind vorzüglich Kirchhöfe und Kreuzwege. Zaubcrbücher. wie Fousts Höllenzwang und der feurige Drache, welcher letztere 1860 zu Ilmenau in vierter Auflage erschien, sind unter dem Volke hier verbreiteter als man glau¬ ben sollte, und man sucht mit ihrer Hilfe vorzüglich zu unterirdischen Schätzen zu gelangen. Leichtgläubige lassen sich bisweilen Bücher, die nichts mit Zau¬ berei zu schaffen haben, als magische aufschwatzen. Spieß erzählt, daß ihm einst ein Buch gebracht wurde, welches sich arme Leute als das berühmte sechste und siebente Buch Mosis für dreizehn Gulden erschwungen hatten, während es eine Aus¬ gabe des Cäsar von Sincerus war, und ein andermal zeigte ihm ein Mann mit geheimnisvoller Miene angebliche Zaubcrtafeln, die sich bei näherer Betrach¬ tung als Blätter des homannschen Himmelsatlas erwiesen. Der schützende Zauber gegen mögliche Uebel besteht theils im Unterlassen, theils im Thun gewisser Dinge. In Bezug auf jenes gelten unter Anderm folgende Sätze: Man darf keine Schwalbe umbringen, sonst brennt das Haus ab; denn die Schwestern des Vogels speien Feuer auf dasselbe. Man lasse sich nicht malen, sonst muß man sterben. Man lasse die Wäsche nicht über Nacht draußen hängen, sonst kommt der „Nachtschatten" hinein, und wer sie trägt, wird mondsüchtig. Bei einem Gewitter darf man nicht sagen: „Der Himmel, ist schwarz"; denn darüber wird der liebe Gott zornig. Ein Fuhrmann soll kein Brot anschreiben, sonst wirft er nächstens um. Den Auschnitt aus dem Hause geben, heißt den Segen verschenken. Wenn man das Vieh beim Schlach¬ ten bedauert, so kann es nicht sterben. Wenn man im Walde während des Sommers Butter auf dem Brote hat, so ziehen einem die Schlangen nach. Man werfe die beim Kämmen ausgehenden Haare nicht zum Fenster hinaus; denn kommen die Spinnen darüber, so verliert man noch mehr Haare. Vor Zauber schützendes Thun wird in sehr verschiedener Art empfohlen. Gegen Beschrienwerden sichert das Tragen von etwas Rothen, gegen Hexen das Anschreiben der Buchstaben 15, L und N (Kaspar, Balthasar und Melchior 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/403>, abgerufen am 28.09.2024.