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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Abendgebet. Der Vers selbst lautet: "Heiliger Andreas, ich bitt' dich/laß mir-
erscheinen den Herzallerliebsten meinen in seiner Gestalt, mit seiner Gewalt, in
seinem Habit, wie er mit mir vor den Altar tritt." Beim Hersagen muß man
sich vor dem Versprechen hüten, sonst bekommt man von unsichtbarer Hand
eine Ohrfeige. Geht alles richtig, so sieht man den künstigen Ehemann im
Traume. In der Gegend von Zwickau versteht man ihn den wachenden Augen
zu citiren. Zu diesem Behuf schließt sich die Betreffende in der zwölften Stunde
in ihre Kammer ein, kehrt diese aus, deckt den Tisch, trägt verschiedene Speisen
(Einige verlangen deren neun) als Brot. Wasser, Wein, Bier u. s. w. auf und stellt
einen Stuhl an den Tisch, worauf sie Schlag zwölf Uhr folgenden Spruch hersagt:
"Doris meus, heiliger Andreas, ich bitt' dich, laß mir erscheinen den Herzaller¬
liebsten meinen, in seiner Gestalt in Meiner Gewalt, wie er flieht, wie er mit
mir vor'n Altar kniet. Soll er mit mir in Freuden sein, so laß ihn erscheinen
bei Bier und Wein; soll er mit mir leiden Noth, so laß ihn erscheinen bei
Wasser und Brot; soll er mit mir ziehn über Land, so gieb ihm den Stab
in die rechte Hand." Oder: "Hat er ein Pferd, so reit' er, hat er keins. so
schreit' er. schenkt er Bier und Wein, so schenk' er mir ein Gläschen ein."
Oder auch.- "Hat er Vieh, so treib' er; hat er Eseln oder Schwein', so komm'
er vor das Bett allein."

Eine andere Methode, den Zukünftigen zu sehen oder zu erfahren, ist die,
daß man Nachts zwölf Uhr einen Obstbaum, oder bestimmter einen Birnbaum
schüttelt und dazu spricht: "Bäumlein, ich rüttle dich, Feinsliebchen melde dich.
Willst du dich aber nicht melden, so laß doch dein Hündlein bellten." Darauf
erscheint entweder der Zukünftige oder man hört Hundegebell; woher letzteres
schallt, in die Gegend heirathet man. Statt des Baumes kann man auch einen
Gartenzaun rütteln, wobei ein solcher, der durch Erbschaft an seinen gegenwär¬
tigen Besitzer übergegangen ist, besonders gute Dienste thut/ Der Vers lautet
dann: "Erbzaun, ich rüttle dich, seines Lieb, ich bitte dich. Beil, den, Hünde-
lcin, wo mein feines Lieb wird sein." Den Wohnort des künftigen Bräutigams
erfährt man auch einfach durch Hundegebell, indem man unter einen Birn¬
baum kniet oder durch das Astloch einer Bretterwand horcht. Hunde sind weissa¬
gende Thiere, das Lauschen am Astloch beruht guf dem Glauben, daß Zwerge,
Elben und Geister durch solche Oeffnungen gern ihren Durchgang nehmen.

Auch sonst giebts am Andreasabend allerlei Orakel. So das Pantoffel¬
werfen, bei welchem die Mädchen sich mit dem Kopf gegen die Thür gekehrt
in die Stube legen, den Pantoffel über sich weg nach der Thür hin werfen
und dazu sprechen: Schnabel, Schnabel ein, wo werd' ich heut übers Jahr sein?"
Fällt er mit der Spitze nach der Thür zu, so hoffen sie, im nächsten Jahre aus
dem Hause zu kommen und zu heirathen. Andere wieder gehen in der Mitter¬
nachtsstunde an den "Hühncrhort" (Hühner statt) und klopfen dreimal an den-


Abendgebet. Der Vers selbst lautet: „Heiliger Andreas, ich bitt' dich/laß mir-
erscheinen den Herzallerliebsten meinen in seiner Gestalt, mit seiner Gewalt, in
seinem Habit, wie er mit mir vor den Altar tritt." Beim Hersagen muß man
sich vor dem Versprechen hüten, sonst bekommt man von unsichtbarer Hand
eine Ohrfeige. Geht alles richtig, so sieht man den künstigen Ehemann im
Traume. In der Gegend von Zwickau versteht man ihn den wachenden Augen
zu citiren. Zu diesem Behuf schließt sich die Betreffende in der zwölften Stunde
in ihre Kammer ein, kehrt diese aus, deckt den Tisch, trägt verschiedene Speisen
(Einige verlangen deren neun) als Brot. Wasser, Wein, Bier u. s. w. auf und stellt
einen Stuhl an den Tisch, worauf sie Schlag zwölf Uhr folgenden Spruch hersagt:
„Doris meus, heiliger Andreas, ich bitt' dich, laß mir erscheinen den Herzaller¬
liebsten meinen, in seiner Gestalt in Meiner Gewalt, wie er flieht, wie er mit
mir vor'n Altar kniet. Soll er mit mir in Freuden sein, so laß ihn erscheinen
bei Bier und Wein; soll er mit mir leiden Noth, so laß ihn erscheinen bei
Wasser und Brot; soll er mit mir ziehn über Land, so gieb ihm den Stab
in die rechte Hand." Oder: „Hat er ein Pferd, so reit' er, hat er keins. so
schreit' er. schenkt er Bier und Wein, so schenk' er mir ein Gläschen ein."
Oder auch.- „Hat er Vieh, so treib' er; hat er Eseln oder Schwein', so komm'
er vor das Bett allein."

Eine andere Methode, den Zukünftigen zu sehen oder zu erfahren, ist die,
daß man Nachts zwölf Uhr einen Obstbaum, oder bestimmter einen Birnbaum
schüttelt und dazu spricht: „Bäumlein, ich rüttle dich, Feinsliebchen melde dich.
Willst du dich aber nicht melden, so laß doch dein Hündlein bellten." Darauf
erscheint entweder der Zukünftige oder man hört Hundegebell; woher letzteres
schallt, in die Gegend heirathet man. Statt des Baumes kann man auch einen
Gartenzaun rütteln, wobei ein solcher, der durch Erbschaft an seinen gegenwär¬
tigen Besitzer übergegangen ist, besonders gute Dienste thut/ Der Vers lautet
dann: „Erbzaun, ich rüttle dich, seines Lieb, ich bitte dich. Beil, den, Hünde-
lcin, wo mein feines Lieb wird sein." Den Wohnort des künftigen Bräutigams
erfährt man auch einfach durch Hundegebell, indem man unter einen Birn¬
baum kniet oder durch das Astloch einer Bretterwand horcht. Hunde sind weissa¬
gende Thiere, das Lauschen am Astloch beruht guf dem Glauben, daß Zwerge,
Elben und Geister durch solche Oeffnungen gern ihren Durchgang nehmen.

Auch sonst giebts am Andreasabend allerlei Orakel. So das Pantoffel¬
werfen, bei welchem die Mädchen sich mit dem Kopf gegen die Thür gekehrt
in die Stube legen, den Pantoffel über sich weg nach der Thür hin werfen
und dazu sprechen: Schnabel, Schnabel ein, wo werd' ich heut übers Jahr sein?"
Fällt er mit der Spitze nach der Thür zu, so hoffen sie, im nächsten Jahre aus
dem Hause zu kommen und zu heirathen. Andere wieder gehen in der Mitter¬
nachtsstunde an den „Hühncrhort" (Hühner statt) und klopfen dreimal an den-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/400>, abgerufen am 28.09.2024.